Bürgerinnen und Bürger im Ennepe-Ruhr-Kreis müssen künftig mit Gebührenbescheiden für Einsätze des Rettungsdienstes rechnen. Betroffen sind alle Personen, die seit September von Notärzten oder Notfallsanitätern behandelt wurden.
Erste Bescheide ab März 2026
Aufgrund der Bearbeitungszeiten der Abrechnungsstelle geht die Kreisverwaltung davon aus, dass erste Bescheide im März 2026 verschickt werden. Landrat Jan-Christoph Schaberick kritisiert diese Entwicklung scharf. Die Ankündigung der Krankenkassen, Leistungen nur noch in Form reduzierter Festbeträge zu erstatten, sei „unverantwortlich und in keinster Weise zu vermitteln“. Niemand dürfe bei einem Notruf an die 112 überlegen müssen, ob anschließend Kosten drohten.
Hintergrund: Krankenkassen streichen Erstattungen
Seit Jahrzehnten rechnet der Kreis als Träger des Rettungsdienstes seine Leistungen unmittelbar mit den Krankenkassen ab — auf Grundlage einer gemeinsam vereinbarten Gebührensatzung. Diesen Weg verlassen die Kassen nun bundesweit. Ab September werden nur noch sogenannte Festbeträge gezahlt, die deutlich unter den in der Satzung festgelegten Gebühren liegen. Zudem schließen die Kassen die Erstattung von „Leerfahrten“ oder „Fehlfahrten“ aus — Einsätzen also, bei denen kein Transport ins Krankenhaus erfolgt.
Schaberick hält diese Begründung für irreführend. „Fakt ist aber: Ein Transport ist häufig deshalb überflüssig, weil unsere Einsatzkräfte vor Ort so hervorragende Arbeit leisten.“ Dass Patientinnen und Patienten danach zuhause bleiben können oder vom Hausarzt weiterbehandelt werden, ändere aber nichts daran, dass das Rufen des Rettungsdienstes eindeutig richtig und notwendig war, macht Schaberick unmissverständlich deutlich.
452 Euro für einen Rettungswageneinsatz
Die Kreisverwaltung muss sich jetzt dennoch darauf vorbereiten, für sämtliche Rettungsdiensteinsätze Gebührenbescheide an die Adresse der Bürgerinnen und Bürger zu verschicken. Zu finden sein werden darin die Differenzen zwischen den Sätzen der Gebührenordnung und den von den Krankenkassen mitgeteilten Festbeträgen. Für einen Einsatz eines Rettungswagens sind das 452 Euro, für den eines Notarztes 300 Euro.
„Diese Beträge müssen künftig den Bürgerinnen und Bürgern in Rechnung gestellt werden“, erklärt die Kreisverwaltung. Im Vergleich zum bisherigen Verfahren — direkte Abrechnung mit den Krankenkassen ohne Beteiligung der Patienten — ein erheblicher bürokratischer und personeller Mehraufwand. Konsequenz für die Bürger: Sie müssen die Gebühren an die Kreisverwaltung überweisen und sich anschließend um die Erstattung von ihrer Krankenkasse bemühen — eine vollständige Rückerstattung ist nicht garantiert.
„Absolutes Unding“
„Der Versand der Gebührenbescheide und das Einfordern der Gelder bei den Bürgern ist ein absolutes Unding“, echauffiert sich Jan-Christoph Schaberick. „Allerdings sind wir dazu Stand heute rechtlich verpflichtet. Die neuen Pauschalbeträge der Krankenkassen führen zu einer Unterfinanzierung unseres Rettungsdienstes. Dieses — so das Ergebnis eines Rechtsgutachtens — dürfen wir nicht über den Kreishaushalt und damit über die Kreisumlage zulasten der Städte ausgleichen“, skizziert er, warum der Kreisverwaltung die Hände gebunden sind.
Verhandlungen und politische Initiativen
Die Hoffnung, Anfang nächsten Jahres vielleicht doch keine Gebührenbescheide versenden zu müssen, hat der neue Landrat aber noch nicht ganz aufgegeben: „Natürlich werden wir weitere Gespräche mit den Krankenkassenverbänden führen und setzen dabei auf ihre Bereitschaft, sich doch noch im Interesse ihrer Versicherten zu bewegen.“ Minimalziel bleibe die Abrechnung des Rettungsdienstes auf Basis der bestehenden Gebührensatzung.
Hoffnungen setzt der Jan-Christoph Schaberick zudem auf eine Bundesratsinitiative des Landes Brandenburg. Diese sieht vor, dass Krankenkassen weiterhin die Kosten für die von ihnen als Leerfahrten bezeichneten Einsätze übernehmen müssen.
Information der Öffentlichkeit und politische Beratung
Ausführliche Hintergründe zum Konflikt zwischen Kreisverwaltung und Krankenkassen stellt der Kreis im Internet auf einer FAQ-Seite unter www.enkreis.de/gebuehren_rettungsdienst bereit. Auch in der Kreispolitik wird über das Thema zeitnah beraten: am Montag, 24. November, im Kreisausschuss und am Montag, 8. Dezember, im Kreistag. Eine entsprechende Verwaltungsvorlage liegt bereits vor.
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