Nein, dies hier soll keine rührselige Geschichte frei nach der Melodie "Früher war alles besser" sein. Hier geht es um eine Bestandsaufnahme - um nicht mehr, aber auch um nicht weniger. Denn: Ein "Nachtleben" existiert für die heutige Jugend in Lüdenscheid schon lange nicht mehr. Oft beklagen sich junge Leute, dass es, gerade an Wochenenden, wenig bis nichts zum Ausgehen gäbe - und bezeichnen die Stadt so kurz wie plakativ als „tot“. Highlights wie das Bautzfestival oder andere durch den Verein „Willi & Söhne“ organisierte Events helfen bei einer kurzfristigen Erweckung des Lüdenscheider Nachtlebens zwar etwas, jedoch ist dieses nicht mehr vergleichbar mit den Zeiten, als in Lüdenscheid „noch richtig was los war“.
Nachtleben früher vs. heute
In den 90ern bis hin zu den frühen 2000ern war die Stadt an vielen Wochenenden bis spät in die Nacht „brechend“ voll, berichten Lüdenscheider der mittleren Generation über die früheren Zeiten. Es gab nicht nur viele verschiedene Clubs oder Bars, wo die jungen Leute bis spät in die Nacht feierten: Die Innenstadt war generell wesentlich belebter. Es gab kaum Leerstände und die Stadt besaß viele verschiedene Bekleidungsgeschäfte, mehrere Schuhläden, Sport- und Möbelgeschäfte, Edelboutiquen, Parfümerien, Cafés, Süßigkeitenläden, große Kaufhausketten.
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Nachtleben früher
Die „Kneipentour“ am Wochenende begann früher teilweise schon donnerstags und zog sich - je nach Vorliebe, Lust und Laune - von der Oberstadt bis hin zum Rathausplatz. Beginnend mit der Traditionskneipe „Der Reidemeister“, weiter in den „Langen Gang“, ins „Café Eigenart“ (damals an der Wilhelmstraße, später folgte der Umzug zur Hochstraße), dann ins „Wirtshaus Budde“, zum „Brauhaus Schillerbad“ und abschließend zur Bar bei „Hulda Am Markt“: Die jungen Leute wanderten von Lokal zu Lokal, alle davon bis in den frühen Morgen bzw. bis zur Sperrstunde gut gefüllt. Da der Samstags-Wochenmarkt in Lüdenscheid früher schon ab 5 Uhr geöffnet hatte, konnten die letzten Partygänger sich in den frühen Morgenstunden sogar schon mit frischen Fischbrötchen oder ähnlichem „Frühstück“ versorgen.
Gerade der „Stock“ war sehr beliebt. Er galt als die Anlaufstelle für Nachtschwärmer in Lüdenscheid und war für seine „legendären“ 80er- und 90er-Jahre-Partys, die lockere Atmosphäre und seine vielen „wilden“ Nächte bekannt. Auch unter der Woche war die Kultkneipe an der Knapperstraße geöffnet. Billardspielen, Darten, Snacks essen, „Chillen“ (den Begriff gab's tatsächlich erst später) oder Musik hören – für die Jugendlichen hatte der Stock einiges zu bieten.
Im Gothaer Haus gab es später den „Ballermann 6“ und den „Saitensprung“. Jeden Freitag und Samstag waren diese Clubs gut gefüllt und boten eine breite Palette an Musikrichtungen und kulturellen Events. Auch das mittlerweile leerstehende Forum am Rathausplatz war früher gefüllt mit den verschiedensten Läden. Von Eiscafés und Klamottenläden bis hin zu Friseuren und Arztpraxen wäre hier zu schreiben. Und: Neben den Bars und der Diskothek muss die Rede auf das Wellenbad kommen, wo regelmäßig Motto-Partys veranstaltet wurden. Noch einmal zur Diskothek „Johnny Mauser“: Die war an Wochenenden ein Besuchermagnet. Hier gab es für jeden etwas: Der Club bot eine breite Auswahl an Musikgenres. Verschiedene DJs traten auf.
Am Sauerfeld, im jetzigen Sauerlandcenter, gab es außerdem noch die Diskothek „Image“, die jeden Freitag und Samstag geöffnet hatte. Hier gab es als Extra eine Bar, die auch die Woche über geöffnet hatte.
Und heute?
