Die eingewanderte asiatische Hornisse wird zunehmend zur Plage - vor allem für deutsche Imker und Obstbauern. Hornissenexpertin Jutta Kalff erklärt im Interview mit LokalDirekt, wie man die Insekten erkennt und zeigt, wie die Nester von der Fachfrau entfernt werden.

Jutta Kalff beschäftigt sich seit Jahren mit der Asiatischen Hornisse, der Vespa Velutina. Die Ausbreitung des Insekts ist kaum noch zu stoppen, mit verheerenden Auswirkungen auf die heimische Insekten- und Pflanzenwelt. Aktuell entfernt sie täglich bis zu sieben Nester - und das an sieben Tagen in der Woche. Bei betroffenen Imkern in Halver und Schalksmühle war sie jüngst im Einsatz, um aufgespürte Nester zu beseitigen. Wir haben sie zum Interview getroffen uns sie bei der Entfernung eines Nests begleitet.

Die Vespa Valutina ist deutlich an ihrer dunklen Farbe und den gelben Beinen zu erkennen.
Foto: Jutta Kalff / Privat

LokalDirekt: Was macht die Asiatische Hornisse so gefährlich?

Jutta Kalf: "Das Hauptproblem ist, dass die Asiatische Hornisse hier, im Gegensatz denen in ihrem Heimatgebiet, keine natürlichen Feinde hat. Der einzige Fressfeind in Europa ist der Wespenbussard, der in Asien ganze Nester leer frisst. In Deutschland gibt es zwar auch Wespenbussarde, aber diese Zugvögel wandern gerade jetzt, wo es wichtig ist, die Nester zu vernichten, nach Süden. Daher muss der Mensch hier der natürliche Feind werden."

Wovon ernähren sich die Hornissen?

Die Hornissen selbst sind Vegetarier. Aber das Problem ist, dass sie ihre Larven mit Proteinen füttern müssen. In den Larvenmägen wurden Spuren von 1449 Tierarten gefunden. Darunter Honigbienen, alle Wildbienen- und Fliegenarten, Käfer und Spinnen. Damit vernichten sie alle potenziellen Bestäuberinsekten in Europa. Außerdem wurden bei den Untersuchungen sogar Spuren von Vogelbabys und Eichhörnchenjungen gefunden.

Wie kam die Hornisse nach Europa?

Zur Geschichte ihrer Einwanderung nach Europa ist bekannt, dass im Jahr 2002 oder 2003 eine begattete Königin im Winterschlaf in einem Bonsaikeramikkarton per Schiff von China nach Bordeaux gekommen sein soll.

Der Bonsaizüchter, der die Lieferung erhalten hat, hat dann 2004 die ersten beiden Nester der asiatischen Hornisse entdeckt. Er hat versucht, sie mit einer Schrotflinte abzuschießen, konnte aber ihre Ausbreitung schon nicht mehr vermeiden.

Was passiert aktuell bei den asiatischen Hornissen?

Der Brutzyklus der asiatischen Hornisse endet zwischen November und Dezember. Die Jungköniginnen, und das können bis zu 450 Stück sein, schlüpfen im sogenannten Sekundärnest, das meist sehr hoch in den Bäumen hängt. Sie werden von den Arbeiterinnen zwei bis drei Wochen fettgefüttert, dann ziehen sie aus und gehen auf Begattungsflug. War dieser erfolgreich, suchen sie sich ihren Winterplatz. Dafür bevorzugen sie verdeckte Orte wie Totholzstapel; Polsterauflagenboxen im Garten werden auch gern genommen. Auf jeden Fall überwintern sie immer in Erdnähe und immer in der Nähe des alten Nestes.

Wie geht es im nächsten Jahr weiter?

Nach der Winterruhe Ende März bis Anfang April, wenn die Temperaturen bei circa zehn Grad konstant bleiben, fliegen die Königinnen wieder aus, denn das angefressene Fett ist verbraucht. Als reine Vegetarier suchen sie nun Baumsäfte und Nektar und gründen ihr eigenes Primärnest.

