In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannte im gesamten Deutschen Reich der Hass: Synagogen, Geschäfte und Wohnungen jüdischer Bürgerinnen und Bürger wurden zerstört, Menschen gedemütigt, verhaftet und ermordet. Auch in Plettenberg kam es zu Übergriffen. Daran erinnert Stadtarchivarin i. R. Martina Wittkopp-Beine.
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Die sogenannten Novemberpogrome – lange Zeit verharmlosend als „Kristallnacht“ bezeichnet – waren keine spontanen Ausschreitungen. Sie wurden von der NS-Führung zentral geplant und von SA- und SS-Angehörigen vor Ort ausgeführt. Der Vorwand: Das Attentat des 17-jährigen Juden Herschel Grynszpan auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath in Paris. Nach dem Tod vom Raths rief Propagandaminister Joseph Goebbels in München zu „Vergeltung“ auf – ein Signal, das in der gesamten NS-Hierarchie verstanden wurde.
Noch in derselben Nacht gingen über die Staatspolizeistellen Anweisungen an die lokalen Einheiten. In einem Fernschreiben hieß es: „In kürzester Frist werden in ganz Deutschland Aktionen gegen Juden, insbesondere gegen deren Synagogen, stattfinden. Sie sind nicht zu stören.“
Damit begann auch in Plettenberg die Verfolgung. SA- und SS-Leute zerstörten in der Nacht zum 10. November mehrere jüdische Geschäfte. Laut einer Schadensliste des damaligen Bürgermeisters Heinrich Brüggemann waren die Konfektionshäuser Witwe Sternberg, Gebrüder Sternberg und Gebrüder Löwenthal betroffen, mit Schäden von jeweils bis zu 3.000 Reichsmark. Auch die Metzgereien von Alex Heilbronn und Julius Lennhoff wurden verwüstet. Besonders bei Lennhoff richteten die Täter erheblichen Schaden an: Schaufenster, Kasse und Ladentür wurden zerstört, in der Wohnung Möbel und persönliche Gegenstände zerschlagen.
Verschont blieb lediglich das Haus von Julius Bachrach und Hugo Neufeld, weil das Geschäft bereits seit 1937 an einen „Arier“ verpachtet war.
Am Morgen des 10. November 1938 wurden in Plettenberg 20 jüdische Männer verhaftet. Nur drei ältere Männer – Adolf Sternberg (70), Louis Löwenthal (74) und Alex Heilbronn (70) – kamen bald wieder frei. Die übrigen wurden zunächst in örtliche Gefängnisse gebracht, dann in die Steinwache Dortmund und von dort in das Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin deportiert.
Unter den Inhaftierten befanden sich der Geschäftsmann Eugen Löwenthal, der Viehhändler Leo Hesse, der Metzger Julius Lennhoff mit seinem Sohn Heinz, der Metzger Egon Heilbronn sowie die Kaufleute Julius Bachrach und Hugo Neufeld. Wochenlang waren sie dort Misshandlungen und Erniedrigungen ausgesetzt. Im Dezember 1938 wurden sie entlassen – mit der Gewissheit, dass es für sie und ihre Familien in Deutschland keine Zukunft mehr gab.
Zur Flucht ins Ausland kam es jedoch nicht mehr. In den folgenden Jahren wurden diese jüdischen Familien Plettenbergs deportiert – und in den Vernichtungslagern der Nazis ermordet.
Über Generationen hinweg waren jüdische Bürgerinnen und Bürger Teil des Lebens in Plettenberg gewesen. Sie betrieben Geschäfte, nahmen am gesellschaftlichen Leben teil, gehörten selbstverständlich zur Stadt. Die Pogromnacht von 1938 markierte den Anfang ihres gewaltsamen Endes – ausgelöst durch den Rassenwahn und die menschenverachtende Ideologie des NS-Regimes.
Die Erinnerung an die Familien Heilbronn, Bachrach, Neufeld, Löwenthal, Lennhoff und Hesse mahnt bis heute, wohin Hass, Hetze und Ausgrenzung führen können.







