Einblicke ins Leben von Herbert Reul, in seine Arbeit als Innenminister und ein Eintrag ins goldene Buch der Stadt Meinerzhagen: Die rund zweistündige Lesung in der Aula des evangelischen Gymnasiums Meinerzhagen sorgte nicht nur beim frisch vereidigten Bürgermeister Jan Nesselrath, sondern bei zahlreichen Besuchern für ein Lächeln im Gesicht. Nach der Lesung konnte LokalDirekt ein exklusives Interview mit Reul führen.

Der Abend wurde von Terry Albrecht moderiert, der direkt zu Beginn versuchte, den NRW-Innenminister aus der Reserve zu locken: "Wie fühlt man sich als Ex-Pauker in einer Schule?", fragte er den ehemaligen Wermelskirchener Sozialwissenschafts-Lehrer. "Naja, ich habe es immer positiv in Erinnerung ... als Lehrer", antwortete dieser mit einem Schmunzeln.

Immer wieder kam es auf der Bühne zu Gesprächen zwischen Albrecht und Reul. Die kurzen Ausschnitte aus seinem Buch, die Reul las, gerieten beinahe in den Hintergrund. Das Werk "Sicherheit - was sich ändern muss" dreht sich dabei vollständig um seine Arbeit als Innenminister, lediglich wenige Seiten im Vorwort handeln von der Zeit vor seiner Ernennung. In diesem macht Reul deutlich, dass er das Vertrauen der Menschen in den Staat wieder herstellen möchte. "Das war, wenn ich ehrlich sein soll, der Schub" - jener Schub, den er brauchte, um das Amt anzunehmen, als es ihm von Armin Laschet angeboten wurde, wie er Albrecht erklärte. Doch nicht nur das Amt, sondern auch die Motivation, ein Buch zu schreiben, stammt aus diesem Ziel.

In fünf Kapiteln geht Reul in seinem Buch auf Clankriminalität, Kindesmissbrauch, Cybercrime, Gewalttaten und Extremismus ein. Nicht alle dieser Kapitel wurden im Rahmen der Lesung thematisiert, doch gerade für das Thema Kindesmissbrauch nahm sich Reul Zeit. Nach einem kurzen Ausschnitt aus seinem Buch, zu einem Thema, was für viele Menschen weit weg ist, wagte er einen Blick zurück in seine Anfangszeit als Minister. "Ich habe damals einen Satz gesagt, der war wahrscheinlich etwas flapsig: Mord kann auch nicht viel schlimmer sein, denn das ganze Leben ist kaputt" - so habe er sich damals ausgedrückt, als er Kindesmissbrauch zur Chefsache im Innemministerium erklärte. Besonders wichtig sei ihm der Schutz der Polizisten, die in diesem Bereich eingesetzt werden. Aus diesem Grund ist das Buch auch "Für die Polizistinnen und Polizisten und alle anderen Menschen, die jeden Tag ihren Dienst an der Gemeinschaft leisten" gewidmet.

Zum Cybercrime, also Verbrechen im digitalen Raum, stellte er heraus: "Das ist eine Dimension, und das lernen wir gerade erst, die ist gigantisch." Nach einem Schlenker ins Kapitel Extremismus betonte er: "Rechtsextremismus halte ich heute für die größte Gefahr der Demokratie." Es zeigte sich laut Reul auch immer wieder eine Vernetzung unter den einzelnen Kapiteln, denn Extremismus "findet heute im Netz statt, mit vielen jungen Leuten und teuflischen Methoden."

In seiner rheinisch-ironischen Art sagte der Leichlinger (liegt bei Köln) zu Albrecht am Ende: "Ich habe einen Vorteil: Ich bin alt. Was wollen die mir? Wenn man mich aus der Regierung schmeißt, dann bin ich eine Woche sauer, danach gehe ich meiner Frau auf den Keks" - nicht der erste Spruch des Abends, für den er Gelächter aus dem rund 300 Personen umfassenden Publikum erntete.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) liest aus seinem Buch "Sicherheit" in der Aula des evangelischen Gymnasiums Meinerzhagen.
Foto: Maximowitz

Nach der Veranstaltung nahm sich Reul nicht nur Zeit für Fragen aus dem Publikum, sondern auch für eine ausführliche Signierstunde. Organisator und Buchhändler Wolfgang Schmitz hatte ausreichend Exemplare für alle Gäste dabei, die das Buch im Vorfeld noch nicht erworben hatten. Gemeinsam mit Bürgermeister Jan Nesselrath trug Herbert Reul sich auf der Bühne zudem ins goldene Buch der Stadt ein.

Im Anschluss stand Reul für ein Interview mit LokalDirekt zur Verfügung.

LokalDirekt: Herr Reul, fangen wir mal ganz vorne an. Warum lesen Sie heute Abend ausgerechnet hier in Meinerzhagen? Haben Sie persönlich Verbindung in den Märkischen Kreis?

