Die Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde hat ihren neuen Brandschutzbedarfsplan (BSBP) für die Jahre 2024 bis 2028 verabschiedet – ein umfangreiches, detailliertes Werk, das festlegt, wie die Feuerwehr in den kommenden Jahren ausgestattet, aufgestellt und weiterentwickelt werden soll. Hinter den vielen Seiten steckt weit mehr als technische Daten und Organigramme: Es geht um Sicherheit, Zukunftsfähigkeit und die Frage, wie eine Freiwillige Feuerwehr den wachsenden Anforderungen gerecht werden kann. LokalDirekt-Redakteurin Lydia Machelett hat mit Feuerwehrchef Jens Klatt darüber gesprochen, was im neuen Plan steht, welche Herausforderungen auf die Feuerwehr zukommen – und wie sich die Einsatzkräfte auf die Zukunft vorbereiten.

Was ist der neue Brandschutzbedarfsplan – und warum ist er für eine Gemeinde wie Nachrodt-Wiblingwerde so wichtig?

Jens Klatt: "Ein Brandschutzbedarfsplan ist in NRW gesetzlich vorgeschrieben. Die Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde ist also verpflichtet, einen BSBP aufzustellen.
Er beschreibt die notwendige Ausstattung, Personalstärke und definiert die nötigen und besten Standorte für die Feuerwehrgerätehäuser. Ziel ist die bedarfsgerechte Aufstellung der Feuerwehr je nach Größe und Gefahrenschwerpunkte der Kommune. Damit die Feuerwehr im Ernstfall schnell und wirksam handeln kann. Er schafft Transparenz für Politik und Verwaltung und dient unter anderem als Grundlage für Entscheidungen über Investitionen."

Welche Ziele verfolgt der Plan konkret? Welche Standards, Reaktionszeiten oder Strukturen sollen damit gesichert oder verbessert werden?

"Kurz gesagt: Der Brandschutzbedarfsplan verfolgt das Ziel, ein klar definiertes und überprüfbares Sicherheitsniveau für die Bevölkerung festzulegen. Er sichert Standards wie Einsatzzeiten, Personalstärke, Fahrzeugausstattung und Standortstrukturen, damit die Feuerwehr zuverlässig und schnell helfen kann.

Bei Bränden wie hier in Veserde ist die Tagesverfügbarkeit der Einsatzkräfte ein wichtiges Thema.
Video: Machelett / Archiv

Zwei Beispiele:
Es gib immer einen Vergleich von Ist- & Soll-Zustand: Eine (verschriftliche) Erkenntnis zum Beispiel ist der genau definierte Personalbedarf in unserer Gemeinde. Eine freiwillige Feuerwehr wie unsere hat ein Auspendler-Problem. Täglich pendeln viel mehr Arbeitstätige aus Nachrodt aus als ein. Daher haben wir während der Arbeitszeiten ein Verfügbarkeitsproblem. Wir haben eine Auspendlerquote von 88 Prozent und sind damit die Nummer 12 in NRW. Daraus ergeben sich klare To-Dos für Mitgliedergewinnung und Kompensationsmaßnahmen.

Beispiel Zwei: Wir haben über 87 Prozent Wald- und Vegetationsfläche und eine Topografie mit 340 Metern Höhenunterschied. Daraus ergeben sich andere Anforderung an die Ausbildung, an Material und an die Fahrzeuge als zum Beispiel bei einer Feuerwehr im Ruhrgebiet. Vegetationsbrände sind hier wahrscheinlicher, die Wintereinbrüche sind stärker. Wir legen mehr Wert auf eine fundierte Vegetationsbrand-Bekämpfung. Wir brauchen Winterdienst 24/7, um überall hinzukommen. Unsere Fahrzeuge brauchen mehr Löschwasser an Bord, brauchen Allrad und mehr Leistung als zum Beispiel Lütgendortmund, einem Ortsteil von Dortmund mit etwa vergleichbarer Einwohnerzahl."

 Wie wurde der Bedarf ermittelt? Welche Daten oder Einsätze der vergangenen Jahre spielen für die Analyse eine wichtige Rolle?

