Hannah Scherz, Pressesprecherin der Bezirksregierung Arnsberg, teilt heute auf Anfrage mit: „Es hat eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss gegeben. Die Klage wurde fristgerecht beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster eingereicht. Eine Klage gegen den Beschluss hat keine aufschiebende Wirkung. Es wurde jedoch zusätzlich zur Klage ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (umgangssprachlich als „Eilantrag“ bekannt) gestellt, was eine Aussetzung des Vollzugs der Baumaßnahme bis zur Entscheidung des OVG zum vorher genannten Antrag zur Folge hat.“
Da steht nun schwarz auf weiß das, was viele Beteiligte befürchtet hatten: Es gibt eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Neubau der Lennebrücke. „Die Begründung zum Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung liegt der Bezirksregierung Arnsberg vor. Diese bereitet nun in Zusammenarbeit mit dem Vorhabenträger (Straßen.NRW) eine Erwiderung vor“, heißt es in der Mitteilung der Bezirksregierung weiter.
Um was es genau geht, und wer die Klage eingereicht hat, wird seitens der Bezirksregierung öffentlich nicht benannt. Dennoch wird in den Gesprächen, die in diesem Zusammenhang geführt wurden, deutlich, dass der Kläger kein unbekannter Dritter ist. LokalDirekt-Informationen zufolge handelt es sich um den namentlich nicht nennbaren Grundstückseigentümer.
„Tja, was soll ich dazu sagen. Damit musste man wohl rechnen“, sagt Gerd Schröder, Fraktionsvorsitzender der SPD, auf Anfrage. Und auch Bürgermeisterin Birgit Tupat ist nicht überrascht: „Davon sind alle ausgegangen. Jetzt müssen wir hoffen, dass seitens des Gerichts schnell entschieden wird.“ Das Thema ist zermürbend – auch weil es längst nicht mehr einzig um den Sachverhalt an sich geht. Viele Beteiligte haben in der Zwischenzeit Post von Anwälten bekommen. Der Name des Gegners darf nicht mehr genannt werden, alle sind vorsichtig geworden. „Es geht hier längst nicht mehr um einen Neubau, sondern einzig um eine Machtdemonstration. Das ist ein reines Kräftemessen“, sagt ein Nachrodt-Wiblingwerder im Gespräch.
Vor allem im Laufe der vergangenen Monate, spätestens seit der Sperrung der maroden Brücke im Januar, sind alle vorsichtiger geworden. Nicht öffentlich wird viel geredet. Vor allem wird nach wie vor immer wieder die Frage gestellt: Was wiegt mehr? Das Recht auf Eigentum oder die Interessen einer ganzen Region? Eine Frage, die auch viele Nachrodt-Wiblingwerder inzwischen spaltet.
Philipp Olschewski, Fraktionsvorsitzender der CDU: „Dass die Möglichkeit einer Klage besteht, war uns sicherlich klar und das müssen wir so hinnehmen. Ich hoffe jedoch sehr, dass im Sinne der Menschen in unserer Gemeinde und zur dringend notwendigen Verbesserung der Vekehrssituation keine weiteren Verzögerungen entstehen.“
So sieht das auch der fraktionslose Aykut Aggül: „Ich hoffe, dass die Gerichte so sensibilisiert sind, dass bewusst ist, dass wir mit allen Mitteln versuchen müssen, die Infrastruktur zu erhalten. Denn es ist oftmals gesagt worden, dass die Brücke nicht nur für uns in Nachrodt-Wiblingwerde, sondern für ganz Südwestfalen von Bedeutung ist.“ Wichtig sei jetzt erst einmal, dass die Richter den Eilantrag ablehnen.
Dem kann Petra Triches, Fraktionsvorsitzende der UWG, nur zustimmen: „Das war zu erwarten. Was sollen wir machen? Das ist sein gutes Recht. Ich hoffe einfach, dass es schnell geht beim Gericht und der Eilantrag natürlich abgelehnt wird, da es eine wichtige Brücke ist, die nicht nur für die Bürger, sondern auch für die Wirtschaft eine immense Bedeutung hat.“
Der fraktionslose Ratsherr Matthias Lohmann findet deutlichere Worte: „Ich bin entsetzt über diese Klage. Egal, wer sie eingereicht hat. Die Gemeinde, das Lennetal und die Wirtschaftsregion Südwestfalen scheinen dem Klageführer egal zu sein. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Brücke früher oder später gebaut wird. Sinn und Zweck dieser Aufschieberei erschließen sich mir nicht.“
Und was sagt Straßen.NRW? „Was soll ich dazu noch sagen. Nein, auch wir sind eher nicht überrascht. Mit einer solchen Klage war zu rechnen“, sagt Andreas Berg, Pressesprecher des Landesbetriebs. Auch er hofft nun, dass schnell entschieden wird. Denn erst dann könne mit weiteren Arbeiten und Planungen begonnen werden. „Ich habe auch keine Glaskugel. Deswegen muss erst alles sicher sein, bevor es weiter geht“, betont er.
Neben den rechtlichen Problemen gibt es zudem immer noch die offenen Grundstücksfragen. Denn auch die möchte der Eigentümer für den Bau nicht hergeben. Die Frage, ob inzwischen ein erneutes Gespräch zwischen den Parteien stattgefunden hat, beantwortet Andreas Berg nicht.