Herbert Reul: Nein, da war Herr Schmitz, der hat mich angefragt und auf der Buchmesse nochmal angequatscht und überzeugt.

Wie unterscheidet sich das Sicherheitsgefühl in so einem ländlich geprägten Märkischen Kreis Ihrer Meinung nach zu Großstädten, wie gerade Essen, das ja in Ihrem Buch gerne erwähnt wird?

Ich bin mir gar nicht sicher, ob es so Riesenunterschiede gibt.

Die Leute haben alle das Gefühl in Deutschland, dass sie in unsicheren Zeiten leben. Sie haben Sorgen und natürlich sind die Erfahrungen, die man hier macht, andere als in der Großstadt, wo dramatischere Vorgänge stattfinden.

Aber ich bin ganz sicher, wenn Sie hier Leute befragen würden, die hätten auch Sorgen vor Terroranschlägen oder vor Mord und Totschlag und Cyberangriffen.

Im ersten Kapitel Ihres Buches geht es um Clankriminalität. Wie stehen Sie zu der von Friedrich Merz losgetretenen Stadtbilddebatte?

Ich finde es schade, dass wir in Deutschland dann immer über Form und Sprache reden, aber nicht über den Inhalt. Und den Inhalt, den er benennt, das sich in den letzten Jahrzehnten unser Land verändert hat, ist unbestritten. Es ist erst einmal nur ein Fakt und über den muss man reden.

Wenn man stattdessen über Nebensächlichkeiten redet, ob die Formulierung richtig ist, ob es so oder so gemeint war, dann kommt man nicht weiter. Wir sollten weniger über Interpretationen als vielmehr über die Fakten reden.

Da machen Sie in Ihrem Buch auch deutlich, dass die Ausländerkriminalität im Vergleich zur Anzahl der Ausländer deutlich höher ist, aber man nicht alle über einen Kamm scheren darf.

Man muss so ein Problem benennen, aber gleichzeitig auch aufpassen, dass es nicht missbraucht wird, indem man sagt, alle Ausländer sind kriminell. Das ist nämlich Quatsch.

Und deswegen ist die Benennung eines Problems immer natürlich mit der Anstrengung verbunden, auch zu differenzieren.

Sie haben in Ihrem Buch geschrieben, dass es im Vorfeld die Sorge gab, wenn Sie dieses Thema ganz am Anfang Ihrer Amtszeit ansprechen, dass Sie dann nicht sehr beliebt werden. Laut einer Umfrage im Juli dieses Jahres sind Sie der beliebteste NRW-Minister, mit 71 Prozent der Leute, die in einer Befragung sagen, dass sie Sie „gut“ oder sogar „sehr gut“ finden. Woran liegt das?

Das müssen Sie eigentlich die Leute fragen. Ich frage mich das manchmal auch, denn ich habe ja auch keine großen Taten oder super Lösungen vollbracht. Eigentlich bin ich nur normal.

Ich versuche normal mit Leuten umzugehen, Probleme, die da sind, nicht zu verschweigen, sondern zu benennen. Ich versuche, erste kleine Schritte zu gehen, um die Lage zu verbessern. Ich bemühe mich, nicht den Leuten etwas zu versprechen, was man nicht halten kann, und ich bemühe mich auch mit denen, die für uns arbeiten, also den Polizistinnen und Polizisten, ordentlich umzugehen. Ich glaube, am Ende macht das viel aus. Aber es ist nur eine Vermutung.

Sie haben heute Abend und auch in Ihrem Buch diese 1000 kleinen Nadelstiche angesprochen, dass es viel darum geht, den Leuten zu zeigen, wenn sie etwas Falsches machen, dann werden sie bestraft. Was würden Sie denn, neben diesen 1000 kleinen Nadelstichen, als Ihren größten politischen Erfolg als Innenminister bezeichnen?

Für mich persönlich das Wichtigste war es, das Thema Kindesmissbrauch aufgedeckt, aufgenommen zu haben und massiv dagegen vorzugehen. Ich glaube, das ist das Wichtigste, die Schwächsten unserer Welt zu schützen.

In Ihrem Buch schreiben Sie, und das haben Sie gerade auch ganz am Ende der Veranstaltung noch mal angesprochen, dass Politiker nicht liefern, und daher das Vertrauen schwindet. Wie wollen Sie das bis 2027 zum Ende Ihrer Legislatur noch ändern? Wie wollen Sie noch liefern?

Ich liefere jeden Tag.

Ich glaube nur, man muss aufpassen, dass man nicht den Leuten zu viel verspricht, was man gar nicht liefern kann, sondern lieber kleine Sachen versprechen und dann liefern. Einfach kleine Schritte gehen, kleine Erfolge, kleine Verbesserungen und den Leuten damit das Gefühl, die Gewissheit geben: „Der ist auf dem Weg, der kümmert sich darum, und wir kommen nach vorne.“ Zauberei gibt es in der Wirklichkeit nicht.

Herr Reul, vielen Dank für das Interview.