Schweine auf grünen Wiesen, grunzend in Schlammpfützen, schlafend auf Stroh - das ist in Zeiten industrieller Fleischproduktion zwar eine Seltenheit, in Halver aber Realität. Auf dem Hof Hedfeld steht der artgerechte Umgang mit dem Tier von der Geburt bis zur Schlachtung im Mittelpunkt. Die Empörung über die katastrophalen Zustände auf einem Schweinezuchtbetrieb in Halver-Hohenplanken erfordert einmal mehr den Blick über den Tellerrand - im wahrsten Sinne des Wortes. Die Erkenntnis: Tierverachtung und Tierverantwortung liegen manchmal nur wenige Luftmeter auseinander.

Draußen regnet es seit Stunden in Strömen. „Die haben heute keine Lust rauszugehen. Bei dem Wetter bleiben die auch lieber drin und machen es sich gemütlich“, sagt Stefan Hedfeld. Der Landwirt im Nebenerwerb kennt seine Tiere und weiß: Einen nassen Rücken holt sich das Borstenvieh eher ungern. Dabei könnten sie raus. Jederzeit. Aus dem Stall mit gemütlichem Strohbett führt ein Durchgang in das Außengehege der Tiere. Dort können die Schweine ihre Nasen in Pfützen und Erde stecken und Sonne auf der braun-rosafarbenen Haut spüren.

 Wer in diesen Tagen Alternativen zur konventionellen Schweinehaltung sucht, der findet sie – in der Nachbarschaft. Auf dem Hof Hedfeld zwischen Halver-Anschlag und Wipperfürth-Kreuzberg leben Schweine in Ställen mit Stroh und mit Zugang auf Weide- und Matschflächen – gemeinsam in Gruppen. Auch ihr Leben endet im Schlachthaus, ihre Körper werden verarbeitet – zu Wurst und Fleisch. Aber der Weg dorthin ist eines Tieres würdig.

Ein Schweineleben auf dem Hof Hedfeld beginnt in einer Wurfbox mit Wärmelampe. Zwischen drei und vier Sauen werfen jeweils rund zehn Ferkel - ein oder zwei Mal im Jahr. Kastenstände gibt es auf dem Hof Hedfeld nicht – die Muttertiere können aufstehen, sich bewegen und ihren Nachwuchs umsorgen. Wird’s dem mal zu viel oder zu kalt, gehen die Ferkel in ihre beheizte Kiste. Statt auf Spaltenboden liegen die Sauen auf Stroh. „An den Sauen hängen wir besonders, die haben hier auch einen Namen“, sagt Sabrina Hedfeld, die sich nicht nur um die Tiere, sondern vor allem auch um den Hofladen und die Vermarktung der hofeigenen Produkte kümmert. Zwei Hedfeld-Familien leben und arbeiten auf dem Hof in der Ortschaft Im Wiebusch.

Neben Wurst und Fleisch von den Schweinen vertreiben Hedfelds die Eier ihrer Freilandhühner; zu Schlachtzeiten gibt’s frisches Hühnerfleisch und Suppenhuhn. Hinzu kommen Gemüse und Kartoffeln aus eigenem Anbau. Neben der Vermarktung über den Hofladen gibt’s die Hedfeld-Produkte auch im Edeka Offermann Kreuzberg sowie in der Raiffeisen Genossenschaft Halver.

Mitglied im Neuland-Verein

In den 90-er Jahren entschied die Familie Hedfeld, sich dem Neulandverein anzuschließen. „Wir wollen die Schweinehaltung ändern“, sagt Stefan Hedfeld, der sich angesichts der aktuellen Berichte zur konventionellen Schweinehaltung auf seinem Weg einmal mehr bestätigt fühlt. „Was wir dort sehen, ist industrielle Landwirtschaft. Der Neuland-Verein setzt sich ein für den Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft“, betont der Halveraner.