Nun ist die einstmals so gut besuchte Stadt an Wochenenden meist leer, wirkt an manchen Stellen fast wie eine Geisterstadt. Ehemals beliebte Lokale wie der Stock oder der Saitensprung locken die jungen Leute nicht oder nur noch sehr bedingt an. Lediglich Stufenpartys zur Aufbesserung der Abikasse der Lüdenscheider Gymnasien füllen den Saitensprung oder das Alternative Jugend- und Kultur Zentrum (AJZ) alle paar Monate mit Jugendlichen, so dass dort an manchen Wochenenden mehr Andrang herrscht.
Vom Verein Willi&Söhne organisierte öffentliche Events wie Thekentouren, Burn the Fox oder das Bautz Festival lassen Lüdenscheids Nachtleben zumindest für jeweils ein Wochenende wieder aufleben.
Doch was kann man langfristig tun, um die "restlichen" Wochenenden zu beleben? Viele junge Leute wünschen sich beispielsweise einen Club, in dem dann jedes Wochenende gute Stimmung herrscht und man Spaß haben kann. Das wäre ein Anfang ...
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Wenn aber nichts geht - was machen die jungen Leute denn heute an den Wochenenden in Lüdenscheid?
Oft gibt es private Hauspartys, wo verschiedene Freundeskreise zusammenkommen, sich austauschen und teilweise bis spät in die Nacht feiern. Außerhalb von privaten „Partys“ gibt es in der Bergstadt mittlerweile nicht mehr viel, jedoch sind Orte wie das „Café Extrablatt“ zu späteren Abendstunden häufig gut besucht. Dort treffen sich unter anderem junge Leute, um mit ihren Freunden nicht nur etwas zu essen, sondern auch um sich gemütlich bei dem ein oder anderen Drink auszutauschen.
In der Innenstadt ist, gerade nach Schließung der meisten Geschäfte gegen 20 Uhr, nicht mehr viel los. Hier trifft man vielleicht die ein oder andere Person, eine große Besucherzahl aber lässt sich hier nicht (mehr) nachweisen. Etwas anders sieht es da auf der Knapper Straße aus. Dort treffen sich beispielsweise am „Kiosk am Eck 2“ einige junge Leute und auch auf der restlichen Straße in Richtung Rathaus-/Sternplatz stößt man auf Jugendliche.
Die „Bar Loenneberga" am Graf-Engelbert-Platz lockt an Wochenenden mittlerweile auch ein paar junge Leute an, der Altersdurchschnitt der Besucher liegt hier allerdings oft nicht mehr im Jugendalter. Anders sieht es da in der Kult-Kneipe Dahlmann aus. Nach langer Renovierung öffnete die ehemalige Gaststätte im November 2023 ihre Türen wieder als neue Event-Location in Lüdenscheid. Das Team um „ROTWEB EVENTS“ organisiert hier regelmäßig die unterschiedlichsten Events, die oft eine breite junge Masse ansprechen.
Ansonsten gibt es die Treffs auf Parkplätzen wie beispielsweise den am Rewe am Bräucken, an der Phänomenta oder beim Kreishaus - dort zieht es viele junge Leute hin, die mit ihren Autos kommen und in Gruppen zusammenstehen, die sich unterhalten.
Drastischer Unterschied von einst und jetzt
Zu sehen beziehungsweise zu hören, wie Lüdenscheid einmal war, zu erfahren, welche Stimmung früher an vielen Wochenenden herrschte und welche Möglichkeiten es gerade für die jungen Leute gab, ist so erschreckend wie fast unvorstellbar, wenn man Vergleiche mit der aktuellen Lage anstellt. Kaum zu glauben, dass das Forum einst mit Menschen und Musik gefüllt war und die Innenstadt den Begriff „Leerstand“ kaum kannte. Die kahlen, leerstehenden Geschäfte sind heute aus Lüdenscheid gar nicht mehr wegzudenken und für die Bürger schon Gewohnheit.
Früher war alles besser - nein, das ist wirklich nicht das Thema. Früher war manches anders, gewiss. Ältere Lüdenscheider Bürger sagen selbst, dass sich nicht nur die Zeiten und Regeln geändert haben, sondern auch das Ausgehverhalten der jüngeren Leute. Die seien, so gehen die Erzählungen, damals „viel lockerer und offener draufgewesen“. Ob es stimmt? Das mag jeder für sich selbst entscheiden .....




















