Im Zuge des Schweinezucht-Skandals in Halver hatte die Kreistagsfraktion der Grünen einen Fragenkatalog an den Landrat gerichtet. Die nun vorgelegten Antworten aus dem Kreishaus offenbaren "ein Kontrollsystem, das strukturell unterreagiert – selbst bei wiederholten, gravierenden Verstößen". In der Folge fordern die Grünen nun eine konsequente Neubewertung des Betriebs.
Die Kreistagsfraktion der Bündnisgrünen hatte in einer Anfrage vom 3. November an Landrat Ralf Schwarzkopf "lückenlose Aufklärung" der Tierschutzverstöße im Schweinezuchtbetrieb in Halver-Hohenplanken gefordert. Ausschlaggebend war veröffentlichtes Video- und Fotomaterial der Tierrechtsorganisation Aninova aus den Stallungen des Betriebes Mitte Oktober. Darauf waren verendete, verweste und verletzte Tiere zu sehen - LokalDirekt berichtete.
Mithilfe eines Fragenkatalogs erbaten die MK-Grünen daraufhin aus dem Kreishaus, insbesondere vom zuständigen Kreisveterinäramt, Angaben zu durchgeführten Kontrollen, festgestellten Mängeln und Auflagen sowie eine Begründung, warum dem Landwirt bislang kein Tierhalteverbot auferlegt wurde - LokalDirekt berichtete.
Mittlerweile liegen die Antworten vor. Zufrieden stellen sie die Grünen rund um Marjan Eggers und Paolino Barone nicht. Vielmehr werfen sie neue Fragen auf: "Wie kann es sein, dass seit Jahren dieselben Mängel auftreten, ohne dass sich an den Konsequenzen etwas ändert? Und wie kann eine Behörde ihrer Kontrollpflicht nachkommen, wenn die Datenlage so lückenhaft ist?"
Die jüngsten Antworten der Kreisverwaltung zum Schweinezuchtbetrieb in Halver-Hohenplanken zeigten ein tiefes strukturelles Problem: "Seit nahezu einem Jahrzehnt werden immer wieder dieselben Mängel festgestellt – von kranken und verletzten Tieren über defekte Tränken und Spaltenböden bis hin zu Hygiene- und Kadaverproblemen. Trotz dieser langen Liste nutzt das Veterinäramt fast ausschließlich milde Mittel wie mündliche Anordnungen und kurze Nachkontrollen", schreiben Eggers und Barone in einer von beiden unterzeichneten Stellungnahme.
In der Beantwortung der Fragen gibt der Kreis Auskunft über die Kontrollen der vergangenen Jahre auf dem Schweinzuchtbetrieb. Das Veterinäramt dokumentiert zwischen 2016 und 2025 wiederkehrende Mängel bei der Entsorgung von Kadavern sowie deren Lagerung, mangelnde tierärztliche Versorgung von erkrankten Tieren sowie Hygienemängel. Die Grünen: "Die Verwaltung selbst dokumentiert in den vergangenen zehn Jahren 22 Kontrollen und eine Vielzahl wiederkehrender Verstöße, zieht daraus aber keine Konsequenz. Statt den weithin sichtbaren Mustern nachzugehen, werden die einzelnen Fälle isoliert betrachtet – und das Ergebnis ist eine Aufsicht, die niemals wirklich durchgreift."
In der Verantwortung sehen die MK-Grünen auch den behandelnden Tierarzt. Demnach müssten mindestens zwei klinische Untersuchungen pro Jahr auf einem Betrieb stattfinden, "in der Praxis jedoch deutlich häufiger, insbesondere bei gesundheitlichen Problemen." Zugrunde liegt diese Annahme der "Integrierten Risikobeurteilung Landwirtschaftlicher Betriebe", kurz IRL, die den Veterinärbehörden in NRW seit 2021 als Leitlinie dient.
Der betreuende Tierarzt muss sich dabei „einen guten Überblick über häufig auftretende gesundheitliche Probleme und über den generellen Gesundheitszustand des Tierbestandes machen“ können. Ebenso verlangt das Konzept, dass bei schwer erkrankten oder unklaren Fällen unverzüglich eine tierärztliche Untersuchung zu erfolgen hat.
Die Grünen kommen zu dem Schluss: "Genau hier zeigt sich im Betrieb Halver-Hohenplanken ein massives Defizit: Der Fund mehrerer verletzter, abgemagerter oder erkennbar unbehandelter Tiere am 14.10.2025 deutet darauf hin, dass entweder keine ausreichende tierärztliche Betreuung stattfand oder die Ergebnisse der tierärztlichen Untersuchungen nicht umgesetzt wurden."
An der Absage an ein schon mehrfach gefordertes Haltungsverbot für den Schweinezüchter aus Halver hält der Kreis auch in seiner Stellungnahme an die Grünen weiter fest. Demnach reichten die festgestellten Mängel "dafür bei weitem nicht aus". Die Grünen-Spitze empfindet diese Einschätzung als "besonders irritierend" und betont: "Gleichzeitig führt die Kreisverwaltung selbst akute Unterversorgung, verletzte Tiere, Schädlingsbefall, mangelhafte Wasserversorgung und bauliche Gefahren als aktuelle Befunde auf. Die Diskrepanz zwischen Feststellungen und Schlussfolgerungen könnte größer kaum sein."
Dass der Kreis "nicht einmal grundlegende Zahlen zur Ferkelsterblichkeit" vorliegen hat, unterstreiche für die Grünen einmal mehr "die mangelnde Transparenz im gesamten System". In der Anfrage hatten die Grünen wissen wollen, wie viele Ferkel in dem Betrieb pro Monat sterben und ob bei der Tierkörperbeseitigungsanstalt abgefragt wurde, wie viele Ferkel aus diesem Betrieb pro Monat entsorgt werden. In seiner Antwort hatte der Kreis angegeben, dass keine Hinweise auf eine erhöhte Ferkelsterblichkeit vorliegen, die tierärztliche Maßnahmen oder Änderungen im Betriebsmanagement notwendig gemacht hätten. Diesbezügliche Zahlen führe der Tierhalter in einem Bestandsregister. Die Entsorgung von kleineren Tieren erfolge demnach in Tonnen, die von der Tierkörperbeseitigungsanstalt auch als solche abgerechnet würden. Bei Ferkeln werde daher nicht die Entsorgung des Einzeltieres dokumentiert, sondern das Gewicht der abgeholten Tonnen in Kilogramm.
Für die Grünen im MK ist klar: "Hier geht es nicht um einen einzelnen Betrieb. Hier zeigt sich ein Kontrollsystem, das strukturell unterreagiert – selbst bei wiederholten, gravierenden Verstößen. Wer Tierschutz ernst nimmt, muss nachfassen."
In einem Antrag an den Kreistag mit Sitzung am 11. Dezember fordern die Grünen daher "eine konsequente Neubewertung des Betriebs und volle Transparenz über die internen Verfahren."
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