"Zunächst einmal holt sich die Gemeinde professionelle Hilfe für die Aufstellung, so dass wir die strengen Anforderungen an einen BSBP gerecht werden können. Noch vor 15 Jahren war es möglich, den Plan durch eigene Kräfte zu erstellen, dass ist heute unmöglich. Wir analysieren die Gefahren unter anderem durch die Einsatzdaten der letzten Jahre. Hier gibt es zum Beispiel die Definition eines ,kritischen Wohnungsbrands'. Es wird analysiert, wie lange die Feuerwehr Nachrodt-Wiblingwerde in den vergangenen Jahren gebraucht hat, um bei vergleichbaren Einsätzen mit ausreichenden Kräften vor Ort zu sein. Das wird mit landesweiten Vorgaben verglichen. Wenn das passt, wird der Feuerwehr rein auf dem Papier eine ausreichende Leistungsfähigkeit in diesem Bereich bescheinigt. Wenn nicht, werden daraus Aufgaben abgeleitet.
Aber auch statistische Daten sind Grundlage: Bundesstraßen, Bahnlinien, strömendes Gewässer. Industrie, Wohnbebauung, Altenheime, Schulen und Kindergärten bergen Gefahren, die unterschiedlich bewertet werden und daraus Notwendigkeiten abgeleitet werden."

Welche größten Veränderungen oder Maßnahmen ergeben sich aus dem neuen Bedarfsplan für die Feuerwehr?

"Wir haben in Nachrodt-Wiblingwerde das Glück, das auch meine Vorgänger schon sehr zukunftssicher geplant und gehandelt haben. Das Fahrzeugkonzept zum Beispiel wurde schon vor mehr als zehn Jahren komplett überdacht und in den vergangenen Jahren immer wieder angepasst. 2021 hat sich bei der Unwetterlage herausgestellt, dass wir ein geländegängiges Erkundungsfahrzeug benötigen. Das wurde dann kurzfristig beschafft – allerdings nicht nur als reines Erkundungsfahrzeug sondern als multifunktionales Mehrzweckfahrzeug. Das hat uns in den letzten Jahren schon wertvolle Dienste geleistet. Dass beide Gerätehäuser erneuert werden müssen, stand auch bereits im jetzt abgelösten BSBP. Daher ergeben sich aus dem neuen Plan neben strukturellen Anforderungen in der Gemeinde vor allem Anpassungen in unseren Konzepten und natürlich in der Steigerung der Mitglieder der Feuerwehr."

Wo sehen Sie persönlich - nicht der Bedarfsplan - aktuell den dringendsten Handlungsbedarf – bei Technik, Personal oder Standorten? 

"Ich sehe vier Schwerpunkte: Zunächst natürlich bei der Steigerung der Personalzahlen. Die Feuerwehrangehörigen sind die Basis der Leistungsfähigkeit. Daher investieren wir in gute Ausbildung sehr viel ehrenamtliches Engagement. Daraus ergibt sich auch der zweite Schwerpunkt: Die Attraktivitätssteigerung der Feuerwehr. Das Ehrenamt funktioniert heute nicht so wie vor 15 oder 20 Jahren. Die Generation Alpha wird erwachsen und hat andere Werte als die bisherigen Generationen. Daher müssen wir uns anpassen. Um neue Mitglieder zu bekommen, aber auch die vorhandenen zu halten.  Das wird ein wesentlicher Bestandteil der nächsten Jahre. Ein weiterer Schwerpunkt sind die neuen Gerätehäuser. Die müssen zeitnah umgesetzt werden. Es gibt viele Gründe, warum das so lange dauert – aus Sicht des Leiters der Feuerwehr kann es aber natürlich nicht schnell genug gehen. Aktuell gibt es zu viele Kompromisse in Bezug auf Sicherheit, Räumlichkeiten und Technik.

