Die Enthüllungen rund um den desaströsen Zustand in einem Schweinezuchtbetrieb in Halver liegen erst zwei Wochen zurück. Jetzt veröffentlicht die Tierrechtsorganisation Aninova weiteres belastendes Videomaterial aus dem Stall in Hohenplanken. Die Aufnahmen stammen nach Angaben von Aninova aus dem Jahr 2024 und sollen beweisen, "dass die Missstände seit Jahren bekannt sind und offenbar keine wirksamen Konsequenzen gezogen wurden". Zudem belastet die Organisation das Unternehmen QS aus Bonn.

Vor zwei Wochen veröffentlichte die Tierrechtsorganisation Aninova Fotos und Videos aus einem Schweinezuchtbetrieb in Halver-Hohenplanken. Die Aufnahmen zeigen verletzte, tote und sterbende Tiere. Zwischen Dreck und Exkrementen laufen die Schweine auch auf verwesenden Tieren herum. Die Liste der Vergehen in dem Zuchtbetrieb verlängerte sich durch zu kleine Kastenstände für die abferkelnden Sauen und einen Befall von Ungeziefer. Die Bilder legen die Vermutung nahe, dass die Zustände auf dem Hof in Halver schon länger bestehen.

In der folgenden Berichterstattung bei LokalDirekt äußerten sich beteiligte Stellen zu den Bildern und Vorwürfen. Allen voran der Märkische Kreis, der im Rahmen seiner Kontrollen durch die Kreisveterinäre die Zustände zunächst bestätigte und auch zugab, über "Mängel" schon länger informiert zu sein. Für Empörung sorgte dann das Statement der Kreisdirektorin Barbara Dienstel-Kümper, die in einer Stellungnahme gegenüber LokalDirekt sagte, ein Schweinezuchtbetrieb der Stufe 1 sei "kein idyllischer Streichelzoo". In der Folge widersprach der Märkische Kreis dann in Teilen der Darstellung durch Aninova: "Der Eindruck, der über das Video der Tierrechtsorganisation Aninova erzeugt wurde, hat sich bei der Vor-Ort-Begehung nur teilweise bestätigt." Es läge kein extremer Ausnahmefall vor. Die verhängten Auflagen müssten nun vom Landwirt erfüllt und durch das Kreisveterinäramt kontrolliert werden. Eine Betriebsschließung schloss der Kreis von vornherein aus.

Das Unternehmen "QS Qualität und Sicherheit" aus Bonn hatte nach dem öffentlichen Bekanntwerden der Zustände nicht nur dem Betrieb das Siegel entzogen, sondern auch die Zusammenarbeit mit einer externen Zertifizierungsstelle aufgekündigt. Die QS-Pressestelle hatte bestätigt, dass erst Anfang Oktober 2025 ein QS-Audit in dem Schweinezuchtbetrieb in Halver durchgeführt worden war. Der Auditor einer durch QS beauftragten Zertifizierungsstelle habe dabei entscheidende Abweichungen und Mängel auf dem Betrieb nicht erkannt und entsprechend auch nicht in seinem Bericht dokumentiert, hieß es am 16. Oktober.

Nun richtet Aninova weitere Vorwürfe gegen QS. In einer Mitteilung vom 30. Oktober berichtet Vorstandsvorsitzender Jan Peifer von Unterlagen, die bereits seit dem Jahr 2016 auf Mängel und Missstände in dem Betrieb hinweisen. Der Organisation lägen demnach interne Prüf- und Kontrollunterlagen vor, in denen 2016 QS-Prüfer fehlendes Beschäftigungsmaterial, kurzfristige Überbelegung und mangelnde Ordnung auf dem Gelände bemängelt hätten. Im Jahr 2023 seien zudem defekte Tränken, Mängel bei Beleuchtung und Wasserversorgung sowie keine ordnungsgemäße Eigenkontrolle beanstandet worden. Erst nach mehrfachen Ermahnungen im März 2024, sei, so Aninova, eine teilweise Nachbesserung erfolgt. Bereits damals habe der Entzug des QS-Prüfzeichens gedroht.

Neue Videoaufnahmen aus dem Jahr 2024 sollen zudem dokumentieren, "dass die Missstände seit Jahren bekannt sind und offenbar keine wirksamen Konsequenzen gezogen wurden". Das neue Videomaterial dokumentiert kranke, verletzte und abgemagerte Schweine in dunklen, unhygienischen Stallungen. Nach Angaben von Aninova habe sich "eine Reihe von Personen an die Tierrechtsorganisation gewandt und weiteres Material aus dem Inneren der Anlage zur Verfügung gestellt". Den Entstehungszeitraum nachweislich belegen kann Aninova in der Pressemitteilung jedoch nicht.

Vertragspartner von Westfleisch

Zudem teilt Aninova mit, der Betrieb sei seit 2015 Vertragspartner von Westfleisch im Rahmen des „BestFerkel“-Programms gewesen. Auf eine Anfrage von Aninova habe das Unternehmen mitgeteilt, dass seit 2022 keine Belieferung mehr erfolgt sei, gleichzeitig jedoch liege Aninova ein QS-Prüfbericht aus dem Jahr 2023 vor, in dem Westfleisch als QS-Bündler genannt wird – und damit unter anderem die QS-Kontrollen koordiniert, schlussfolgert die Tierrechtsorganisation. "Zumindest bestand dadurch eine fortlaufende Verbindung zu Westfleisch, die nun auch beendet wurde", so Peifer.

„Diese neuen Informationen zeigen, dass die Zustände in diesem Betrieb kein Ausrutscher sind, sondern das Ergebnis jahrelanger Nachlässigkeit“, sagt Jan Peifer. „Wenn über Jahre hinweg dieselben Verstöße dokumentiert werden, ohne dass sich etwas ändert, dann ist das ein strukturelles Problem – nicht nur beim Betreiber, sondern auch bei den Kontrollmechanismen selbst.“

Derweil laufen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Dortmund. Die zuständige Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität in Nordrhein-Westfalen hatte nach Eingang der Strafanzeige am 16. Oktober durch Aninova die Ermittlungen in dem Fall aufgenommen. Den Ermittlungen in Dortmund arbeitet auch das zuständige Landesamt für Verbraucherschutz und Ernährung (LAVE) zu. Die zuständige Fachaufsichtsbehörde sichere die Ermittlungen ab und überprüfe in diesem Zusammenhang auch die Arbeit des Märkischen Kreises, teilte die zuständige Pressestelle aus Düsseldorf auf LokalDirekt-Anfrage mit.

Der Betreiber der Schweinezucht mit zur Zeit rund 2500 Tieren reagiert auf Anfragen unserer Redaktion nach wie vor nicht.

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