Die Finanzierung des Rettungsdienstes im Ennepe-Ruhr-Kreis steht vor einem möglichen Umbruch. Gesetzliche Krankenkassen wollen künftig nur noch pauschale Beträge zahlen – mit potenziell weitreichenden Folgen für Patienten und die Notfallversorgung.
Der von den gesetzlichen Krankenkassen angekündigte Vorstoß, künftig geringere Pauschalen für Rettungseinsätze zu zahlen und sich nicht mehr an den von Kreisen und Städten festgelegten Gebührensatzungen zu orientieren, besorgt die Verwaltung des Ennepe-Ruhr-Kreises. Landrat Olaf Schade warnt sogar, die Sicherheit der Bevölkerung sei gefährdet.
Bisherige Finanzierungspraxis steht infrage
Laut Schade war es über Jahrzehnte übliche Praxis, dass die Krankenkassen die Kosten für Rettungsdienste in voller Höhe übernahmen – auf Basis von Satzungen, in denen alle notwendigen Ausgaben einkalkuliert sind: Personal, Fahrzeuge, Ausstattung und Infrastruktur. Diese Vorgehensweise stellen die Krankenkassen nun infrage.
Sie argumentieren unter anderem, dass Leerfahrten oder Einsätze ohne anschließenden Transport nicht oder nicht vollständig zu ihren Lasten gehen dürften. Zudem kritisieren sie die angeblich mangelnde Nachvollziehbarkeit der Gebührenkalkulationen.
Landrat spricht von faktischer Leistungskürzung
„Die angekündigten Pauschalen sind in unseren Augen eine faktische Leistungskürzung“, so Landrat Schade. Er sieht im Vorgehen der Krankenkassen den Versuch, Kosten auf die Versicherten abzuwälzen. Besonders kritisiert er die neue Auslegung gesetzlicher Regelungen, wonach nur Fahrten mit tatsächlichem Patiententransport von den Kassen übernommen werden müssten. „Wir sprechen hier nicht von Luxusleistungen, sondern von medizinischer Daseinsvorsorge. Wer ihre Finanzierung unterläuft, riskiert die Sicherheit der Bevölkerung“, warnt Schade eindringlich.
Kreisverwaltung sucht politische Unterstützung
Der Ennepe-Ruhr-Kreis hat bereits Gespräche mit den Krankenkassen gesucht, bislang jedoch ohne Ergebnis. Um dem Thema weiter Nachdruck zu verleihen und den Bürgern Ausgaben zu ersparen, habe der Landrat in dieser Woche Schreiben an die koordinierende Krankenkasse, an NRW Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sowie das Bundesministerium für Gesundheit und an die heimischen Landtags- und Bundestagsabgeordneten auf den Weg gebracht.
„Den Krankenkassen haben wir unter anderen angeboten, gegen unsere Gebührensatzung eine Normenkontrollklage einzureichen und so ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Zudem haben wir die Erwartung formuliert, dass sie den Rettungsdienst bis auf weiteres auf der Grundlage der Gebührensatzung abrechnen“, nennt der Landrat Inhalte des Schreibens. An Land und Bund sei appelliert worden, kurzfristig die gesetzlichen Klarstellungen vorzunehmen, die notwendig sind, um die Finanzierung des Rettungsdienstes auf eine verlässliche und gerechte Basis zu stellen.
Warnung vor möglichen Folgen
Derzeit rechne der Kreis noch Leistungen aus dem Juni ab, während die Kürzungen der Kassen erst ab September greifen sollen. Bürgerinnen und Bürger hätten deshalb bislang keine Rechnungen erhalten, heißt es in einer Erklärung der Kreisverwaltung. „Dies unverändert zu lassen, steht für uns ganz weit oben auf der Tagesordnung“, sagt Schade. „Leider haben wir aber das Heft des Handelns und der Entscheidungen nicht in der Hand. Bleiben die Krankenkassen bei ihrer Haltung, könnte es bedeuten, dass wir gezwungen sind, Kostenbescheide direkt an Patientinnen und Patienten zu versenden.“
„Notruf weiter wählen“
Ungeachtet der Debatte appelliert der Landrat an die Bevölkerung, im Notfall weiterhin die 112 zu wählen: „Niemand sollte aus Angst vor einem Kostenbescheid darauf verzichten und so möglicherweise seine oder die Gesundheit anderer gefährden.“ Sollten Krankenkassen künftig tatsächlich Leistungen verweigern, hätten Versicherte die Möglichkeit, sich zu wehren und Ansprüche geltend zu machen.