Der vierte Punkt ist die Überstrapazierung des Ehrenamts. Ich zum Beispiel verbringe als Leiter der Feuerwehr im Schnitt täglich drei Stunden für die Feuerwehr – ehrenamtlich, neben einem Vollzeitjob mit Reisetätigkeit, neben der Familie mit zwei Kindern.  Ich habe mir das ausgesucht, ich mache das auch gerne. Aber aufgrund von immer mehr Aufgaben, Vorschriften und Vorgaben ist das rein ehrenamtlich nicht mehr darstellbar.

Wir arbeiten aktuell parallel an neun Konzepten. Jetzt beschäftigen wir uns auch wieder mit dem Thema Zivilschutz. Das kenne ich noch aus meinen Anfängen bei der Feuerwehr, da war das fest verankert. In den letzten Jahrzehnten war das kein Thema. Das muss jetzt alles wieder aufgebaut und in Konzepte gefasst werden.

Ähnlich sieht es im technischen Bereich aus. Wir haben elf Fahrzeuge, hunderte von Gerätschaften, Funkgeräte und Messgeräte die regelmäßig geprüft werden müssen.
Da muss schnellstens Unterstützung her."

Jens Klatt (rechts), Leiter der Feuerwehr, arbeitet täglich etwa drei Stunden ehrenamtlich für die Feuerwehr.
Foto: Machelett / Archiv

Wie realistisch ist die Umsetzung aller Maßnahmen – auch finanziell und personell betrachtet?

"Es gibt keine Alternative zur Umsetzung. Das ist kein Wunschkonzert. Um es plakativ auszudrücken, ohne irgendjemandem zu nahe zu treten: Wir sind kein Verein zur Freizeitgestaltung. Bei uns geht es um die Sicherheit der Bevölkerung. Um Leben und Tod. Daher ist die Umsetzung nicht verhandelbar."

Was wünschen Sie sich von Politik und Verwaltung, damit der Bedarfsplan nicht nur auf dem Papier gut aussieht, sondern tatsächlich wirkt?

"Die Zusammenarbeit mit Rat und Verwaltung war und ist immer gut gewesen. Da wollen wir uns auf keinen Fall beschweren, dass läuft in anderen Kommunen nicht so gut wie bei uns. Die Bürgermeisterin und ich müssen nicht immer einer Meinung sein. Aber wir haben immer die Sache im Fokus und bisher sind wir immer auf einen Nenner gekommen. Das gleich gilt für den Rat. Um noch enger zusammen zu arbeiten, haben wir im letzten Jahr den Arbeitskreis Feuerwehr aus Ratsmitgliedern, Verwaltungsspitze und Feuerwehrleitung gegründet und bereits sehr gut zusammengearbeitet. 

Daher bin ich mir sicher, dass das auch in den kommenden Jahren funktioniert und die notwendigen Anforderungen der Feuerwehr umgesetzt werden – egal ob sie im BSBP stehen oder nicht."

Einsätze mitten in der Nacht - wie hier am Lohagen - zehren an den Kräften der Ehrenamtler.
Foto: Feuerwehr Nachrodt-Wiblingwerde / Archiv

Viele Feuerwehren kämpfen mit steigenden Einsatzzahlen und komplexer werdenden Einsatzlagen. Wie spüren Sie das in Nachrodt-Wiblingwerde?

"Allein von den Einsatzzahlen kann man das Ableiten. Als ich vor über 30 Jahren in die Feuerwehr eingetreten bin, hatten wir circa 30 Einsätze pro Jahr. Die letzten Jahre waren es um die 120.

Fahrzeuge werden immer sicherer, Elektroantriebe und erhöhter Verkehr stellt immer höhere Anforderungen an Technik und Mannschaft. Vegetationsbrandbekämpfung gab es schon immer, aber auch hier werden die Anforderungen zum Beispiel durch Kalamitätsflächen höher. Unwetterereignisse beschäftigen uns häufiger. Der Demographische Wandel sorgt für immer mehr allein wohnende, ältere Menschen. Dadurch erhöht sich zum Beispiel unsere Zahl der Türöffnungen für den Rettungsdienst enorm."

Auch die Technik entwickelt sich rasant. Wie wirkt sich das auf Ausbildung, Geräte und Finanzierung aus?

