Er wird auch der „Super-Türke“ genannt. Aykut Aggül ist defintiv ein Macher. Die Kalender, die gerade überall ausliegen, gehen auf sein Konto. Ohne ihn ginge im Bereich Flüchtlingsarbeit längst nicht so viel und mit dem Tag des offenen Denkmals verzauberte er die ganze Gemeinde. Geht es um soziales Engagement, ist er immer vorne dabei. Aber er eckt auch an. Wir haben mit ihm nicht nur über die schönen und leichten Seiten seines ehrenamtlichen Engagements gesprochen.
2023 war viel los bei Ihnen. Haben Sie noch einen Überblick, was Sie alles alleine oder mit der Nachbarschaftshilfe auf die Beine gestellt haben? Zählen Sie bitte mal auf:
Aykut Aggül: „Das ist richtig, 2023 war ein sehr durchgetaktetes Jahr mit vielen besonderen Terminen und Veranstaltungen.
- Begegnungscafés
- Sprachkurse
- Solidaritätsaktion für die Erbebenopfer aus Türkei/Syrien (große Waffelbackaktion vor dem Edeka Kantimm)
- Friedensgebet in Altena für die Ukraine
- Tagesfahrten
- Kooperationen mit den Schülerinnen und Schülern der Lenneschule
- Interkulturelle Frühstückstage
- Führungen durch die Werkssiedlung Langenstück
- Bürger-Telefonsprechstunden/ Ratssitzungen
- Digital-Hilfe für Senioren
- Obstbaumpflanzaktion auf Hof Heyermann
- Spendenaktion für die Seilbahn
- Fotowettbewerb für den Kalender 2024 der Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde
- Veröffentlichung/Kalender 2024 für Nachrodt-Wiblingwerde
- Kulturevent/Tag des offenen Denkmals 2023
- Mieterversammlungen
- Wunschbaumaktion
- Malaktion von Kindern für Senioren in Nachrodt-Wiblingwerde
- Weihnachtsfeier der Nachbarschaftshilfe
- uvm.“

Der Tag des Denkmals ist gewiss ein Highlight 2023. Aber was war darüber hinaus ein Moment, an den Sie sich auch mit 80 Jahren noch erinnern werden?
„Die Dankbarkeit, Anerkennung und Unterstützung der Menschen, die dieses Kulturevent in diesem Jahr unvergesslich gemacht haben.“
Was war Ihr schönster Moment 2023?
Die erste Pilgerreise in meinem Leben nach Saudi-Arabien.
Das, was Sie machen, ist Ehrenamt. Bleibt überhaupt noch Zeit zum Geld verdienen? Was machen Sie eigentlich beruflich?
„Selbstverständlich! Ich bin im öffentlichen Dienst beschäftigt und arbeite bei einem großen Gesundheitsunternehmen im Märkischen Kreis. Zudem begleite ich über zwei Jahre den Wiederaufbau im Bereich Hochwasserkatastrophe bei einer Hilfsorganisation im Märkischen Kreis und unterstütze betroffene Menschen bei der Antragsstellung.“
Was treibt Sie an, sich so viele Stunden für Nachrodt-Wiblingwerde einzusetzen?
„Nachrodt-Wiblingwerde ist meine Heimat. Ich lebe in dritter Generation hier mit meiner Familie. Nachrodt-Wiblingwerde ist für mich sehr besonders und vielfältig, hat Potenzial, was ich gerne fördere und unterstütze. Keine Minute ist dafür zu schade.“
Flüchtlinge und Senioren – Randgruppen rücken Sie in den Fokus. Warum ist das Ihrer Meinung nach so wichtig?
- „Die Menschen kommen zu uns aus Notsituationen und brauchen dringend unsere Unterstützung, um sich in einem fremden Land zurechtzufinden. Es ist unsere Aufgabe, die Werte und die Kultur zu vermitteln.
- Die heutigen Senioren sind die Jugend von gestern. Ich möchte nicht, dass sie den Anschluss verlieren, sie sollen sich in der Gesellschaft weiter wohlfühlen und das Gefühl haben, immer noch ein Teil von dem Großen und Ganzen zu sein.“
Wer Ehrenamt macht, erlebt nicht nur Schönes. Manchmal ist die Arbeit auch frustierend. Die Menschen meckern lieber, anstatt es selbst zu machen? Gab es in diesem Jahr Momente, in denen Sie sich gefragt haben, ob das alles richtig ist, was sie machen? Und was holt Sie aus so einem Tief wieder heraus? Wie gehen Sie mit Kritik – die es ja defintiv immer wieder gibt – um?
„Das ist das große Problem in unserer Gesellschaft, es wird oft nur das Negative gesehen. Ich kann mit Kritik sehr gut umgehen, das gehört dazu. Meine Motivation ist aber größer in meinem Ehrenamt als die Kritik, die geäußert wird. Ich appelliere an jeden mit anzupacken. Gemeinsam sind wir noch stärker.“
Wo holen Sie sich privat die Kraft, all diese Projekte zu stemmen?
„Meine Kraft hole ich mir von meinem Glauben und von meiner lieben Familie.“

