"Der Eindruck, der über das Video der Tierrechtsorganisation Aninova erzeugt wurde, hat sich bei der Vor-Ort-Begehung nur teilweise bestätigt", behauptet der Märkische Kreis eine Woche nach der Veröffentlichung der schockierenden Bilder aus einem Schweinezuchtbetrieb in Halver-Hohenplanken. Ausgangspunkt für die Aussage war eine Nachfrage von LokalDirekt, ob auf dem Betrieb "extreme Ausnahmefälle" herrschten.

Kreisdirektorin Barbara Dienstel-Kümper äußerte sich am Freitag, 17. Oktober, auf LokalDirekt-Anfrage zum Schweinezucht-Skandal in einem Betrieb in Halver-Hohenplanken. Seitdem die Tierrechtsorganisation Aninova die unhaltbaren Zustände aufgedeckt hatte, ist die Empörung und das öffentliche Entsetzen groß. Fotos und Videos der Organisation dokumentierten tote und sterbende Ferkel, stark abgemagerte, äußerlich deutlich verletzte Tiere, verwesende Kadaver und einen Befall von Ungeziefer.

In ihrem Statement vom 17. Oktober hatte die Kreisdirektorin unter anderem über den Betrieb gesagt, "ein Schweinezuchtbetrieb der Stufe 1 [sei] kein idyllischer Streichelzoo". Eine Betriebsschließung sei im vorliegenden Fall nicht vorgesehen. Begründung: „Werden bei einer Begehung Mängel entdeckt, wird nur in extremen Ausnahmefällen aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsprinzips die Tierhaltung untersagt werden können.“ Aufgrund dieses Zitates bat LokalDirekt daraufhin die Kreisdirektorin um eine Präzisierung sogenannter "extremer Ausnahmefälle". Zudem wollte unsere Redaktion von Barbara Dienstel-Kümper wissen, ob verwesende Kadaver inmitten lebender Schweine, tote Ferkel, sterbende Tiere und Ungeziefer wie Ratten keine extremen Ausnahmefälle darstellen würden.

Die Antwort aus dem Kreishaus verwundert: "Der Eindruck, der über das Video der Tierrechtsorganisation Aninova erzeugt wurde, hat sich bei der Vor-Ort-Begehung nur teilweise bestätigt", heißt es in dem Antwortschreiben vom 21. Oktober. Damit widerspricht der Märkische Kreis - eine Woche später - plötzlich nicht nur Aninova, sondern auch dem Unternehmen "QS", das noch am Tag der Veröffentlichung die dokumentierten Zustände nach einer eigenen Begehung der Ställe öffentlich bestätigt hatte - LokalDirekt berichtete.

Das sieht der Kreis nun offenbar anders. Es seien, so der Kreis, zwar "diverse Missstände im Bereich Tierschutz und Tiergesundheit/Hygiene festgestellt" worden, man halte aber an der Auffassung fest, die "sofort eingeleiteten Sofortmaßnahmen" und Auflagen könnten die Missstände auf dem Hof beseitigen. Zudem teilt die Pressestelle des Kreises mit, die Maßnahmen "müssen verhältnismäßig, d. h. erforderlich, geeignet und angemessen sein". Einige Auflagen seien vom Betreiber bereits erfüllt worden. Die Erfüllung der Auflagen werde zeitnah kontrolliert.

"Extreme Ausnahmefälle" und somit die Voraussetzungen für ein ordnungsbehördliches Schweinehaltungs- und Betreuungsverbot lägen nur "nach einschlägigen strafrechtlichen Verurteilungen" vor. Laut Gesetz könne die Haltung und Betreuung von Schweinen auch "in Wiederholungsfällen, wenn grob und wiederholt Tierschutzbestimmungen zuwidergehandelt wurde" verboten werden. Am 15. Oktober noch hatte der Kreis mitgeteilt, dass im Rahmen einer "anlassbezogenen Kontrolle" des Schweinezuchtbetriebes im Frühjahr dieses Jahres ähnliche Zustände vorgefunden und durch Auflagen geahndet worden seien. Einen "extremen Ausnahmefall" sieht das Kreisveterinäramt bei dem Halveraner Schweinhalter also nicht.

Auch Verstöße gegen den Tierschutz erkennt das Kreisveterinäramt nicht. Tierschutzrechtliche Fälle unterschieden sich, so der Kreis, in der Quantität (z.B. Zahl der betroffenen Tiere) oder in der Intensität (z.B. Schwere) der Mängel. Auf die Frage unserer Redaktion, ob angesichts der Situation vor Ort nicht schon ein Maximum an Beidem in Halver-Hohenplanken erreicht sei, lautet die Antwort aus Lüdenscheid: "Nein." Nach Auffassung des Kreises bewege sich der Schweinezuchtbetrieb "weitgehend innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen". Eine Untersagung sei nach der aktuellen Akten- und Rechtslage unverhältnismäßig und hätte vor Gericht keinen Bestand, argumentiert der Kreis weiter.

Die Kreisveterinärbehörde überwache und kontrolliere die Einhaltung der Mindestvoraussetzungen und, so betont die Behörde explizit, nicht näher zu definierende „optimale Haltungsbedingungen“.

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