Die Erfüllung eines Traums schieben viele immer wieder auf. Manchmal so lange, bis dieser Traum nicht mehr zu erfüllen ist. Lucie Weingärtner macht's anders. Die 23-jährige Halveranerin ist in diesem Sommer mit ihrem Pferd Mumford auf dem Dolomiten-Trail unterwegs gewesen. Im Gespräch mit LokalDirekt berichtet sie von ihrem aufregenden Erlebnis und wie aus einem Rennpferd ein Reitpferd wurde.

"Es war schon fast mystisch. Alle waren angespannt und irgendwie verunsichert", erinnert sich Lucie an den wohl spannendsten Moment auf ihrer Reise. Sie hatte sich einer Reisegruppe angeschlossen, mit der sie an der Mahlknechthütte auf der Seiser Alm gestartet war. Schon am zweiten Tag machte den Reitern ein aufziehender Sturm die unberechenbaren Wetterverhältnisse in alpinem Gebiet deutlich. Am Morgen war die Gruppe früh zur Plattkofelalm aufgebrochen. Auf der Hälfte des Weges auf rund 2000 Meter Höhe zog plötzlich dichter Nebel auf und erschwerte zunehmend die Sicht. Als dann noch eine Unwetterwarnung durchgegeben wurde, war für Tourguide Thomas Profanter klar: Der Anstieg muss abgebrochen werden.

Lucie und ihr Mumford

Lucie und Mumpf, wie sie ihren vierbeinigen Partner manchmal nennt, sind seit sechs Jahren ein eingespieltes Team - trotz anfänglicher Schwierigkeiten. Lucie war 18 Jahre alt, als die damalige Schülerin das englische Vollblut von der Pferderennbahn in Dortmund kaufte. "Als ich mich das erste Mal auf seinen Rücken gesetzt habe, bin ich irgendwie abgerutscht und auf seinem Po gelandet. Das fand er natürlich nicht so toll und hat mich sofort abgeworfen. Da wusste ich: Das ist er!" Ohne ihre Eltern zu informieren, die ihr den Kauf vorher noch verboten hatten, erwarb sie Mumford und brachte so ein riesiges Familienchaos ins Rollen. Mittlerweile, sagt Lucie, seien alle sehr froh über ihre damalige Rebellion und Mumpf sei nun nicht mehr aus der Familie wegzudenken.

Dass Lucie um Mumpf mal gemeinsam durch die Dolomiten reiten können, war lange Zeit ungewiss. Mumford kämpft mit einer chronischen Krankheit. Im Alter von vier Jahren wurde bei dem Hengst Kissing Spines ("küssende Dornfortsätze") festgestellt. Dahinter verbirgt sich eine Pferdekrankheit, bei der die Dornfortsätze der Wirbelsäule einander zu nahe kommen und sich berühren, was zu Schmerzen, Entzündungen und knöchernen Zubildungen führt. Aufgrund dieser Krankheit erklärte eine Pferdeklinik Lucie 2021, dass sie wahrscheinlich nie wieder auf ihrem Pferd reiten könne. In den vergangenen vier Jahren aber setzte sie alles daran, den Ärzten das Gegenteil zu beweisen und Mumpf wieder fit zu kriegen. Mit viel Zeit und Training schaffte sie es. "Man muss natürlich immer dranbleiben und gucken, dass die Muskulatur stimmt, also eine Woche einfach mal grasen lassen ist nicht." Bei der Routenplanung spielte auch das eine entscheidende Rolle. Mumford kann sie nicht immer tragen und muss manchmal auch am Strick geführt werden.

Es gibt Dinge, auf die kann man sich nicht vorbereiten

Dass sich Lucie auch in kritischen Situationen immer auf ihren Mumpf verlassen kann, bewies die Unwetter-Situation in den Dolomiten. Nachdem Tourguide Thomas Profanter am zweiten Tourtag auf 2000 Metern Höhe entschied, umzukehren, trat die Gruppe die Rückreise an. Sicher brachte Mumpf sie zurück zur Mahlknechthütte. Kaum dort angekommen, brach ein heftiger Sturm über den Reitern herein, der sogar eine Lage Schnee zurückließ. "Das sind halt Sachen, auf die kannst du dich nicht vorbereiten", weiß Lucie.

Am dritten und letzten Tag des Trails ritt die Gruppe nach einer weiteren 15-Kilometer-Etappe durch alpines Gelände zurück zu ihren Anhängern und schloss den Dolomiten-Trail erfolgreich ab. Auf ihrer Rückreise besuchte Lucie noch Freunde an der Zugspitze, um dort, wie auch schon zwei Jahre zuvor, neue Wege mit ihrem Mumpf zu entdecken. Über ihre Zeit in den Dolomiten sagt Lucie: "Ich wollte nicht sagen müssen, dass ich es nicht gemacht habe, weil ich nicht mutig war. [...]Viele Menschen kneifen, aber man muss halt mutig sein, um neue Erfahrungen sammeln zu können".

Ihren "Pferdealltag" und ihre Reisen dokumentiert Lucie auf Instagram.