"Die Technik wird anspruchsvoller, das erfordert ein kontinuierliches Anpassen der Ausbildung. Die wird immer aufwändiger. Vor ein paar Jahren haben wir die Ausbildung komplett auf eine andere Basis gestellt. Auf der Dienstbesprechung letzten Mittwoch haben wir beschlossen, das Konzept für 2026 erneut anzupassen. Das bedeutet wieder viele Stunden Ausarbeitung für ein angepasstes Ausbildungskonzept. Der Zeitaufwand in der Ausbildung wird auch immer höher. Mittlerweile bilden wir bereits in der Grundausbildung die Vegetationsbrandbekämpfung aus, zukünftig auch wieder den Bereich Zivilschutz.
Alles wird teurer. Auch unsere Ausrüstung. Egal ob der Feuerwehr-Schutzanzug, Schutzhandschuhe, an die es immer höhere gesetzliche Anforderungen gibt oder unsere technische Ausstattung. Fahrzeuge müssen der höchsten Abgasnorm entsprechen, obwohl sie nur relativ wenige Kilometer fahren. Das verteuert Löschfahrzeuge mittlerweile enorm." 

Welche Strategien setzen Sie ein, um neue Mitglieder zu gewinnen – und besonders solche, die tagsüber verfügbar sind?

"Seit 30 Jahren gibt es die Jugendfeuerwehr in Nachrodt-Wiblingwerde. Die sorgt glücklicherweise für einen Grundstock an bereits gut vorgebildete Nachwuchskräfte. Da die Kids sich allerdings bereits im frühen Schulalter für ein Hobby entscheiden, gibt es seit mehr als fünf Jahren die Kinderfeuerwehr. Hier wird kindgerecht der erste Kontakt zum Feuerwehrleben hergestellt.

Leider verlassen uns einige junge Einsatzkräfte aus verschiedensten Gründen. Ausbildung, Studium, Arbeit oder die Liebe sind Gründe, warum der Grundstock der Kinder- und Jugendfeuerwehr nicht ausreicht. Seit einigen Jahren kommen immer mehr Seiteneinsteiger zu uns. Wenn sie ihr Arbeitsleben organisiert haben, eine Familie gegründet haben suchen Sie ein sinnvolles Hobby. Durch gemeinsame Bekannte kommen einige so zur Feuerwehr. Aber eben zu wenige. Und genau da haben wir dieses Jahr angesetzt: Wir haben eine örtliche Marketingagentur beauftragt, uns bei einem professionellen Social-Media-Auftritt und der Mitgliederwerbung zu unterstützen. Genau für die Zielgruppe, die für die Feuerwehr wichtig ist." 

Sie sagen, es gab schon erste Erfolge der Marketing-Kampagne. In welcher Form? 

"Leider sind die Erfolge noch nicht genau zu beziffern. Aber das haben wir auch nicht sofort erwartet. So eine Kampagne dauert eben. Zunächst müssen wir die Feuerwehr erst mal mehr in die Köpfe der Nachrodt-Wiblingwerder bringen. Das passiert gerade. Dadurch – so hoffen wir, werden wir in den nächsten Jahren einige neue Mitglieder gewinnen können."

Gibt es Kooperationen mit Arbeitgebern, um Feuerwehrleute freizustellen? Funktioniert das gut?

"Die Arbeitgeber sind gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Mitarbeiter für den Dienst in der Feuerwehr freizustellen. Dafür bekommen Sie dann zum Beispiel den Lohnausfall von der Kommune ersetzt. Aber natürlich ist die gesetzliche Grundlage zunächst erstmal nur ein Gesetz. Gerade in unserer kleinen Gemeinde können wir uns aber nicht im Geringsten beschweren. Ganz im Gegenteil, die meisten Arbeitgeber sind der Feuerwehr gegenüber sehr positiv aufgestellt und die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut. Ein Arbeitgeber hat zum Beispiel vor Kurzem über seine betriebsinterne App seine Mitarbeiter dazu aufgefordert, sich mit dem Eintritt in die Feuerwehr zu beschäftigen. Über solche Aktionen freuen wir uns natürlich ganz besonders."

