Wendehals, Überläufer, karriereorientierter Parteiwechsel – die ersten Reaktionen auf die Bürgermeisterkandidatur von Sascha Gerhardt für die CDU in Halver waren nicht durchgängig positiv. Der erst vor Kurzem vollzogene Wechsel von der FDP zu den Christdemokraten hat bei einigen Bürgern einen Beigeschmack hinterlassen.
Im Rahmen eines von der CDU Halver anberaumten Pressegesprächs am Mittwoch, 26. März, im Tortenatelier „Sa Mesa“ in Halver bat LokalDirekt den Bürgermeisterkandidaten daher, zu der Kritik Stellung zu nehmen. Die Antworten darauf erscheinen in Form eines Interviews im Wortlaut.
LD: Herr Gerhardt, eine Reaktion auf Ihre Kandidatur lautete „karriereorientierter Parteiwechsel“. Was entgegnen Sie?
Gerhardt: „Wir hatten ja im Vorfeld schon mal erklärt, dass die Motivation, weiterhin Lokalpolitik zu betreiben, bei mir sehr groß war. Es war für mich völlig klar, dass ich weiter im politischen Geschehen der Stadt wirken will und für die Stadt tätig sein will. Allerdings waren die Rahmenbedingungen, die ich dann eben in der FDP, hier vor Ort gefunden habe, sehr problematisch. Das hat sich in den letzten Monaten dann herausgestellt. Man wird dann möglicherweise zu einem Einzelspieler und das ist in der Politik so nicht durchzuhalten. Ich bin sowieso jemand, der gern im Team arbeitet und im Team Entscheidungen trifft und entwickelt. Zu wissen, dass diejenigen, mit denen man über viele Jahre gemeinsam Politik gestaltet hat, möglicherweise ganz ausscheiden und sich keine weiteren Perspektiven bieten, war die erste Grundlage für meinen Wechsel. Ich musste mich damit beschäftigen, wie es weitergehen kann. Und die FDP hat gemeinsam mit der CDU jahrelang vertraut zusammengearbeitet. Es gab immer eine Vertrauensbasis. Vor dem Hintergrund haben sich Gespräche dann so entwickelt, dass die Überzeugung, weiter Politik machen zu wollen und können, der ausschlaggebende Punkt war, in die CDU zu wechseln. Die Anfrage der CDU, mich als Bürgermeisterkandidat aufstellen zu lassen, kam erst später und erst nach vollzogenem Wechsel.“
In eine ähnliche Richtung geht eine weitere Meinung, die unsere Redaktion auf den Artikel von Montagabend erreichte: „Er verlässt das sinkende Schiff und springt aufs nächste Rettungsboot, um sich selbst zu verwirklichen.“
„Die Überlegungen eines Parteiwechsels sind nicht entstanden am Sonntag mit der Auszählung im Wahllokal. So laufen die Dinge nicht. Sondern das sind abgestimmte Prozesse, auch innerhalb der eigenen Partei. Das sind ja nicht nur Parteifreunde, sondern das sind ja auch echte Freunde, mit denen ich über viele Jahre ein wachsendes Vertrauensverhältnis aufgebaut habe. Und selbstverständlich erklärt man denen nicht am Sonntag der Wahl: Es ist schlecht gelaufen, ich bin weg. Sondern es hat über lange Zeit eine entsprechende Kommunikation stattgefunden. Darüber hinaus braucht es auch satzungsrechtlich eine gewisse Vorbereitung so eine Sitzung durchzuführen.“
Das heißt Sie sind auch kein – auch hier wieder ein Zitat aus einem Kommentar – „Wendehals“?
„Ich habe einen guten politischen Kompass und eine Orientierung, die es einfach nicht zulässt, dass ich auf einmal entgegen meiner eigenen Überzeugung agiere. Und insofern war es natürlich klar, dass es eine Partei sein müsste, mit der ich kommunalpolitisch weiteragieren kann, die auch meine Überzeugung im Grundsatz trägt. Ich kam ja mal aus der CDU und es hatte keine fundamentalen Gründe, warum ich die CDU verlassen hatte. Sondern das hatte ganz konkrete ortsbezogene Ursachen. Und dann bin ich in die mir ebenfalls nahestehende liberale Partei gewechselt, weil ich von der Struktur her eben liberal-konservativ aufgestellt bin. Und das hat sich ja nicht geändert. Die politische Orientierung habe ich in keiner Weise verändert. Ich bin immer noch der gleiche Mensch, der ich auch vorher war.“
Noch eine Meinung war, dass Sie in Halver weder beruflich noch in Ihrer Freizeit verwurzelt sind – Stichwort Vereine.
