Beinahe zwei Stunden dauerten die Beratungen im Rahmen der Ratssitzung am Montag, 9. Dezember, in der Aula des Anne-Frank-Gymnasiums. Zusätzlich zu den Ratsmitgliedern waren etwa zehn Elternvertreter anwesend. Unter ihnen auch Franziska Ihne als deren Sprecherin. In ihrer Rede, für die die Ratssitzung unterbrochen wurde, sagte sie: „Gelingende Erziehungs- und Bildungspartnerschaften erfordern Vertrauen. […] Dieses Vertrauen haben Verwaltung und Bürgermeister mit dem geschilderten Verhalten allerdings aus Sicht der betroffenen Eltern nachhaltig verspielt.“
Zu diesem Zeitpunkt waren bereits fast 40 Minuten vergangen, ohne, dass inhaltliche Themen besprochen wurden. Denn im Vorfeld stand die Frage nach der Befangenheit vierer Ratsmitglieder im Raum, die selbst Eltern von Primarkindern sind. Im Hauptausschuss hatten Michael Brosch und Simon Thienel den Einwand unter Berufung auf den Paragraph 31 der Gemeindeordnung eingebracht.
Hierzu regte sich aus dem Plenum Kritik. Keines der Ratsmitglieder sah sich selbst als befangen an. Dr. Sabine Wallmann (UWG) ergänzte, dass die Befangenheit nicht von der Verwaltung, sondern vom jeweiligen Ratsmitglied für sich selbst festgestellt wird. Auch Kurt Dietrich Neuhaus von der CDU sah dies so. Er führte an, dass sonst kein Ratsmitglied über Änderungen der Grundsteuer abstimmen dürfe – schließlich betreffe der kommunale Hebesatz jedes Ratsmitglied unmittelbar als Immobilieneigentümer oder mittelbar als Mieter.
Der Einwand vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Martin Kastner, „entweder man ist ein Elternteil eines Kindes in der OGS und ist befangen, oder man ist es eben nicht“, wurde von einigen Ratsmitgliedern mit einem Kopfschütteln quittiert. Als sich anbahnte, dass man hier im Gespräch keinen gemeinsamen Nenner zwischen Verwaltung und Politik fand, bat Kastner um eine Sitzungsunterbrechung, um sich mit seiner Fraktion zu besprechen. Das Ergebnis in der darauffolgenden Abstimmung war wesentlich eindeutiger als bei der eigentlichen Abstimmung zur Sache: Die einzige Stimme, die vier Ratsmitglieder für befangen hielt, kam von Bürgermeister Michael Brosch (ebenfalls SPD). Wie im Vorfeld angekündigt, enthielten sich die Grünen, alle anderen Fraktionen (SPD, CDU, FDP und UWG) votierten dafür, dass jedes Ratsmitglied an der folgenden Abstimmung teilnehmen darf.
Im Anschluss hielt Franziska Ihne ihre Rede. In dieser äußerte sie deutliche Kritik an Bürgermeister Brosch, vor allem darüber, „dass der Bürgermeister der Stadt Halver sich herablassend über bürgerschaftliches Engagement äußert und dies sogar willentlich sabotiert“. Damit zielte sie, genau wie mit dem eingangs erwähnten Zitat zum Vertrauen zwischen Eltern und Verwaltung, auf die Bemerkung Broschs in der vergangenen Hauptausschusssitzung ab. Dort sagte Brosch, er „habe auf dieser komischen Plattform spaßeshalber fünfmal abgestimmt“. Die Elternvertreter hatten eine Online-Petition ins Leben gerufen, um sich für die Beibehaltung der bisherigen OGS-Zeiten einzusetzen. Denn in den gestiegenen Beiträgen sahen zahlreiche Eltern gar nicht das größte Problem, vielmehr ging es ihnen um die zeitliche Gestaltung der offenen Ganztagsbetreuung.
Fachbereichsleiter Kai Hellmann wählte den Vergleich mit dem Vereinssport: „Das ist genau so, als wenn ich beim TuS Ennepe oder TuS Grünenbaum bin und zur Halbzeit immer den Torwart abhole, das funktioniert so nicht.“ Er verwies auf ein pädagogisches Konzept der offenen Ganztagsschulen, welches auf einen entsprechenden Zeitrahmen ausgelegt ist. Zudem führte er an, dass die Stadt Halver sowohl die finanziellen Zuschüsse, als auch für die jeweiligen Schulen zusätzliche Lehrerstellen vom Land NRW nur finanziert bekomme, wenn eine gewisse Zahl an Kindern für die Ganztagsbetreuung bis mindestens 15 Uhr angemeldet ist.