Von den rund 450 Königinnen, die das Sekundärnest verlassen haben, schafft es im Schnitt ein Zehntel in die Reproduktion zu gehen und damit ein Primärnest zu gründen. Das heißt, aus einem Sekundärnest können sich innerhalb eines Jahres 45 neue Völker entwickeln. Im folgenden Jahr also 45 mal 45 neue Nester. Da sind wir schon bei 2025 Völkern, die wieder im nächsten Jahr mit 45 multipliziert werden. Dann hätten sich innerhalb von zwei Jahren schon 91.125 Nester gebildet.

Allein aus diesen Zahlen erschließt sich, wie wichtig die Bekämpfung der Vespa Velutina ist.

Wo finden sich die Nester?

Dieses neue Primärnest baut die Königin dann gern in der Nähe von Menschen. Bevorzugt werden Fahrradschuppen, Carports, Kinderspielhäuser, Polsterauflagenboxen, Komposter, Grillabdeckungen, Überstände von Dächern, Kellereingänge und umgedrehte Blumentöpfe. Hier sollte jeder, der nach dem Winter den Garten wieder nutzen will, aufmerksam sein.

In diesen Primärnestern leben bis zu 500 Tiere, die, wenn der Platz zu eng wird, gemeinsam umziehen. Dazu suchen sie sich in der Regel einen nahestehenden Baum oder Dachgiebel und gründen dort ihr Sekundärnest. Dieses Sekundärnest wächst nach und nach auf 3000 Tiere an, die dann wieder 450 Königinnen heranziehen, und der Kreislauf beginnt von vorn.

Was macht den Unterschied zur Europäischen Hornisse aus?

Im Nest der Europäischen Hornisse befinden sich nur rund 500 Tiere, die jährlich maximal zehn Königinnen reproduzieren. Also nur ein Zehntel der asiatischen Art.

Was bedeutet das für die Imker?

Die Imker sind die ersten, die das Problem sehen, denn die Honigbienen sind im Herbst das Kanonenfutter der Vespa Velutina. Es ist für sie frustrierend, zusehen zu müssen, wie die Hornissen ganze Völker vernichten. Auch wenn durch engmaschige Gitter vor den Stöcken das Eindringen der Hornissen in die Zargen verhindert werden kann, fangen die Räuber ein- und ausfliegende Bienen geschickt vor dem Stock aus der Luft.

Zu welchen Kettenreaktionen kann das führen?

In Deutschland wird die Honigproduktion zu 95 Prozent durch Hobbyimker gedeckt. Wenn diese durch das zunehmende Problem aufgeben, fallen diese Bienen nicht nur als Honiglieferanten, sondern vor allem auch als Bestäuber aus.

Da die Hornisse auch Käfer, Schmetterlinge und Nachtfalter vernichtet, fallen auch diese als Bestäuber aus. Es ist eine einfache Rechnung, ab wann wir dann Probleme mit der Obst- und Gemüseproduktion haben werden.

Dazu kommt, dass diese fehlenden Insekten ja auch als Nahrungsmittel für heimische Vogelarten dienen. Wenn diese kein Futter mehr finden, geht auch deren Population zurück.

In Galizien, wo die Hornisse 2010 erstmalig aufgetaucht ist, sind diese Prognosen schon Fakt.

Welche gesetzliche Regelung gibt es?

Bis ins Jahr 2022 fiel die Vespa Velutina unter den Paragraphen 16 (invasive Art), der das Ziel der totalen Ausrottung hat. Dieses Ziel wurde aber nicht erreicht. Ganz pragmatisch erfolgte daher 2025 eine Umstufung auf den Paragrafen 19, der nur noch das Ziel der systematischen Bekämpfung hat. Es wurde quasi aufgegeben, sie auszurotten.

