Die Aula der Grundschule war am Mittwochabend voller als erwartet. Bürgerinnen und Bürger waren gekommen, um sich über die ersten Ergebnisse der kommunalen Wärmeplanung zu informieren – dem Projekt, das Nachrodt-Wiblingwerde bis 2045 zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung führen soll. Interesse, Nachfragen und vor allem der Wille, den eigenen Ort aktiv auf diesem Weg zu begleiten, prägten die Veranstaltung.

Als Referent war Frederic Schlotfeldt angereist, Projektleiter beim Hamburg Institut. Sein Team entwickelt seit Mitte des Jahres für die Gemeinde das Wärmeplanungskonzept, das künftig als Leitfaden für politische Entscheidungen und Investitionen dienen soll - aber auch den Bürgern mögliche Potenziale für die weitere Planung geben soll. Der Abend markierte den offiziellen Zwischenstand: Ist-Analyse und Potenzialanalyse – die ersten beiden Bausteine der vierstufigen Wärmeplanung – sind abgeschlossen.

Die Bestandsdaten zeigen ein deutliches Bild: Rund 84 Prozent der Haushalte heizen mit Erdgas. Auch die Industrie im Ort setzt überwiegend auf Gas – teilweise in beträchtlichen Mengen. Ermittelt wurden die Daten durch Informationen der Netzbetreiber und der Schornsteinfegerinnung. Insgesamt liegt der jährliche Wärmebedarf der Gemeinde bei etwa 150 GWh – davon 91 GWh Prozesswärme in Betrieben, 59 GWh für Raumwärme und Warmwasser.

Vor allem der Norden Nachrodts weist eine hohe Wärmedichte auf, etwa in dicht bebauten Bereichen oder an Standorten energieintensiver Unternehmen. „Hohe Wärmedichten sind ein echter Indikator für eine potenzielle Wärmenetz-Eignung“, erklärte Schlotfeldt. Einige Gebiete kämen dafür grundsätzlich infrage – auch wenn sie heute noch fast vollständig mit Gas versorgt werden. Ein kleines Wärmenetz gibt es bereits: in der Werkssiedlung Langenstück.

Die Potenzialanalyse untersucht, welche erneuerbaren Energiequellen künftig die Wärmeversorgung tragen könnten. Erste Ideen reichen von industrieller Abwärme und Solarthermie über Abwasserwärme bis hin zu Flusswärmepotenzialen.

  • Industrieabwärme: Etwa 2 GWh könnten jährlich beispielsweise aus den Walzwerken und Anlagen von AGN zurückgewonnen werden.
  • Solarthermie: Freiflächenanlagen wären möglich, liefern jedoch im Winter – wenn der Bedarf hoch ist – wenig Energie.
  • Abwasserwärme: In ausreichend dimensionierten Kanälen lässt sich ganzjährig Wärme nutzen. Geeignete Standorte gibt es unter anderem in Nachrodt und im Bereich Niggenhuser Hof.
  • Biomasse: Kann ergänzen, sollte wegen begrenzter Ressourcen jedoch nur punktuell eingesetzt werden.
  • Lennewasser: Besonders spannend ist laut Schlotfeldt die Nutzung mittels Großwärmepumpen. Theoretisch liege das Potenzial bei 378 GWh pro Jahr. Doch Temperatur- und Mengenschwankungen des Flusses sowie rechtliche Vorgaben erschweren die Umsetzung. „Hier müsste der Bund neue Regeln schaffen“, betonte Bürgermeisterin Birgit Tupat.
  • Tiefe Geothermie: Der Vorteil liegt bei ganzjährig hohen Temperaturen. Ab etwa zehn Metern Tiefe spiele die Außentemperatur praktisch keine Rolle mehr. Und die Tiefe Geothermie liegt unter 400 Metern im Erdreich. Der Nachteil liege klar in den hohen Investitionskosten und im Fündigkeitsrisiko. Derzeit gebe es zu wenig Erkenntnisse über das Erdreich, erst nach der Erhebung entsprechender Daten könne zu dem Potenzial etwas gesagt werden.

Wichtig für die Wärmewende sei die Sanierung von Gebäuden. Allein dadurch könne der Wärmebedarf in Nachrodt-Wiblingwerde um acht Prozent gesenkt werden. Nahezu das gesamte Gemeindegebiet ist zudem über dezentrale Lösungen wie Umgebungsluft Wärmepumpen versorgbar. Dafür sei jedoch der Ausbau des Stromnetzes erforderlich.

Viele Interessierte kamen zur Bürgerveranstaltung in der Aula.
Foto: Machelett

Planung für die Zukunft – ohne Zwang für Haushalte

Gleich zu Beginn stellte Schlotfeldt klar: Die Wärmeplanung verpflichtet niemanden dazu, funktionierende Heizungen auszubauen oder kurzfristig umzurüsten. Bestandsschutz gilt. Ziel sei es vielmehr, der Gemeinde Orientierung zu geben: Wo lohnt ein Wärmenetz? Wo sind individuelle Lösungen wie Wärmepumpen sinnvoll? Welche Fördermittel können gesichert werden?

Bürgermeisterin Tupat hob hervor, dass die Wärmewende nur gelingen könne, wenn alle Akteure – Politik, Fachleute, Unternehmen, Bürger – frühzeitig eingebunden seien: „Mit der Wärmeplanung schaffen wir die Grundlage, fossile Energien schrittweise durch erneuerbare zu ersetzen.“

Aus Ist-Analyse und Potenzialanalyse entsteht ab Dezember das sogenannte Zielszenario: Es zeigt, welche Optionen die Gemeinde mit Blick auf 2045 realistisch verfolgen kann. Anschließend wird daraus die Strategie entwickelt – ein Maßnahmenkatalog, der konkrete Schritte zur Umsetzung der Wärmewende vorgibt.

Im Frühjahr 2026 soll eine zweite Bürgerversammlung stattfinden, in der die finalen Ergebnisse präsentiert werden. Der Plan selbst wird danach regelmäßig fortgeschrieben und bildet die Basis für zukünftige Entscheidungen im Bereich der Wärmeversorgung.