Nachricht der Klage wird auch in Düsseldorf zum Thema
Die Nachricht der eingereichten Klage ist natürlich auch in Düsseldorf angekommen. Der heimische CDU-Landtagsabgeordnete Thorsten Schick betont auf Anfrage einmal mehr, dass wichtige Infrastrukturprojekte eine hohe Dringlichkeit haben. „Es ist das Recht einer jeden Person, Klage zu erheben. Aber nicht umsonst gibt es das Gesetz, dass Klagen wie diese eigentlich keine aufschiebende Wirkung mehr haben können. Eben damit nicht das Allgemeinwohl hinter den Klagen einzelner zurückstehen“, erklärt der Angeordnete.
Mit dem Gesetz seien die öffentlichen Interessen deutlich gestärkt worden – „damit eben nicht ganze Ortschaften abgeschnitten werden“. Grundsätzlich, so der CDU-Politiker, müssten alle ein Interesse daran haben, dass die Brücke gebaut werde. Insbesondere im Blick auf die angespannte Infrastruktursituation in Südwestfalen. „Das Projekt Lennebrücke wird nicht erst seit gestern diskutiert und es sind alle immer wieder an den Punkt gekommen, dass eine neue Brücke gebaut werden muss“, betonte Schick. Gerade in diesem Fall habe es seiner Meinung nach immer wieder eine hohe Gesprächsbereitschaft seitens der Kommune, Straßen.NRW und der Politik gegeben. „Es hat eine Vielzahl von Gesprächen gegeben, um zu einer gütlichen Lösung zu kommen. Dass unterschiedliche Personen und Institutionen gescheitert sind, zeigt, dass es nicht an Gesprächen gemangelt hat“, gibt Thorsten Schick zu bedenken.
Der Landtagsabgeordnete, der noch vor einigen Wochen mit Matthias Goeken, Vorsitzender des NRW-Verkehrsausschusses, an der Brücke war, erklärte auch, dass er in der kommenden Woche, wenn der Sitzungsbetrieb wieder laufe, das Gespräch mit den entsprechenden politischen Stellen im Landtag suchen werde. „Allerdings ist dieser Fall eine rein juristische Sache, da wird sich die Politik nicht einmischen. Was wir aber tun können, ist immer wieder das Gespräch mit Straßen.NRW zu suchen und zu überlegen, was trotz der Situation schon getan werden kann“, sagte Schick.
Uwe Hell: „Ich bleibe optimistisch“
Unternehmer und Brückenkämpfer Uwe Hell hat eine Klage ebenfalls erwartet: „Das Planfestellungsverfahren ist ein rechtsstaatliches Verfahren, das uns jetzt sieben Jahre bis zum Planfestellungsbeschluss in Wallung gehalten hat. Dass dagegen jetzt nochmal geklagt wird, haben wir immer erwartet, hatten aber eher eine einlenkende Reaktion erhofft, da die extremen Belastungen, Risiken (auch in den Versorgungsleitungen) und Vermögensschäden (in Stunden und Werten) eigentlich jedem Betroffenen bewusst sind. Wenn das der oder die Kläger anders sehen, müssen wir halt auch diese (eher ärgerliche) Zeit noch überstehen.“ Er habe Informationen, dass es mittlerweile zunehmend positive Musterentscheidungen nach einem vorliegenden Planfeststellungsbeschluss gegeben habe und schnell ein Urteil vorliegen könnte. „Ich bleibe optimistisch, dass Allgemeinwohl über Einzelinteressen gestellt wird“, betont Uwe Hell.
Die Lennebrücke
Die Lennebrücke ist marode. Seit Jahrzehnten wird über einen Neubau diskutiert. Im Januar 2024 musste die Brücke aufgrund von Statikproblemen gesperrt werden. Damit war eine wichtige Verkehrsader des gesamten Lennetals lahmgelegt. Umwege von mehr als 40 Kilometern mussten in Kauf genommen werden, der Rettungsdienst konnte nur mit einer Notwache im Amtshaus aufrecht erhalten werden. Heimische Wirtschaftsbetriebe und der lokale Handel waren in ihrer Existenz bedroht. Kurzerhand wurde eine Pontonbrücke für Fußgänger durch das THW errichtet. Inzwischen ist die Brücke wieder so weit repariert, dass der Verkehr einspurig darüber laufen kann. Straßen.NRW, die Bezirksregierung, die Landes- und Kommunalpolitik sind sich einig, dass ein Neubau her muss – und zwar schnell. Die Brücke an sich ist laut mehrer Gutachten nicht zu retten. Ein Neubau an gleicher Stelle ist nicht umsetzbar. Unter anderem, weil die Brücke aufgrund gesetzlicher Vorgaben zwei Meter höher sein müsste. Es müssten Rampen errichtet werden, um die Steigung gering zu halten. Dafür müssten dann die Sparkasse, die Moschee und die andere angrenzende Bebauung weichen. Zudem könnte ein solcher Neubau nur unter mehrjähriger Vollsperrung laufen – was nach Aussage der Baubefürworter vor allem der heimischen Wirtschaft das Genick brechen würde. Der Neubau ist bereits geplant, die Vorarbeiten auf der Südseite teilweise schon erfolgt. Inzwischen liegt auch der Planfeststellungsbeschluss vor. Das große Problem ist ein Konflikt mit einem Grundstückseigentümer. Er möchte sein Land nicht hergeben und blockiert das Vorhaben. Auch reichte er etliche Bedenken im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens ein.