Wie hat sich die Mitgliederstruktur in den letzten Jahren verändert? Wird es schwieriger, jüngere Menschen für das Ehrenamt zu begeistern?

"Das wird erheblich schwieriger. Die Generationen Z und Alpha denken in vielen Bereichen anders als die vorherigen Generationen. Das Internet ist elementarer Bestandteil des Lebens. Das Freizeitangebot wird immer größer, Entfernungen sind spätestens mit dem Führerschein kein Problem mehr. Und die schulischen oder beruflichen Anforderungen werden immer komplexer.

Daher müssen wir uns als Institution Feuerwehr immer neu erfinden. Früher war Ausbildung immer nur am Wochenende. Heute ist vielen das Wochenende für die Familie wichtig, daher passen wir die Ausbildungszeiten – gerade bei den Grundausbildungen wochentags an. Als zusätzliche Belastung für die Ausbilder. Mittlerweile machen wir uns auch schon Gedanken über Vollzeitlehrgänge, also von Montag bis Freitag 8 bis 17 Uhr. Das kann dann aber nicht mehr ehrenamtlich gestemmt werden und kostet definitiv Geld."

Was müsste sich aus Ihrer Sicht ändern, damit Ehrenamtliche langfristig entlastet und motiviert bleiben?

"Da ist die Politik gefragt. Es gibt viele Möglichkeiten, aber alle kosten Geld. Viel Geld. Aufwandsentschädigung, Freizeitausgleich im Job, Rentenpunkte für Ehrenamtler, Steuererleichterung und und und… Vieles davon muss aber auf Landes- oder Bundesebene entschieden werden. Kleine Kommunen wie Nachrodt-Wiblingwerde können nur wenig allein erreichen."

Jens Klatt spricht mit LokalDirekt über den Brandschutzbedarfsplan.
Foto: Machelett / Archiv

Wo sehen Sie die Feuerwehr Nachrodt-Wiblingwerde in zehn Jahren?

"Zunächst einmal sehe ich 2 neue Gerätehäuser, in denen wir unsere Basis haben. Und das definitiv nicht erst in zehn Jahren. Ansonsten planen wir seit ein paar Jahren sehr weitsichtig. Und wir wachsen im Kreis immer enger zusammen. Mein Feuer, Dein Feuer, das gibt es glücklicherweise nicht mehr. Allen Wehrleitern im Märkischen Kreis ist mittlerweile klar, dass wir nicht alles allein schaffen können. Wir brauchen die gemeinsame Stärke aller Feuerwehren im Märkischen Kreises. Wir denken Konzepte, die wir aus der Tasche ziehen können, wenn wir sie benötigen. Unwetter, Waldbrände, Stromausfälle über längere Zeiträume, überörtliche Hilfe usw. Daher sind die Anforderungen recht klar. Ich sehe die Feuerwehr Nachrodt-Wiblingwerde in zehn Jahren mit ungefähr 100 Einsatzkräften schlagkräftig aufgestellt allen Herausforderungen gewappnet mitten im Märkischen Kreis. Und ich hoffe inständig, dass wir das, was wir in den kommenden Jahren im Zivilschutz aufbauen werden, nie brauchen werden."

Was wäre aus Ihrer Sicht das Worst-Case-Szenario, wenn die Personalgewinnung weiter stagniert – und wie ließe sich das Verhindern?

"Ich bin mir sicher, dass wir noch viel Potenzial bei den Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde haben. Deswegen gehe ich davon aus, dass es kein Worst-Case-Szenario geben wird. Aber natürlich haben wir auch einen Plan B. Noch nicht komplett ausgearbeitet, aber wir stecken mitten in der Planung. Das geht von interkommunaler Zusammenarbeit, da wo es möglich ist, bis zu hauptamtlichen Kräften, die 24/7 in der Gemeinde ihren Dienst versehen. Schlussendlich muss die Sicherheit gewährleistet sein. Kostet es, was es kostet. Das die Umsetzung dieser Gedanken sehr viel Geld kostet, und das das schlussendlich jeder Einwohner von Nachrodt-Wiblingwerde bezahlen muss, sollte jedem klar sein. Wir arbeiten mit aller Kraft und Kreativität daran, dass zu verhindern. Und jede Bürgerin und jeder Bürger kann mit seinem Engagement daran mitarbeiten."

