„Ich bin gebürtiger Plettenberger, aber hier war ich auch noch nie“, staunte Alexander Kranich zu Beginn seines Konzertes im Ratssaal. Das Gemeinschaftsprojekt von Heimatkreis und KulTour lud den Jazz-Gitarristen Alexander Kranich und Band, bekannt als Kranich Kollektiv, zum Konzert in den Plettenberger Ratssaal ein. Mit seinem derzeitigen Projekt setzt Kranich der Jazzlegende Heinz Jakob Schumann, besser bekannt als Coco Schumann, ein Denkmal.
Mit der Eigenkomposition „Meine Gitarre erzählt“ eröffnete Kranich die musikalische Welt Schumanns. Kranich ist stolz darauf, auf Cocos originaler und legendärer Gibson L-7 spielen zu dürfen und hält sie sorgfältig in Ehren. Dem zahlreich erschienenen Publikum, etliche Stühle mussten noch dazu gestellt werden, zeigt er die Gitarrenrückseite, an der unverkennbar deutliche Zeichen langer Bespielbarkeit zu sehen sind, sowie noch ein Etikett mit Schumanns alter Adresse in Berlin. Die ursprünglich akustische Gitarre wurde in der 1940er Jahren fachmännisch zur E-Gitarre umgebaut, indem der Tonabnehmer darauf gebaut wurde, der auf abgeschnittenen Weinkorken gestützt wird.
Mit einer weiteren Komposition, dem „Coco Nuts“, die „sehr den Spirit dieses Menschen aufnimmt“, setzte die Combo das Konzert fort. Kranich hatte das Glück, Schumann persönlich kennenlernen zu dürfen und zitierte einige treffende Bonmots des nach seiner Aussage sehr humorvollen Musikers: Solange ich Musik mache, habe ich keine Zeit, alt zu werden oder wer swingt, marschiert nicht. Das wird allein vom Rhythmus schon schwierig. Noten sind schwarze Punkte.
Letzteres wird begreiflich, als im fortgeschrittenen Alter Schumanns festgestellt wird, dass er seine Kompositionen nie aufgeschrieben hat. Darauf angesprochen, reagierte Schumann mit diesen Worten: „Ach, Noten sind schwarze Punkte, lass uns lieber etwas trinken.“ Kranich und Axel Reichard haben später während des Corona-Lockdowns in mühevoller Arbeit Schumanns Stücke von alten Grammophonplatten zu Papier gebracht. Auch wenn immer wieder mal Fehler aufgefunden werden, gilt, wie Kranich es ausdrückt: „Das ist das Schöne am Jazz: Wir spielen nicht, was da steht.“
Auf Konzerttour ist Kranich derzeit mit den Musikern Axel Reichard (Piano) aus Münster, Max Jalaly (Kontrabass) aus Lüdenscheid, Andy Smyrek (Schlagzeug) aus Lüdenscheid und Florian Boos (Saxophon) aus Essen. Zwischen den Stücken erzählt Kranich stückchenweise von der Lebensgeschichte Coco Schumanns, der als sogenannter Geltungsjude nach einem Verrat verhaftet und später ins KZ Theresienstadt deportiert wurde. Dort musste er in der hochkarätig besetzten Jazzband Ghetto Swingers (mit führenden Musikern der europäischen Szene) spielen, wurde später weiter nach Auschwitz deportiert und überlebte auch das. Die Ghetto Swingers eröffneten jedes ihrer Konzerte mit einer sehr bekannten Komposition eines ebenfalls jüdischen Musikers, Georg Gershwin: I Got Rhythm.
Einer der bekanntesten deutschen Schauspieler der 1920er Jahre war Kurt Gerron, der als Jude ebenfalls in die Fänge der NS geriet und in Theresienstadt den Auftrag erhielt, einen Film zu drehen mit dem Titel: Der Führer schenkt den Juden eine Stadt. In diesem Film treten unter anderen auch die Ghetto Swingers auf und spielen das bis heute bekannte Lied: Bei mir bist du scheen.
Mit dem wohl meist gecoverten Stück der Musikgeschichte, La Paloma, welches in Auschwitz zum Empfang an der Bahn und auf dem Weg zum Brausebad zur Beruhigung der Kinder gespielt wurde, ging es in die Pause.
Die Leichtigkeit des swingenden Jazz, die unwillkürlich aufspringen und tanzen lassen möchte, wie an vielen zuckenden Füßen zu bemerken war, lässt nicht erahnen, welch schwieriges und leidvolles Schicksal Schumann und vielen seiner Weggefährten auferlegt wurde. Viele Titel sind bis heute bekannt und in Variationen beliebt. Heute sind erneut einige Musikliebhaber um das Wissen bereichert worden, von wem all diese Titel stammen und welche Entwicklung sie im Laufe der Zeit genommen haben. Ein schönes Projekt von Alexander Kranich, um die Erinnerung an Coco Schumann lebendig zu halten.
Mit begeistertem Applaus entließ das Publikum das Kranich-Kollektiv, das sich diesen Künstlerlohn absolut verdient hatte.














