Regen: Nicht in Sicht. Die Böden: In der Tiefe ausgetrocknet. „Wir können bei diesen Verhältnissen auch durchaus im Oktober noch zu einem Waldbrand ausrücken“, sagt Jörg Weber, Abteilungsleiter Vorbeugender Brandschutz bei der Feuerwehr Lüdenscheid. Es braucht Regen, ausreichend Regen, damit die ausgedörrten Flächen widerstandsfähig gegen feuerentfachende Einwirkungen werden – Zigaretten zum Beispiel, die achtlos „mal eben“ aus dem fahrenden Auto geschnipst werden. Oder der heiß gelaufene Katalysator eines Autos auf einer trockenen, leicht entzündlichen Fläche.
Zweieinhalb Wochen liegt der Waldbrand in Oedenthal nun zurück. Der kräftezehrende Einsatz am Steilhang auf einer Fichten-Kahlschlagfläche war der bislang umfangreichste dieser Art – „ganz bestimmt in den vergangenen zehn Jahren“, weiß Weber. Rund 40.000 Quadratmeter Fläche – das sind fast sechs Fußballfelder – standen am 14. August in Flammen, erst am Abend des 15. August galt der Flächenbrand als gelöscht. Insgesamt 500 Einsatzkräfte von Feuerwehr, THW und DRK waren stundenlang in Wechselschichten im Einsatz. Nachbarschaftshilfe – unter Rettungseinheiten eine Ehrensache. Neben nahezu allen verfügbaren Einheiten aus dem Märkischen Kreis kamen im Laufe der Löscharbeiten Kräfte aus Hagen, dem Oberbergischen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis zur Unterstützung ins Oedenthal.
„Es hatte sich ziemlich schnell herausgestellt, dass sich aufgrund der Steilhanglage, der schlechten Zugangslage des Geländes und der defizitären Wasserversorgung das Feuer zügig ausdehnen konnte. Auch aufgrund der dortigen Kahlschlagfläche. Hier findet das Feuer schnell Nahrung. Dazu kamen Winde, die das Feuer den Hang hinauf trieben“, erinnert sich Weber. Das Feuer wurde letztendlich von drei Seiten bekämpft, noch bevor es auf den bestehenden Hochwald übergreifen konnte.
Und nun? Aufatmen, weil der Sommer sich langsam verzieht und der Herbst in den Startlöchern steht? „Nein“, sagt Jörg Weber entschlossen. „Es hat viel zu wenig geregnet, als dass wir sagen können, die Waldbrandgefahr sei gebannt.“ Zwar gehe der Graslandfeuerindex aufgrund zunehmend feuchter Nächte derzeit nach unten, „aber die Erde ist in der Tiefe immer noch viel zu trocken.“ Das Problem: Die Kahlschlagflächen, auf denen trockenes Restholz liegt und in Bodennähe erste Gräser und Pflanzen nachwachsen, die wiederum vertrocknen. „Deshalb ist der Graslandfeuerindex für uns derzeit interessanter als der Waldbrandindex.“ Die Gefahr lauert sozusagen in der Tiefe. „Wenn ein Baum oder ein Baumstumpf anfängt zu brennen, frisst sich das Feuer über die Wurzeln in die Erde. Es brennt im Untergrund“, erklärt Weber die Tücke. Je humusreicher und torfreicher, desto gefräßiger sei das Feuer.
Waldbrand vs. Gebäudebrand – die Ausrüstung macht den Unterschied
Doch anstatt gen Himmel zu starren und auf Regen zu hoffen, bereiten sich die Feuerwehren so gut es geht auf Brandeinsätze im Wald oder auf Kahlschlagflächen vor. Das, betont Weber, tun sie aber nicht erst seit den trockenen Sommern der vergangenen Jahre. Die Waldbrand-Ausbildung bei der Feuerwehr ist obligatorisch. Trotzdem, die trockenen Sommer in Verbindung mit den leicht entzündlichen Kahlschlagflächen verlangen derzeit besondere Aufmerksamkeit bei den Einsatzeinheiten der Kreis-Kommunen.
