Die Stadt Halver möchte die Betreuungszeit bis 14 Uhr streichen. Künftig sollen alle OGS-Schüler bis 15 oder 16 Uhr bleiben. Dass das nicht ins Konzept vieler Familien passt, machten einige Eltern deutlich. Die Gründe sind vielfältig – sei es zeitlich, organisatorisch, die Qualität der Hausaufgabenbetreuung oder finanziell. Und auch wenn der eine oder andere Lokalpolitiker „die Argumente nachvollziehen konnte“; am Ende votierten sie doch fast geschlossen für die Streichung der frühen Abholzeit. Aktuell werden 102 Kinder in Halver bis 14 Uhr betreut, 88 bis 15 Uhr und 66 bis 16 Uhr.
Dabei geht es eigentlich gar nicht allein darum und doch geriet dieser Punkt isoliert in den Fokus. Die OGS in Halver soll, auf Basis einer Analyse, generell komplett neu aufgestellt werden (wir berichteten) – und das beinhaltet zahlreiche Komponenten. Umstritten schien jedoch der Punkt, ob die Beweggründe der Stadt rein wirtschaftlicher Natur oder zum Wohle der Kinder und im Sinne einer Qualitätssteigerung gedacht sind. Denn: 140.000 Euro gehen zusätzlich aufs Konto der Stadt, wenn die Kinder länger bleiben, das erklärte Kai Hellmann, Fachbereichsleiter. Doch das Geld komme ausschließlich der OGS zugute; werde in Fachpersonal investiert.
„Die Eltern wollen das 14-Uhr-Zeitfenster behalten.“
„Wir werden nicht mehr Geld verlangen. Sie zahlen bis zu einem Einkommen von 75.000 Euro weiterhin denselben Preis. Uns geht’s ums Pädagogische“, ergänzte Kämmerer Simon Thienel. Für Familien oberhalb dieser Einkommensgrenze gilt das jedoch nicht, für sie wird’s teurer. Das kritisierte auch Mathias Ihne (FDP), der neben diesem auch viele weitere Argumente der Eltern stützte und dafür mehrfach Applaus aus deren Reihen bekam. Er wirft der Verwaltung vor, direkt im ersten Schritt „die Axt anzulegen“. „Die Eltern wollen das 14-Uhr-Zeitfenster behalten. Sonst kämen sie wohl nicht heute Abend mit ihren Kindern hierher“, sagte Ihne, der dem neuen Konzept gleichwohl als positiven Aspekt eine soziale Gerechtigkeit attestierte. Trotzdem halte er die Pläne für einen „absoluten Irrweg“. Als einziger stimmte er dagegen.
„Gentlemen’s Agreement“ als „Friedensangebot“
Simon Thienel versuchte die Wogen zu glätten und sprach von einem inoffiziellen „Gentlemen’s Agreement“. „Wir werden keinen fesseln und finden eine Lösung für die Eltern, die für ihre Kinder einen 14-Uhr-Vertrag haben.“ Dieses „Gentlemen’s Agreement“ gelte bis zur weiterführenden Schule. Ebenso gebe es immer auch die Möglichkeit, an bestimmten Tagen Einzelfallentscheidung zu treffen, versprach Hellmann. Mathias Ihne warf dem Kämmerer vor, dass es der Verwaltung dann in letzter Konsequenz „ja dann doch nicht um die Pädagogik und die Kinder, sondern ums Geld ginge“.