Warum sind Sie Feuerwehrmann? 

"Zur Feuerwehr gekommen bin ich mit 17. Man hört immer wieder Leute, die sagen ,Ich bin zur Feuerwehr gegangen, weil ich helfen wollte.' Das war damals nicht meine Motivation.  Ich hatte Interesse an der Technik und ich wollte einfach mit Blaulicht und Martinshorn durch die Gegend fahren. Ich fand das geil. Im Laufe der Jahre hat sich das ein bisschen gewandelt, je älter ich wurde, desto wichtiger wurde der Sinn des Lebens. Und da ist die Feuerwehr eben das geilste Ehrenamt der Welt. Feuerwehr ist der perfekte Mix aus Helfen, lebenslangem Lernen, Improvisieren für andere da zu sein und dem Miteinander. Die Kameradschaft - auch wenn ich das Wort eigentlich nicht mag – trifft es ziemlich genau. Mittlerweile – nach über 35 Jahren ist es natürlich ein fester Bestandteil meines Lebens, meines Alltags. Meine Familie kennt mich nicht ohne Feuerwehr. Aber mit Blaulicht und Martinshorn fahr ich immer noch sehr gern."

Welcher Einsatz ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben – und warum?

"Lange im Gedächtnis bleiben leider immer die schlimmen Einsätze. Wenn jemand verstirbt, wenn wir nicht schnell genug helfen können, wenn man persönliches Leid erlebt.  Aber da möchte ich jetzt nicht ins Detail gehen. An meinen allerersten Einsatz in der Feuerwehr erinnre ich mich gern. Ich war extrem aufgeregt und nervös. Auf der Anfahrt zum Einsatzort hat ein älterer Kamerad versucht uns Jungspunde zu beruhigen. Das macht Feuerwehr besonders. Kyrill war der Einsatz, bei dem ich als Gruppenführer definitiv die Größte Angst um die Sicherheit meiner Mannschaft hatte."

Der Bereich Ausbildung nimmt viel Zeit in Anspruch und wird immer komplexer.
Foto: Machelett / Archiv

Gibt es etwas, das Sie der Bevölkerung gerne einmal ganz offen sagen würden – ein Mythos, der dringend korrigiert werden sollte?

"Kein Mythos, aber was die Bevölkerung nicht vergessen sollte, dass wir eine rein freiwillige Feuerwehr sind. Wir werden dafür nicht bezahlt, wir haben alle einen Job und machen Feuerwehr ehrenamtlich. Wir helfen immer gerne. Aber wenn zum Beispiel um 4 Uhr morgens 30 Feuerwehrangehörige aus dem Bett geschmissen werden, um einen Ast von der Fahrbahn zu heben, dann fragt man sich ob derjenige, der anruft, dass nicht auch hätte tun können. Oder wenn irgendwelche Idioten Altpapiercontainer anzünden. Und von solchen Einsätzen haben wir leider einige. Immer dann, wenn wir wirklich gebraucht werden helfen wir gern – auch morgens um 4 Uhr wenn der normale Bürger noch in seinem warmen Bett liegen kann." 

Was wäre Ihre Wunschvorstellung: Wenn Sie heute unbegrenzt Budget hätten – welche drei Dinge würden Sie sofort umsetzen?

"So unrealistische Vorstellungen kann ich nicht verarbeiten (lacht). Aber im Ernst, es drückt am meisten beim Personal, da brauchen wir definitiv noch Unterstützung. Also, jede Bürgerin und jeder Bürger, die sich auch nur im Entferntesten vorstellen können, ehrenamtlich einem wirklich sinnvollen Hobby nachzugehen – einfach mal reinschnuppern. Wenn sich dann herausstellt, dass es doch nicht das richtige ist, war es eben nur eine Erfahrung. Wenn es passt, wird daraus ein Hobby bis zum Lebensende."