Die Diskussion um einen Dringlichkeitsentscheid im Falle des illegal entsorgten Bauschutts am Herpiner Weg ist um eine Begründung reicher: Schadensersatzforderungen. Was bislang zwar schon vermutet, bislang aber nie seitens der Stadtverwaltung auf Anfrage bestätigt oder selbst angebracht wurde, lieferte nun Kreisdirektorin Barbara Dienstel-Kümper in einem schriftlichen Antwortschreiben an CDU-Ratsfrau Martina Hesse.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten in Halver hatte am 6. Oktober, zwei Tage nach der Akteneinsicht im Rathaus durch die Lokalpolitiker, eine Anfrage per E-Mail an Landrat Marco Voge gerichtet. Darin bat sie um eine „kommunalaufsichtsrechtliche Prüfung“ zur „Auskunftspflicht des Bürgermeisters und [zum] Auskunftsrecht von Ratsmitgliedern“. Wie berichtet, hatte Michael Brosch angekündigt, bis zur Sonderratssitzung keine weiteren Anfragen mehr beantworten zu wollen – LokalDirekt berichtete.
In der E-Mail heißt es: „Für die CDU-Fraktion im Stadtrat der Stadt Halver habe ich am 27.09.2023 eine Anfrage per Email an den Bürgermeister Michael Brosch gestellt. Es ging dabei um die Klärung der Rechtmäßigkeit eines Dringlichkeitsbeschlusses vom 13.09.2023 (Finanzierung Entsorgung Teeraufbruch Herpiner Weg).“
Kreisdirektorin Barbara Dienstel-Kümper kommt im Namen der Kommunalaufsicht in einem Antwortschreiben am Freitag, 13. Oktober, zu dem Schluss: „Die Bewertung über das Vorliegen einer dringlichen Situation ist unter Berücksichtigung der Informationslage der Verwaltung zum Zeitpunkt der Dringlichkeitsentscheidung im Ergebnis vertretbar und daher nicht kommunalaufsichtsrechtlich zu beanstanden.“ Und weiter: „Der streitbefangene Abfalllagerplatz ist […] grundsätzlich genehmigungspflichtig; eine solche Genehmigung liegt nicht vor. Somit wird gegen geltendes Recht verstoßen, unbeachtlich der Frage, ob eine Verunreinigung des Untergrunds bzw. des Grundwassers zu besorgen ist. Die Lagerung des belasteten Materials aus dem Straßenaufbruch stellt somit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, die bei einer Rechtsverletzung einschlägig ist.“ Durch das Handeln der Stadt sei, so Dienstel-Kümper, nicht nur ein ordnungsbehördliches Verfahren durch den Märkischen Kreis vermieden, „sondern auch möglichen Schadensersatzforderungen wirksam vorgebeugt“ worden.
„Schadenersatzforderungen“ – eine Begründung für den Dringlichkeitsentscheid, die bisher öffentlich vermieden und seitens der Stadt so nicht erwähnt wurde. Bislang führte die Verwaltung eine nicht existente Anordnung des Kreises als Grund für den eilig zu fassenden Beschluss in Höhe von 103.000 Euro an. Von einer möglichen Schadenersatzforderung des Unternehmens Lidl war spätestens seit der teilweisen Einbringung in den Boden und der Abfuhr auf ein benachbartes Grundstück am 9. August nicht mehr auszugehen.
Und dort, auf dem Grundstück des ehemaligen Unternehmens Jung, Boucke, lagern die vielen Tonnen Teeraufbruch noch immer – LokalDirekt berichtete. Die Frage nach der Dringlichkeit dürfte vor diesem Hintergrund, anders als es die Kreisdirektorin anführt, noch immer nicht abschließend geklärt sein. Mehr Klarheit erhoffen sich Öffentlichkeit und Politik von der Sonderratssitzung am kommenden Montag um 17 Uhr in der Aula der Humboldtschule.