Sascha Gerhardt von der FDP sah dies anders: „Der Kontakt zum Bildungsministerium hat mir einen völlig anderen Eindruck gegeben“, folgerte er nach einem Telefonat mit dem Ministerium. Dem entgegnete Dr. Sabine Wallmann von der UWG: „Sollte das korrekt sein, müsste das Schulministerium nicht nur die BASS [Bereinigte Amtliche Sammlung der Schulvorschriften NRW, Anm. d. Red.], sondern auch all das ändern, was auf der Homepage des Ministeriums zum offenen Ganztag steht“. Sie sah die verbreiteten Schriftstücke als deutlich aussagekräftiger als die telefonische Aussage eines einzelnen Mitarbeiters des Schulministeriums an. Stattdessen betonte sie: „Man kann Eltern und Kinder nicht mit dem Holzhammer überzeugen, sondern sollte ein gutes Angebot machen“. Für diese Aussage gab es Applaus aus dem Publikum.
Den gab es ebenfalls nach den Ausführungen von Kurt Dietrich Neuhaus: „Wir haben hier eine Stimme aus der Elternschaft gehört, die sagt, sie fühlt sich nicht ausreichend beteiligt“, was er als Grund anführte, warum CDU und FDP mithilfe eines Antrages die Abstimmung vertagen wollten – LokalDirekt berichtete. Sein Parteikollege Matthias Lauermann ergänzte: „Wir brechen uns keinen Zacken aus der Krone, wenn wir das noch einmal eine Ehrenrunde drehen lassen“. Sie waren, genau wie Martina Hesse (CDU), der Ansicht, dass „kein geringer Teil der Eltern auf den letzten Metern verloren gegangen ist“.
Sabine Wallmann ergänzte: „Die Beteiligung der Eltern steht im Gesetz“. Sie hoffte, dass die Schulpflegschaften eine Möglichkeit finden, mithilfe der neuen Rahmenbedingungen ein gutes Angebot weiterzuentwickeln. Martin Kastner fügte dem hinzu: „Der offene Ganztag bleibt ein freiwilliges Angebot. Ich hoffe, dass wir die OGS positiv verändern werden.“ Trotz alledem wirkten die Fronten verhärtet. Jürgen Wichert brachte etwa 90 Minuten nach Beginn der Beratschlagungen zu dem Thema einen Antrag zur Geschäftsordnung ein, die bisherige Rednerliste noch abzuarbeiten, jedoch keine neuen Redner mehr zuzulassen und zur Abstimmung zu schreiten.
Kurz vorher konnte Kristian Hamm (UWG) jedoch noch einen Vorschlag machen, der die Wogen der Ratsmitglieder zumindest ein wenig zu glätten versuchte. Er beantragte die Ergänzung der Beschlussvorlage, dass das Konzept nach 24 Monaten evaluiert werden solle. Über diese ergänzte Vorlage stimmten die Ratsmitglieder anschließend ab. Bei elf Gegenstimmen aus CDU und FDP wurde die neue OGS-Satzung beschlossen. Franziska Ihne und ihre Mitstreiter aus der Elternschaft verließen den Saal sichtlich enttäuscht.
Lesen Sie zu diesem Thema auch:
OGS: Hitzige Diskussion um 14-Uhr-Betreuung auch im Hauptausschuss
Stadt will 14-Uhr-Betreuung abschaffen: Eltern kritisieren Pläne
„Offene Fragen“: FDP und CDU wollen OGS-Diskussion vertagen
Kommentar: OGS – Eltern wird genommen, was ihnen wichtig ist
Die Zeit läuft: Bis zum Herbst Konzept für OGS-Rechtsanspruch
Halvers OGS wird zum Bildungs- und Lebensort
Experte rät: „Weniger Spiel, mehr Lernen an Halvers OGS“
Gesetzesänderung: Stadt prüft Bedarf an OGS-Plätzen