Fünf Monate ist es her, dass 750.000 Liter Gülle von einem Hof in Halver-Kotten die Neye-Bäche und das umliegende Naturschutzgebiet im Grenzgebiet Halver/Wipperfürth verseuchten. Auch wenn sich das empfindliche Ökosystem etwas stabilisieren konnte, wurde das Neyegebiet auf Jahre stark beschädigt.
Über die genauen Auswirkungen auf die Neyetalsperre wird es erst im Verlaufe des Sommers Erkenntnisse geben, teilt Susanne Fischer, Sprecherin des Wupperverbandes, auf LokalDirekt-Nachfrage mit. Aktuell befände sich die Wasserkörper der Talsperren aufgrund der niedrigen Temperaturen in der Vollzirkulation, teilt sie mit. Das bedeute eine Durchmischung der Wasserschichten. Ab dem Frühjahr werde sich wieder eine Schichtung einstellen, also wärmere Schichten oben, kühlere Schichten am Grund der Talsperre. Erst im Laufe dieser Phase sei es möglich, Auswirkungen einzuschätzen, so Fischer weiter.
Das Landesumweltamt LANUV hat die Neyetalsperre in diesem Jahr ins Monitoringprogramm zur EU-Wasserrahmenrichtlinie aufgenommen und wird ab Frühjahr mehrere Beprobungen durchführen. „Die Talsperre bleibt also weiter unter Beobachtung“, versichert Fischer.
Was genau sich am 7. September 2024 auf dem Hof des Landwirts Tobias Feckinghaus abgespielt hat und wer vor allem dafür die Verantwortung zu tragen hat, konnte bislang nicht abschließend geklärt werden. Während der Märkische Kreis von einem Loch im Güllebehälter ausgeht, behauptet der Landwirt weiterhin, der Starkregen habe die Exkremente der Tiere von der Wiese ins Neyetal gespült. „Etwas anderes konnte mir bislang nicht nachgewiesen werden.“
Nachdem Polizei und Staatsanwaltschaft am 24. September den Hof in Kotten durchsucht und Beweismaterial sichergestellt hatten, dauern die Ermittlungen weiter an. Dies bestätigt auf LokalDirekt-Nachfrage Alexander Kilimann, Sprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund. Die Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität in Nordrhein-Westfalen hatte die Ermittlungen in dem Fall übernommen. Derzeit würden Wasser- und Bodenproben analysiert und ausgewertet. Zudem, so Kilimann, vernehmen die Ermittler weiterhin Zeugen und werten Beweismittel aus. Im Hinblick auf die noch laufenden Ermittlungen könne er daher keine weitergehenden Auskünfte zu konkreten Ermittlungsmaßnahmen machen.
Auch der Märkische Kreis führt nach eigenen Angaben seine regelmäßigen Kontrollen auf dem Hof weiter durch. Laut Kreis-Sprecher Alexander Bange finden wöchentliche Überprüfungen zur Einhaltung der Ordnungsverfügungen in Kotten statt. Zudem sollen so etwaige neue Gefahrenquellen frühzeitig erkannt werden.
Tobias Feckinghaus selbst spielt derzeit mit dem Gedanken, den Hof zu verpachten und sich aus dem Geschäft zurückzuziehen. Im Gespräch mit LokalDirekt teilt er mit, es hätten bereits konkrete Gespräche mit einem Berufskollegen stattgefunden, der nicht aus dem Kreis stammt. Er sei auf Feckinghaus zugekommen, weil er eine weitere Hofstelle zur Bewirtschaftung suche. Die Überlegungen zur möglichen Verpachtung des Hofes bestätigt auf Nachfrage auch der Märkische Kreis. Zu privatrechtlichen Angelegenheiten wie einer potenziellen Pacht könne der Kreis aber keine Auskünfte geben. „Grundsätzlich gilt: Baurechtliche und wasserrechtliche Missstände müssten auch bei einem Wechsel der Besitz- oder Eigentumsverhältnisse beseitigt werden“, heißt es aus dem Kreishaus.
Ein „Weitermachen“ in Kotten sei im Sinne seiner Kinder aber auch nicht abwegig, sagt Feckinghaus. Die hätten Interesse an der Landwirtschaft und er könne sich vorstellen, den Hof in der mittlerweile fünften Generation zu behalten und „dafür zu kämpfen“. Die Grundstückseigentümer und Verpächter des Landes, auf dem Feckinghaus Teile seine Landwirtschaft betreibt, hätten indes signalisiert, auch mit ihm weiterhin arbeiten zu wollen, bekräftigt er. „Es liegt also an mir“, ist sich der Landwirt sicher und betont einmal mehr, dass es derzeit auf seinem Hof nichts zu beanstanden gebe. Der Zustand in Kotten sei „vertretbar“.
Um die derzeit 450 Tiere kümmert er sich nach eigenen Aussagen nicht allein. Drei weitere Tierhalter versorgten die Tiere mit ihm auf dem Hof, Angestellte hat er nicht mehr. Die anfallende Gülle werde weiterhin von Berufskollegen aus der Umgebung abgeholt und verbracht beziehungsweise verlagert. Die Berichte von sogenannten „Gülleschiffen“ seien aber „totaler Quatsch“. Die beiden großen Güllebehälter auf dem Hof dürfen derzeit nicht befüllt werden.
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