Vorbereitet werden die Einsatzeinheiten in sogenannten Waldbrandtrainings. Der Verein „@fire“ hat sich auf die Waldbrandbekämpfung spezialisiert. Er gibt taktische Tipps zur Feuerbekämpfung und unterstützt hinsichtlich der technischen Ausstattung.
Werden die Wehrfrauen- und Männer zum Waldbrand-Einsatz gerufen, gibt schon die Alarmierungen Ausschluss über die Einsatzstärke, gemessen an der Größe der gemeldeten Schadfläche. „Derzeit alarmieren wir eher nach oben als nach unten, um schnellstmöglich Wasser und Personal heranzuführen.“ Vorweg fährt die Feuerwehr Lüdenscheid dann aber nicht mit einem großen Löschwagen, sondern mit einem Mehrzweckfahrzeug – der „kleinen Allzweckwaffe“. Weber: „Der hat sich im Waldbrand-Einsatz besonders bewährt.“
Die Rede ist von einem Nissan Navara – ein geländegängiger Pick-Up mit aufgesatteltem Waldbrandmodul. Zwar fasst das Fahrzeug „nur“ 400 Liter Wasser; Vorzüge bringe aber die Hochdruckeinrichtung, um mit wenig Wasser in den Waldboden eindringen zu können.
Der Nissan Navara – die „kleine Allzweckwaffe“ im Team
Was den Waldbrand so unberechenbar macht ist die nahezu unendliche Menge an brennbarem Material. Und Winde, die das Feuer vorantreiben und Funken weitertragen können. Wer bei 30 Grad im Schatten dann noch schwere Löschausrüstung die sauerländischen Steilhänge hinaufschleppen muss, erbringt Höchstleistungen. „Das ist unglaublich kräftezehrend“, weiß Jörg Weber. Aus diesem Grund wurde die Einsatzkleidung für Waldbrände optimiert und angepasst: „Die Kleidung ist leicht, die Löschmittel differenzierter.“ Extra angeschafft wurden darüber hinaus spezielle „Lösch-Rucksäcke“. Über die Spritzpumpe können die Wehrleute das Wasser mit Druck in die Erde bringen. Bei einem Waldbrand sind die Einsätze am Boden und zu Fuß unerlässlich.
Lösch-Rucksäcke – Wasser mit Druck unter die Erde bringen
Und die Brandbekämpfung aus der Luft mithilfe von Hubschraubern? „Ungünstig“, sagt Weber. Problem ist auch hier wieder der Zustand der derzeit völlig ausgetrockneten Kahlschlagflächen: „Das Wasser klatscht auf die Erde und fließt an den Steilhängen einfach runter, weil die Fläche kein Wasser aufnehmen kann.“ Genau aus dem Grund seien auch in Oedenthal keine Löschhubschrauber im Einsatz gewesen. „Es hätte nichts gebracht.“
Und wie sieht die Zukunft aus? „Die Fehler aus der Vergangenheit müssen bei der Aufforstung der Kalamitätsflächen wieder gut gemacht werden“, fordert Weber. Konkret bedeute das: Nicht mehr nur die gewinnbringende Fichte in Monokulturen anpflanzen sondern Mischwaldflächen; Waldbrandwege entsprechend ausbauen; künstlich angelegte Löschwasserteiche vorsehen – so wie es auch das in diesen Tagen vorgestellte Waldbrandkonzept NRW vorsieht.
Das Waldbrandkonzept NRW – ein Wegweiser?
Ehrenamt braucht Nachwuchs, das ist heute dringender denn je. Und auch die Feuerwehr in Lüdenscheid kämpft um jede neue Feuerwehrfrau und jeden Feuerwehrmann. Die Wache in Lüdenscheid ist eine Freiwillige Feuerwehr mit 200 freiwilligen und 115 hauptamtlichen Kräften, inklusive des Rettungsdienstes.
Nachwuchsrekrutierung – auch in Lüdenscheid ein Thema
Dieser Artikel ist im Rahmen einer Reportage-Reihe erschienen, die sich dem Thema „Waldbrand“ widmet. Bereits erschienen sind:
Oedenthal: Förster zeigt Epizentrum des Brandes
Neues Leben nach dem Feuer – so heilt der Patient Wald