Der Hinweis auf dem Brett in Pfeilform ist klar: hinterm rot-weißen Flatterband herrscht Helmpflicht. Sicherheit ist oberstes Gebot auf der Kuppe zwischen Hälver- und Volmetal. Hier, zwischen den Sprengeln Berge und Schmidtsiepen, nahe der Hochspannungsleitung, wird gesägt und gehämmert. Mit Ferienbeginn wurde der Fichtenwald zur Baustelle. 28 junge Leute bauen seit 14. Juli beim Feriencamp des CVJM-Kreisverbandes ein Baumhaus. Am Donnerstag, 24. Juli, ist Besuchertag. Dann soll auch das Dach drauf sein.
Steffi Wohlrath aus dem Betreuerteam freut sich schon auf die „strahlenden Kinderaugen“, wenn sie den Eltern ihr Werk präsentieren können, womöglich schon eine Nacht auf den Plattformen in fünf und sieben Metern Höhe geschlafen haben – dem Himmel ganz nah. Vorher galt es, die Plane, die vor Regen schützen soll, oben in den Fichtenkronen zu fixieren. Einige zerren an dem Plastikgewebe, in das immer wieder der Wind fegt, andere werkeln noch an der Treppe. „Die Kür“, schmunzelt Fabian Kißing aus dem Leitungsteam als wir die Stufen runtergehen: „Immer gleicher Abstand“, meint er stolz. „Nach deutscher Treppennorm“, tönt es aus dem Hintergrund.
Wer hier arbeitet trägt Schutzkleidung, Helm, Sicherungsgurt. Es sieht aus wie auf einer professionellen Baustelle oder in einem alpinen Camp. Neben der Fichtengruppe, die mit Flatterband gesichert ist, liegt ein 20 Meter langes Maßband am Boden. Hier können schnell und praktikabel Seile auf Länge angeschnitten werden. Im Zelt nebenan lagert Ausrüstung: Karabinerhaken, Rollen, Seilsicherungen, Flaschenzüge. Alles aus dem Fundus des CVJM.
Bachelor-Arbeit beruhigt: Knoten halten sieben Tonnen aus
Seit 2014 bietet der Verband die Baumhaus-Camps an. Mal wurde das Lager in Kierspe aufgeschlagen, mal in Lüdenscheid. Etwa zwei Dutzend Kinder und Jugendliche zwischen zwölf und 18 Jahren nehmen jeweils teil. Die Baumhäuser variieren. Bauingenieure aus dem Betreuer-Team sorgen für die Statik. „Einer hat eine Bachelor-Arbeit über die Knoten geschrieben“, erzählt Fabian Kißing. „Die halten sieben Tonnen Belastung aus“. – Das beruhigt, wenn man die Leiter zur Plattform hochsteigt.
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„Jeder bringt sich ein und zusammen entsteht etwas Großes“, schildert Steffi Wohlrath, die als Sozialarbeiterin tätig ist, das Konzept. Erlebnispädagogische Aspekte sprechen für das Baumhaus-Camp. Naturverständnis, Teamwork, Sozialkompetenz, Arbeitssicherheit, handwerkliche Fähigkeiten kommen zum Tragen. „Für jeden wird sein Beitrag greifbar“, weist Fabian Kißing auf „das Erlebnis der Selbstwirksamkeit hin“. Zudem werden klassische Rollenbilder aufgelöst. Gerade Mädchen erledigten „handwerkliche Sachen, die sie sich vorher nicht zugetraut haben“, freut sich Steffi Wohlrath über das Engagement in der Gruppe. Zwischendurch gibt es Workshops, Spiele oder sportliche Angebote wie Frisby. Eine Gruppe fährt zum Klettern ins Hülloch nach Kierspe, eine wandert zum Schwimmen in der Herpine.
Das Konzept kommt an. „Ganz gut“, findet Julian (12) das Programm. Er hat gelernt „viele Knoten zu binden“ und will auch im Baumhaus schlafen. „Wenn man das mitgebaut hat, muss man es auch ausprobieren“, meint er und freut sich danach zuhause auf „eine warme Dusche und mein Bett“.
Dem Himmel nah: Baumhaus-Camp eröffnet Zugang zum Glauben
Michele (18) war erst skeptisch und wollte „testen, ob es was für mich ist.“ Inzwischen ist es ihr drittes Baumhaus-Camp. Neben der Art Knoten zu binden hat sie auch ihren „Glauben an Jesus gefunden. Das war vorher nicht mein Fall“, zieht sie eine rundum positive Bilanz. Früher als Teilnehmerin ist Nele (18) inzwischen als Betreuerin im Baumhaus-Camp dabei. Sie war „immer schon gerne zelten“, kletterte auch. Jetzt den Teilnehmern etwas beibringen zu können, findet sie cool.
Mit dem Baumhaus-Bau geht „für viele ein Kindheitstraum“ in Erfüllung, ist Steffi Wohlrath überzeugt. Lust und Erfolg einerseits und Frust liegen dicht beieinander. Wenn die Teilnehmer in luftiger Höhe campiert haben, müssen sie Abschied nehmen – von der Gruppe und dem Baumhaus. Das wird zurückgebaut. Balken und Bretter werden eingelagert fürs nächste Jahr. Nachhaltigkeit gehört zum Konzept des CVJM-Camps. Auch deswegen haben die Organisatoren offenbar kein Problem, Waldbesitzer zu finden, die jungen Leuten die Natur zu erleben oder ihren Kindheitstraum zu erfüllen.