„Aber ich mache seit 17 Jahren Kommunalpolitik und hatte schon das Gefühl, dass das was mit dieser Stadt zu tun hat. In der Vereinslandschaft verhalte ich mich total neutral und ich schätze es einfach wert, dass hier eine sehr, sehr wichtige Aufgabe für die Stadt geleistet wird. Tatsächlich aber bin ich nicht Mitglied eines Vereins in Halver. Das sehe ich aber nicht als Manko, sondern als Neutralität. Ich denke, für einen Bürgermeister ist es gut, wenn er nicht partikular Interessen vertritt, sondern die Interessen aller am öffentlichen Leben beteiligten Vereine berücksichtigen kann.“
Interview Ende.

Es ist ein bisschen das Henne-Ei-Prinzip, das Bürger als Reaktion auf die Kandidatur Sascha Gerhardts umtreibt. Am Mittwochmorgen aber betonte auch Martina Hesse einmal mehr, dass es „ein hartes Stück Arbeit war, ihn in die CDU zu holen“. Und es habe noch mehr Überzeugung gekostet, ihn zum Bürgermeisterkandidaten zu machen. Nach diesen Anstrengungen aber steht nun das Wahlkampf-Team der Christdemokraten und hat die kommenden Monate fest im Blick. Am 14. Mai, sagte Ortsverbands-Vorsitzender Andreas Wolter, gehe es richtig los. Dann komme Thorsten Schick, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, nach Halver und setze den Startschuss für die CDU-Kampagne „Die Menschen im Blick – Halver im Herzen“, mit der Sascha Gerhardt punkten möchte.
Der Wahlkampf soll bürgernah werden. „Wir müssen ins Gespräch kommen. Ich möchte Fragen beantworten und im Gespräch mit Inhalten überzeugen“, gibt Gerhardt die Marschroute vor. Dazu zähle auch der Haustürwahlkampf. „Arbeit auf Augenhöhe“, bescheinigten Gerhardt am Mittwochmorgen seine Parteikollegen: Er besitze „ganz besonderen Elan“ und betrachte Dinge auch schon mal aus anderen Sichtachsen. Zudem besitze Gerhardt ein hohes Maß an Führungskompetenz. Er sei der „Kandidat des frischen Windes“, sagen sie über ihn.
Seine Führungskompetenzen in verschiedenen Facetten bezeichnete auch Gerhardt als „sehr hilfreich“ für eventuelle zukünftige Aufgaben. Man müsse als Bürgermeister Organisationsinteressen und Mitarbeiterbelange übereinbringen, um effektiv agieren zu können. Er verstehe sich auf Mitarbeitermotivation, das bekomme er auch in seinem Beruf als Polizeibeamter in Führungsposition gespiegelt. Als Bürgermeister müsse er aber nicht nur Bürger und Verwaltung unter einen Hut bekommen. Dritter Mitspieler sei die Politik, „und da kenne ich mich aus.“ Es brauche „viel Verständnis für die Belange anderer“, ist sich Gerhardt sicher.
Thematisch möchte Gerhardt unter anderem finanz- und wirtschaftspolitisch punkten. Die derzeitige „disruptive Situation in der Wirtschaft“, benötige Entwicklungsspielräume für Unternehmen in Halver. In der Vergangenheit seien keine „hinreichenden wirtschaftlichen Beschlüsse“ gefasst worden. In diesem Zusammenhang weist Gerhardt auf die Ausweisung eines ökologischen Gewerbegebiets an geeigneter Stelle hin: „Wenn wir hier nicht im Einklang mit der Natur Gewerbe etablieren, dann passiert das an anderer Stelle auf der Welt unter unterirdischen Bedingungen.“ Es benötige wirtschaftliche Entwicklung vor Ort. „Wenn wir das nicht tun, gehen die Dinge an uns vorbei.“ Er sehe die Stadt nicht als Gegner, sondern als Verwirklicher von Chancen. Es gelte, Potenziale zu entdecken.
Chancen für Halver rechnet sich Sascha Gerhardt zudem bei der Vermarktung Halvers nach außen aus. „Wir haben hier so viel Potenzial und so viele tolle Orte. Das müssen wir nutzen“. Die Entwicklung von Tourismusstrategien gehöre nicht in die Hand des Märkischen Kreises, sondern nach Halver. Involvieren wolle er an dieser Stelle unbedingt die Vereine. Die müssen wir stärken und unterstützen. „Die Bevölkerung ist hier der Gradmesser für die Ideen.“
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