Im Fall der katastrophalen Haltungsbedingungen von Schweinen auf einem Zuchtbetrieb in Halver-Hohenplanken bat LokalDirekt Kreisdirektorin Barbara Dienstel-Kümper um Stellungnahme. Als stellvertretende Behördenleiterin der Kreisverwaltung vertritt sie Belange und Entscheidungen nach außen.
In die Kritik geraten war im Fall des Schweinzuchtbetriebes auch das Kreisveterinäramt. Die Mitarbeiter hatten nach Bekanntwerden der Zustände auf dem Halveraner Betrieb angegeben, ihnen seien ähnliche Zustände auch aus vorherigen Kontrollen von dem Hof bekannt. Unter Erfüllung von Auflagen durfte der Betrieb bislang und auch im jüngsten Fall weitergeführt werden. Eine Mitverantwortung für den fortgeschrittenen, tierschutzrechtlich bedenklichen Zustand der Tiere erkennt das Veterinäramt bei sich nicht.
Diese Einschätzung teilt auch Barbara Dienstel-Kümper. In ihrer Stellungnahme schreibt sie: "Der betreffende Hof ist sicherlich kein Vorzeigebetrieb, die festgestellten Mängel sind jedoch in angemessener Zeit behebbar. Insofern ist den Beschäftigten des Veterinärwesens im Rahmen ihrer Vorgehensweise kein dienstrechtlicher Vorwurf zu machen."
Die Überwachung eines Betriebes sei in einem Turnus von drei bis sieben Jahren vorgesehen. Werden bei einer Begehung Mängel entdeckt, werde nur in "extremen Ausnahmefällen" aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsprinzips die Tierhaltung untersagt, so Dienstel-Kümper zu der Frage, warum der Landwirt seinen Betrieb weiterführen dürfe. Erst den Betrieb zu schließen und dann neue Auflagen zu erteilen entziehe dem Landwirt durch die Betriebsschließung seine Erwerbs- und Lebensgrundlage – die Erfüllung neuer Auflagen sei dann hinfällig.


"Unstreitig" seien zwar auf den nächtlichen Videoaufnahmen Bilder mit blutigen, hockenden oder abgemagerten Tieren abgebildet, diese Bilder jedoch, so Dienstel-Kümper, seien immer in einem Kontext zu sehen. "Einem abgemagerten Tier sieht man nicht an, ob der Landwirt tatenlos ist oder für das Tier eine ernährungsberatliche Begleitung auf den Weg gebracht hat", meint die Kreisdirektorin.
Barbara Dienstel-Kümper verweist in ihrer Stellungnahme auf die rechtlichen Regelungen für die Schweinehaltung. Diese enthielten Mindestanforderungen, die ihres Erachtens in etwa der Stufe 1 von insgesamt fünf Stufen der Tierwohlampel eines deutschen Discounters entsprächen. Dienstel-Kümper: "Ein Blick in diese Mindestanforderungen lässt auch den Laien erkennen, dass ein Schweinezuchtbetrieb der Stufe 1 kein idyllischer Streichelzoo ist, was zum Beispiel die Größe der Einstellplätze, den Spaltboden oder das Tageslichtangebot betrifft. Das mag zynisch klingen – spiegelt jedoch den rechtlichen Rahmen wider, in dem sich Tierhalter zu bewegen haben. Behörden können die vom Gesetzgeber vorgegebene Messlatte nicht höher legen."
Bis vor einigen Jahren habe das BGB Tiere als Sachen betrachtet. Das ändert nun der Paragraph 90a, wonach Tiere eben keine Sache mehr sind. Es habe, so die Kreisdirektorin, in den letzten Jahren ein Umdenken gegeben. Auch die sogenannte „Legehennenverordnung“ aus dem Jahre 2001 thematisiere erstmals ein Tierwohl - "erkennbar mit Luft nach oben", so Dienstel-Kümper. Und weiter: "Dass Tierhaltung auch anders geht (siehe Stufe 5) ist unbestritten. Jedoch kann der Märkische Kreis nur den Maßstab anlegen, der rechtlich eingefordert ist. Darum sehe ich hier auch kein rechtliches Behördenversagen.“
Hinweis der Redaktion: Die Redaktion bat Kreisdirektorin Barbara Dienstel-Kümper am Freitagabend um eine genauere Definition der Aussage „Werden bei einer Begehung Mängel entdeckt, wird nur in extremen Ausnahmefällen aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsprinzips die Tierhaltung untersagt werden können.“
LokalDirekt bat darum, diese „extremen Ausnahmefälle“ und das „Verhältnismäßigkeitsprinzip“ näher zu erläutern und stellte ferner die Frage, ob verwesende Kadaver inmitten lebender Schweine, tote Ferkel, sterbende Tiere und Ungeziefer keine extremen Ausnahmefälle seien.
Eine Antwort steht zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Textes aus. Barbara Dienstel-Kümper, so lautet die automatische Antwort des Mail-Postfaches, sei zudem bis zum 26. Oktober nicht erreichbar.
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