Ob Irish Folk oder Blues, ob klassische Töne wie beim diesjährigen Muttertagskonzert mit der Pianistin Huijin Han oder fetziger Boogie-Woogie, mit dem Jörg Hegemann das Publikum begeisterte: Das alte Breckerfelder Klavier ist seit seiner Restauration aus dem kulturellen Angebot des Stadt- und Heimatmuseums nicht mehr wegzudenken.
Doch bis es soweit war, verbrachte es unzählige Stunden in Thomas Hermans Wuppertaler Werkstatt. „Denn es kam wirklich in einem desolaten Zustand zu mir“, erzählt er im Gespräch mit LokalDirekt.

„Alles muss raus“
„Der Staubsauger wurde zu einem guten Freund“, lacht Hermans als er an die mehrere Millimeter dicke „Pelzschicht“ zurückdenkt, die sich bei Öffnung der Holzverkleidung offenbarte. Zudem wurde ihm auf den ersten Blick klar: „Alles muss erstmal raus, um zu sehen, was beschädigt und was noch erhalten ist.“
Also machte er sich daran, die Klaviatur abzunehmen und die aus acht- bis neuntausend Einzelteilen bestehende Mechanik in Augenschein zu nehmen. Bass-Saiten, Stimmwirbel, Hammerköpfe: „Vieles war defekt, zumindest aber total verschmutzt. Im Grunde musste der komplette Klangkörper runderneuert werden“, fasst Hermans zusammen.

Piano mit „origineller Geschichte“
Gleichzeitig aber wollte der Klavierbauer möglichst viele Originalteile er- und behalten: „Denn das Piano hat – wie ich finde – eine sehr originelle und außergewöhnliche Geschichte.“
Das Instrument stammt aus einem Nachlass, hat die Breckerfelder Innenstadt sozusagen nie verlassen: Gebaut wurde es 1895 von Paul Vorberg, in seiner Tischlerwerkstatt, die nur gut 50 Meter vom heutigen Heimatmuseum entfernt lag. „Welche Teile im Einzelnen von Paul Vorberg angefertigt wurden, lässt sich heute nicht mehr hundertprozentig nachverfolgen“, sagt Hermans. Die Mechanik jedenfalls hat der Hersteller „Morgenstern & Kotrade“ aus Leipzig beigetragen.

Hinweis auf den Auftraggeber fehlt
Leider sei nicht überliefert, für wen Paul Vorberg das Klavier gebaut habe und auch nicht, ob es das Einzige war. „Ich halte es aber für unwahrscheinlich, dass Herr Vorberg es für sich selbst gebaut hat“, vermutet Thomas Hermans und glaubt, dass es eine Auftragsarbeit für den Tischler war.
Er selbst habe die „Auftragsarbeit“, es zu restaurieren, sehr gerne angenommen: „Es hat Spaß gemacht, das Piano auseinander zu nehmen und zu sehen, wie es gebaut wurde – und auch wie und wo gepfuscht wurde“, lacht Hermans, der sein Handwerk beim damals ältesten deutschen Klavierbauer – der Firma Ibach in Schwelm – gelernt hat.
Vom Dekoobjekt zum Musikinstrument
Wie lange Thomas Hermans fürs Auseinander- und wieder Zusammenbauen beziehungsweise vom Zustand „desolates Dekoobjekt“ bis zum „bespielbaren Musikinstrument“ gebraucht hat, das könne er nicht an einer fixen Stundenzahl festmachen: „Man arbeitet ja nicht jeden Tag nine-to-five daran und muss zwischendurch auch immer mal auf bestimmte Ersatzteile warten.“
Nachdem er beispielsweise den Druckstab abgenommen und die alten Basssaiten abgeschnitten habe, schickte er diese als Muster für den neuen Bezug zu einem Basssaitenspinner. Als der neue Bassbezug dann eingetroffen sei, habe es etwa vier Stunden gedauert, bis Hermans ihn wieder aufgezogen hatte.