Die Richtlinien des 1988 gegründeten Vereins sind eindeutig: Stroheinstreu statt Gitter- oder Spaltenboden; alle Tiere dürfen ganzjährig ins Freie; Verwendung von heimischen Futtermitteln oder Futtermitteln aus angrenzenden Regionen; Verbot von Gentechnik; Erhalt und Förderung bäuerlicher Betriebe. Die Einhaltung der Neuland-Richtlinien kontrolliert der Verein auf den ihm angeschlossenen Höfen einmal im Jahr.

Hinzu kommt, dass die Versorgung der Tiere manuell und nicht automatisiert abläuft. „Wir sind jeden Tag bei den Tieren und haben sie immer im Blick“, sagt Stefan Hedfeld. Kranke Tiere erkennen sie auf diese Weise schnellstmöglich, wenngleich das die Ausnahme bleibt. „In diesem Jahr musste der Tierarzt noch nicht kommen, alle sind gesund“, berichtet der Landwirt.

„Das Strohbett bleibt sauber“

Schweine gelten nicht nur als äußerst sozial und intelligent, sie gehen vor allem ordentlich mit ihren Schlaf- und Ruheplätzen um – solange der Platz es zulässt. „Gepinkelt wird da hinten, das große Geschäft machen manche sogar nur draußen“, erklärt Stefan Hedfeld, und deutet auf eines der Tiere, das sich von der Gruppe entfernt hat und sich in einem anderen Bereich erleichtert. „Das Strohbett bleibt sauber.“

Bis zu acht Wochen bleiben die Ferkel bei ihren Müttern. Nach der Abferkelbox erkunden sie zunächst als sogenannte Absetzer ihre Umgebung. Da die Ferkel noch klein genug sind, passen sie zwischen den Zäunen hindurch und machen – ganz zur Verwunderung mancher Besucher - den Hof allein unsicher. „Die Schweine sind total neugierig und schauen sich alles an“, wissen Stefan und Sabrina Hedfeld.

100 Kilo am Haken

Mit drei Monaten wird der ferkelige Nachwuchs zum Läufer, ab einem Alter von fünf Monaten gelten die Tiere als Mastschwein. Männliche Schweine werden früh kastriert - das geschieht unter strenger Einhaltung medizinischer Vorgaben, versichert Stefan Hedfeld. Im Alter von neun bis zwölf Monaten werden die Schweine geschlachtet. Ein Landwirt formuliert das so: „Die haben am Ende 100 Kilo am Haken“.

Ihr Lebensende erleben die Tiere nicht auf dem Hof Hedfeld. Die biozertifizierte Bäuerliche Fleischverarbeitung Berg und Mark in Wipperfürth-Vossebrechen ist in wenigen Fahrminuten zu erreichen. Dort werden die Tiere unter Neuland-Bedingungen getötet und zerlegt. „Die Tiere erfahren keinen Stress durch stundenlange Lkw-Fahrten in überfüllte, industrialisierte Schlachthäuser.“ Der Sterbeprozess ist kurz, unaufgeregt und schmerzlos, die Tiere erfahren kein Leid, versichert Hedfeld.

Die gute Aufzucht, das gut Futter und das schweinegute Leben schmeckt man – da sind sich nicht nur Hedfelds sicher, sondern auch die Kunden. „Das hier ist einfach eine andere Qualität“, wissen Sabrina und Stefan Hedfeld. Und die hat ihren Preis. „Wir können und wollen bei Dumpingpreisen für tierische Produkte gar nicht mithalten“, versichern sie. Dass den Preis für billiges Fleisch und preiswerte Wurst am Ende immer die Tiere zahlen und nicht die Industrie, sei vielen Verbrauchern nicht bewusst. Und wenn generell weniger Geld zum Leben da ist, sparen die Menschen zuerst an den Lebensmitteln, weiß Sabrina Hedfeld. Zu Zeiten der Corona-Pandemie sei es „richtig gut“ gelaufen, „jetzt geht es deutlich zurück.“ Ob Skandale über schlechte Haltung und leidvolle Zucht von Tieren wirklich zum Umdenken anregen, könne sie sich nur wünschen, sagt die Landwirtin. „Der Verbraucher hat es in der Hand, jeder Einkauf ist ein Stimmzettel.“ 

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