Einige Eltern befürchten durch die längere Betreuungszeit auch einen Eingriff in die Freizeitgestaltung am Nachmittag. Politik und Verwaltung besprachen, dass die OGS diverse Angebote machen könne. An seine Grenzen stößt diese Vision bei Hobbys wie Reiten oder Schwimmen. Auch an diesem Punkt äußerte Mathias Ihne seine Bedenken: „Wer sich mit der Analyse befasst, wird merken, dass es nicht um schöne Basteleien oder ums Trommeln geht. Es geht um Lernangebote nachmittags.“
„Es braucht Menschen, die Zeit haben.“
Kristian Hamm (UWG) signalisierte den Eltern, dass er ihre Argumente ebenfalls „zu 100 Prozent nachvollziehen kann“. Und doch sieht er eine Chance, gerade für Kinder aus prekären Verhältnissen, die Schule nachweislich als einen „absoluten Leistungsdruck-Ort“ empfinden. Er hoffe, dass die OGS dem etwas entgegensetzen kann. „Ihr Lehrkräfte seid ohnehin sehr herausgefordert. Es braucht Menschen, die Zeit haben“, sagte Hamm auch in Richtung von Mathias Ihne, der selbst als Lehrer arbeitet. Er kenne (*als Sentiris Geschäftsführer und Träger mehrerer Kitas, Anm. d. Redaktion) die Argumente, wenn Familien das Mittagessen nicht buchen möchten.“ Dies sei aus seiner Sicht aber von Bedeutung und somit einfach „für alle gleichberechtigt eine wichtige Erfahrung.“
Analyse-Ergebnisse werden seit März politisch diskutiert
Rückblick: Die Basis für die Neuausrichtung der OGS lieferte bereits im März die Analyse von Prof. Dr. Heinz Günter Holtappels i. R. von der TU Dortmund (wir berichteten). Die Stadt Halver hatte den Experten darum gebeten, nachdem sie als Träger des Offenen Ganztags im Jahr 2022 die Beiträge erhöhte – mit dem Versprechen, langfristig die Qualität zu verbessern. Dazu kommt der Rechtsanspruch, der ab dem Schuljahr 2026 allen Erstklässlern einen Platz in der OGS garantiert. „Das Konzept ist ja jetzt nicht erst nach den Sommerferien geboren worden“, machte Kai Hellmann deutlich. Er erinnerte auch daran, dass die frühe Abholzeit eine Seltenheit und zudem eine rein freiwillige Leistung der Stadt sei.
Das sagen die Eltern:
„Ich spreche für mich und andere: Es herrscht aktuell Unruhe, dass die 14-Uhr-Betreuung wegfallen soll. Viele arbeiten halbtags und möchten ihre Kinder auf dem Rückweg mit nach Hause nehmen. Erst- und Zweitklässler hätten länger Betreuung als Unterricht. Ich persönlich koche zudem täglich für neun Personen und möchte kein Mittagessen buchen.“ Tanja Prehl
„Ich habe um 13.45 Uhr Feierabend und möchte dann meine Kinder abholen. Wir haben Hobbys in Sportvereinen und möchten nachmittags Freunde treffen. Bei der Anmeldung war ich wie vor
den Kopf geschlagen. Wir wurden gar nicht aufgeklärt; ich wollte die 14-Uhr-Betreuung anmelden und dann hieß es, das geht nicht. Es wäre schön, wenn man da informiert worden wäre.“ Anika Zaremba
„Ich habe aktuell ein Kind in der 14-Uhr-Betreuung. Mein anderes Kind wird 2026 eingeschult. Ich möchte, dass beide Kinder um 14 Uhr nach Hause kommen. Ich habe keine Kinder bekommen, um sie bis 15 Uhr betreuen zu lassen. Durch meinen Ehemann zahlen wir den Höchstsatz. Aktuell können wir die Kinder super flexibel abholen. Wenn das wegfällt, melde ich sie aus der OGS ab.“ Nina Petzold
„Ich bin Elternvertreterin der Lindenhofschule und wurde von vielen Eltern auf das Problem angesprochen. Wir geben unsere Kinder bewusst nicht in die Lernzeiten, da es aktuell zu wenig Personal gibt. „Ich bin mir sicher, dass sie die Hausaufgaben zuhause besser erledigen als in der OGS. Wir Eltern haben eine Mitwirkungspflicht und ich möchte den Daumen drauf haben. Das geht nicht, wenn sie zu lange in der Schule sind.“ Franziska Ihne
„Mein Kind wird aktuell bis 14 Uhr betreut und meine kleine Tochter bleibt ebenfalls nur bis 14 Uhr im Kindergarten. Die Hausaufgabenbetreuung sollte im ersten Jahr von den Eltern erfolgen. Ich merke, dass meine Tochter das braucht.“ Jessika Stein
„Ich bin der Meinung, dass Kinder viel frei spielen sollten. Das sind kleine Kinder, die Freiräume brauchen. Wenn die Kinder aus der Schule kommen, brauchen sie ihre Ruhezeit, um zu sich zu finden. Ich habe da arge Schwierigkeiten mit und finde es nicht gut, dass uns Eltern die 15-Uhr-Betreuung aufgezwungen werden soll. Es Ist ja für die Betreuer auch eine Entlastung, wenn die 14-Uhr-Kinder weg sind.“ Ute Schmitz-Fröhlich
Simon Thienel dankte den Eltern, dass sie am Ausschuss teilnahmen. „Wir finden das gut – sachlich nachvollziehbar, sympathisch und ehrlich. All ihre Sorgen haben wir bedacht und es handelt sich sicher nur um Kommunikationsprobleme.“ Bei einer Enthaltung und einer Gegenstimme folgte die Politik dem Vorschlag der Verwaltung. Damit die Änderung in Kraft tritt, muss das Thema noch den Hauptausschuss und final den Rat passieren.
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