Restaurationsschritte dokumentiert
Als Hermans sich danach an die Mechanik begeben hat, habe er auf einem der hölzernen Hammerköpfe ein handschriftlich vermerktes Datum entdeckt: „Leider ist es über die Jahre hinweg verblasst und nicht mehr genau zu entziffern.“
Die einzelnen Schritte der Restauration hat Hermans übrigens in einem Fotobuch festgehalten, das auch im Stadt- und Heimatmuseum zur Ansicht ausliegt: „Schließlich kommt es nicht alle Tage vor, dass ich ein solch altes Piano von Grund auf repariere, restauriere und so auf Vordermann bringe, dass es wieder bespielbar ist – das war auch für mich eine besondere Erfahrung.“

Gute Tischlerarbeit
Bei der intensiven Beschäftigung mit dem Breckerfelder Piano stellte der Experte jedenfalls fest, dass Paul Vorberg, wenn auch selbst kein Klavierbauer, so aber zumindest ein hervorragender Tischler war: „Die Klaviatur zum Beispiel ist aus einem Holzscheit gefertigt“, so Hermans.
„Wenn das Holz nun aufgrund von Temperaturschwankungen anfängt zu arbeiten, so arbeitet es ‚in eine Richtung‘. Deswegen ist die alte Klaviatur auch bis heute erhalten und bespielbar, sie hat sich über die Jahre nicht verzogen.“
Hermans begeistert von alten Klavieren
Der Wuppertaler ist auch heute noch, gut acht Jahre nach der Restauration, begeistert von Vorbergs Exemplar: „Mich faszinieren diese alten, originalen ‚Teile‘ mehr als moderne oder neue Pianos.“ Seiner Meinung nach komme auch ein E-Piano niemals an ein „echtes Klavier“ heran: „Den Charme eines klassisch gebauten Klangkörpers bekommt man mit einem E-Klavier nicht hin.“
Auch wenn das Breckerfelder Klavier konstruktionsbedingt ein bisschen ‚halliger‘ klinge, würden viele Künstler diese Eigenschaft sehr schätzen, weiß Klavierexperte Thomas Hermans, den das Stadt- und Heimatmuseum vor Konzerten auch zum Stimmen des Pianos bestellt.

Hammer, Keil und Gabel
Etwa eineinhalb Stunden benötige er, um es zu stimmen – rein nach Gehör und hoch konzentriert: „Ich vergleiche jede Oktave, ziehe dann die entsprechenden Saiten auf die richtige Tonhöhe“, erklärt er. Seine wichtigsten Werkzeuge dabei sind der so genannte Stimmhammer, ein Stimmkeil und, statt eines elektronischen Frequenzmessgerätes, eine klassische Stimmgabel – neben seinem trainierten Gehör natürlich.
Piano passt perfekt ins Ambiente
Und letzteres lässt Hermans immer wieder feststellen, dass das Vorberg-Klavier wirklich ein „echtes Schätzchen“ ist und sich zudem hervorragend in das Museumsambiente und dessen akustische Gegebenheiten einfüge: „Ein Raum, in dem ein Klavier steht, strahlt immer ein gewisses Niveau aus“, sagt Hermans und lacht: „In den sechziger Jahren galt: Wer was auf sich hielt, stellte sich ein Piano ins Wohnzimmer – egal, ob man spielen konnte oder nicht.“

Vorberg-Piano am Richtgen Platz
Wenn man bedenkt, dass das bald 130 Jahre alte Piano nur knapp 50 Meter von seinem heutigen Standort entfernt gebaut wurde und das Heimatmuseum gemeinhin auch gern als „die gute Stube“ bezeichnet wird: „Dann steht das Vorberg-Klavier hier genau richtig“, sagt Thomas Hermans und hofft, dass es noch viele Künstler in der „guten Stube, dem Wohnzimmer Breckerfelds“ erklingen lassen und so gleichermaßen Liebhaber originaler, alter Instrumente und unterschiedlicher Musikgenres begeistern wird.