Was gibt Ihnen das Ehrenamt? Warum sollten sich mehr Menschen ehrenamtlich engagieren?
„Ich engagiere mich ehrenamtlich seit meinem zehnten Lebensjahr, es gehört zu meinem Leben dazu. Es ist für mich eine große Bereicherung und eine gesellschaftliche Aufgabe. Ehrenamtliches Engagement macht Freude und kann sinnstiftend sein, denn kaum etwas ist erfüllender, als das Leben Anderer leichter und besser zu machen, etwas Gutes zu tun. Oder gemeinsam etwas zu bewegen, was einem wichtig ist. Oft entwickelt man dabei auch ganz neue Fähigkeiten und Stärken.“
Sie sind schon ein bisschen ein Menschfänger. Sie schaffen es, die Nachrodt-Wiblingwerder zu begeistern. Sie ziehen mit. Sei es spontan beim Waffel backen für die Erdbebenopfer oder beim Tag des Denkmals. Wie machen Sie das?
„Ich konzentriere mich mit den Menschen auf ein gemeinsames Ziel. Aber in erster Linie muss ich von den vielen Projekten überzeugt sein, um andere zu überzeugen.“
Wo wird aktuell besonders dringend Hilfe gebraucht?
„Meine Nachbarschaftshilfe ist aktuell sehr gut aufgestellt. Wer aber gerne Sprachkurse erteilen möchte, ist herzlich eingeladen zu einem Kennenlerngespräch.“
Flüchtlinge sind ein heiß diskutiertes Thema. Ein schwieriges Thema, das die Nachrodt-Wiblingwerder spaltet. Sie sind ganz nah dran. Was ist Ihre Meinung dazu? Wo brennt es am meisten? Ist die Schmerzgrenze erreicht? Und wie kann man als Nachrodt-Wiblingwerder helfen?
„Wir dürfen eins nicht vergessen, sie kommen oft nicht freiwillig. Ich kenne viele Geschichten und Hintergründe von Menschen, die bei uns leben. Es sind Schicksalsschläge, die keiner von uns erlebt hat. Ja, unsere Kapazitäten sind voll ausgeschöpft und es ist unsere Aufgabe, jetzt damit umzugehen und die Menschen zu fördern, sie zu unterstützen, damit sie in baldiger Zeit Arbeit finden und sich selbst versorgen. Ich lade jeden ein, in Kontakt mit den neuen Nachbarn zutreten und miteinander zusprechen.“
Viele Flüchtlinge sind unendlich dankbar für das Angebot und die Hilfe. Es gibt aber auch die anderen. Gab es enttäuschende Momente und Undankbarkeit seitens der Flüchtlinge und wie gehen Sie damit um?
„Sie sind unendlich dankbar in Nachrodt-Wiblingwerde zu leben. Woanders ist es lange nicht so wie bei uns und das wissen die Menschen, die zu uns kommen.“
Du wirst oft der „Super-Türke“ genannt, wusstest du das? Ist das ein Spitzname der gefällt? Oder eher unglücklich?
„Tatsächlich kenne ich den Spitznamen und habe es auch schon gehört. Ich finde, es könnte eine tolle Überschrift auf einem Buch werden.“
Was fehlt in Nachrodt-Wiblingwerde? Gibt es etwas, was man ehrenamtlich auf die Beine stellen könnte, das vielen Menschen hilft?
„Ein Wünschewagen in Nachrodt-Wiblingwerde. Schwerstkranke Menschen oder Senioren, aber auch Menschen mit wenig Ressourcen haben oftmals nur einen Wunsch: Einen ganz besonderen Ort einmal im Leben zu sehen. Der Wünschewagen könnte es möglich machen, ehrenamtliche Helferinnen und Helfer können diese Menschen an ihren Lieblingsortbringen und einen Herzenswunsch erfüllen.“

Wo sind die größten Probleme für Ehrenamtler?
„Aktuell fehlen uns dringend Räumlichkeiten, da wir nicht alles Outdoor veranstalten oder anbieten können.“
Fühlen Sie sich von den Nachrodt-Wiblingwerdern wertgeschätzt?
„Die Anerkennung und Wertschätzung bekomme ich auf unterschiedlichen Wegen mit, ich bedanke mich herzlich dafür.“
Jetzt können Sie einmal an die Nachrodt-Wiblingwerder appellieren: „Liebe Nachrodt-Wiblingwerder, engagiert euch ehrenamtlich, damit…“
„… unsere Heimat lebens- und liebenswert erhalten bleibt.“
Weihnachten ist die Zeit der Wünsche. Was wünschen Sie den Nachrodt-Wiblingwerdern?
„Ich wünsche von herzen allen alles Gute, viel Gesundheit und ein glückliches neues Jahr 2024.“
Lesen Sie hierzu auch:
Teil 1: Christian Hülle, der FBG-Manager
Teil 2: Sandra Schnell, die Frau in der katholischen Kirche
Teil 3: Vanessa Grüber leitet ehrenamtlich einen Kindergarten
Teil 4: Heiko Tegeler, der Mann der Zahlen