Zwar wird weiterhin gefordert, dass über eine Dokumentation der gesichteten Tiere und Nester die Ausbreitung beobachtet und alle Maßnahmen zur Regulierung und Information der Bevölkerung getroffen werden sollen. Mehr passiert von öffentlicher Seite aus aber nicht.  

Knackpunkt dieser Änderung ist, dass vor der Umstufung die unteren Naturschutzbehörden für die Kosten der Beseitigung von Nestern aufkamen. Jetzt zahlt jeder selbst, auf dessen Grundstück ein Volk gefunden wird. Als Resultat könnten nun auch keine Sichtungsmeldungen mehr erfolgen, wenn die Melder Angst haben, dann für die Kosten deren Entfernung herangezogen zu werden.

Fazit - Meldung einer Sichtung ist die einzige Chance, die Anzahl der Hornissen einzudämmen?

Die einzige Chance, die es aktuell zur Bekämpfung der invasiven Art gibt, ist die Vernichtung der Nester. Deshalb ist es umso wichtiger, dass jeder, der ein solches Nest entdeckt, dieses auch beim Lanuk (Landesamt für Natur, Umwelt und Klima) meldet.

Geschieht das nicht, wird sich die Population der Hornissen in rasender Geschwindigkeit vermehren und verheerende Auswirkungen auf die heimische Insektenwelt und damit auch die Landwirtschaft haben.

Bedauerlicherweise gibt es bezüglich der Meldung von Sichtungen zu viele Falschinformationen im Internet darüber, wo man eine Sichtung melden solle. Viele glauben, dass sie beim Nabu (Naturschutzbund) an der richtigen Stelle wären. Der sammelt die Informationen auch, gibt sie aber nicht an das Neobiota Portal vom Lanuk, welches die korrekte Adresse wäre, weiter.

Informationen:

Lateinischer Name:
Vespa Crabro (Europäische Hornisse), Vespa Velutina (Asiatische Hornisse)

Aussehen:
Die asiatische Hornisse ist, im Gegensatz zur heimischen, europäischen Art ein bisschen kleiner, dunkler, hat eine schwarze Brust und einen dunkleren Hinterleib mit gelber Binde. Besonders auffällig sind ihre gelb/schwarz gestreiften Beine.

Nestbau:
Das Nest der Vespa Velutina ist deutlich robuster gebaut als das der Vespa Crabro. Die äußere Hülle ist so dicht, dass sie gegen Regen, Hagel und lange Sonneneinstrahlung perfekt geschützt ist. Daher sind sie nicht wie die Europäische Hornisse auf geschützte Stellen für ihre Nester angewiesen.

Zu Jutta Kalff
Die Hobbyimkerin ist seit 2024 von der Asiatischen Hornisse betroffen. Sie ist Mitglied und Administratorin der Whatappgruppe "Velutina Army", die inzwischen nicht nur deutschlandweit, sondern auch international agiert.

In gut vernetzter Gemeinschaft versucht die Gruppe, gegen die Vespa Velutina vorzugehen. Beitrittsanfragen können über die Homepage www.velutina-army.de oder direkt an [email protected] gestellt werden.

Was unternimmt der Märkische Kreis?
Pressesprecher Alexander Bange antwortete per Mail auf die Anfrage von LokalDirekt: „Die eingewanderte Asiatische Hornisse (Vespa Velutina) ist nicht mehr meldepflichtig. Sie gilt in Deutschland als „etabliert“. Das bedeutet, dass eine behördlich koordinierte Beseitigungspflicht nicht mehr besteht. Meldungen bei der Unteren Naturschutzbehörde werden aber noch zu Dokumentationszwecken erfasst.“

Explizit heißt es dort weiter: „Es entfällt somit die Beseitigungspflicht der Nester für die Unteren Naturschutzbehörden in Nordrhein-Westfalen aus Gründen der Gesundheitsvorsorge oder zur Abwendung von wirtschaftlichen Schäden.“

In seiner Antwort bestätigt er auch, dass sich die Asiatische Hornisse seit 2022 in NRW rasant ausgebreitet hat.