Es sei ein Balanceakt auf Messers Schneide gewesen, einen selbstbestimmten Haushalt vorzulegen und nicht in den Nothaushalt abzurutschen, brachte Bürgermeister Uwe Schmalenbach am Montag, 15. Dezember, den Gemeindeetat für 2026 in den Rat ein. Es sei aufgrund fremdbestimmter Verpflichtungen „ein Haushalt, der die schwierige finanzielle Situation unserer Gemeinde offenlegt und aktuell leider keine Perspektiven aufzeigen kann“, ein Etat, der zeige, dass die Gemeinde von massiven externen Belastungen erdrückt werde. „Und dennoch versuchen wir, das Notwendige zu tun und die Gemeinde zukunftsfähig zu gestalten.“
Schmalenbach leitete ein, dass er vor Jahresfrist in seiner letzten Haushaltsrede gesagt habe, dass Herscheid in die schwerste Haushaltskrise der letzten Jahrzehnte gehe. „Jetzt sind wir mittendrin.“ 2026 werde ein entscheidendes Jahr für die Zukunft Herscheids; es werde sich entscheiden, ob die Gemeinde im Jahr 2027 im Nothaushalt sein werde. „2027 dürfte bei den aktuellen Rahmenbedingungen das Haushaltssicherungskonzept (HSK) platzen und uns ein Nothaushalt mit großer Wahrscheinlichkeit die Handlungsfähigkeit nehmen.“
Die Einnahmen der Gemeinden bei unveränderten Grund- und Gewerbesteuersätzen blieben mit positiver Tendenz konstant auf dem Ergebnisniveau von 2024. Was der Gemeinde den Hals breche, seien steigende Aufwendungen, wobei der Bürgermeister die Höhe der Kreisumlage einer intensiven Betrachtung unterzog und mit scharfer Kritik nicht sparte. Man erlebe einen „Umlageorkan“
Ein „Umlageorkan“ namens Kreisumlage
Der Bürgermeister wörtlich: „Ein besonders schwerer Brocken ist die Kreisumlage, die 2026 erneut dramatisch steigt. Der Märkische Kreis fordert 8,62 Mio. Euro (5.446.712 Euro allgemeine Kreisumlage, 3.178.026 Euro differenzierte Kreisumlage) - ein neuer Rekordwert. Das ist ein regelrechter Umlageorkan, der unsere Steuereinnahmen quasi wegfegt. Gegenüber 2025 steigt die Umlage nochmal um rd. 1,25 Mio. Euro!
Schauen Sie einmal in meine beiden letzten Haushaltsreden! Da habe ich Ihnen zum Haushalt 2023 5,7 Mio. Euro Kreisumlage angekündigt und beim Doppelhaushalt 24/25 6,92 Mio. Euro und 7,37 Mio. Euro. Jetzt sind es 8,62 Mio. Euro! Diese explodierende Zahllast kann nicht mehr aufgefangen werden.
Weder können unsere Einnahmen damit Schritt halten, noch können wir diese galoppierenden Ausgabesteigerungen durch Einsparungen an anderer Stelle kompensieren. Rechnet man die weiteren Umlageverpflichtungen hinzu, betragen die gesamten Transferauszahlungen 9,08 Mio. Euro. Das bedeutet,78 Prozent der Steuereinnahmen sind inzwischen ein durchlaufender Posten, oder anders: Von einem Euro bleiben uns gut 20 Cent! Diese Steigerung erfolgt in einer Phase, in der wir selbst kaum noch finanzielle Reserven haben."
Und weiter: „Der Märkische Kreis muss endlich beginnen, durch eine sparsame und wirtschaftliche Haushaltsführung jedes Einsparpotenzial zugunsten der Kommunen zu nutzen. Es reicht nicht, die steigenden Ausgaben den Kommunen Jahr für Jahr nur mitzuteilen. Vielmehr muss der Märkische Kreis eigene echte Sparanstrengungen unternehmen. Es ist schon lange überfällig, im Kreishaus ein Bewusstsein für Konsolidierungsnotwendigkeiten zu schaffen. Spricht man mit Mitarbeitenden dort, so scheint das noch nicht angekommen zu sein. Kreishauserweiterung und DAX-konzernwürdige Kantine vermitteln ja auch ein völlig anderes Bild. Ist man mal in anderen Kreishäusern zu Gast, so zeigt sich dort, dass man als Umlageverband durchaus bodenständig bleiben kann."
Der Bürgermeister deutete dann auf die größten Kostgänger hin: „Zu den großen Problemen unseres Kreises gehören natürlich in erster Linie die hochdefizitären Beteiligungen. Bei der MVG soll sich der ohnehin inzwischen riesige jährliche Zuschussbedarf von 30 Mio. Euro nach der aktuellen Planung sogar auf gigantische 50 Mio. Euro erhöhen. Solche Planungen darf ein Unternehmen meines Erachtens erst gar nicht vorlegen. Aber auch im übrigen Haushalt ließen sich Potenziale heben. Wir brauchen ein Umdenken. […] Mir fehlt es bislang häufig an der nötigen Entschlossenheit zu sparen und an Solidarität mit den Kommunen. Ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept des Kreises ist daher das Gebot der Stunde!“
Die Rolle von Bund und Land
Weder habe man es mit einem Einnahmeeinbruch zu tun noch mit einer übermäßigen Ausweitung der eigenen Ausgaben, analysierte der Bürgermeister. „Die Haushaltsansätze sehen lediglich Erhöhungen vor, die auf gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtung beruhen oder aus anderen Gründen unabweisbar waren.“
Das mache die strukturelle Unterfinanzierung der kommunalen Haushalte besonders deutlich. „Bund und Land unterstützen die Kommunen nach wie vor nicht ausreichend. Ständige Aufgabenübertragungen auf die Kommunen ohne auskömmliche Gegenfinanzierung sowie explodierende Kosten für Sozialleistungen, die allein von den Kommunen finanziert werden, sind die Auslöser dieser kommunalen Finanzkrise.“
In Notwendiges investieren
Dennoch solle trotz aller Schwierigkeiten in Notwendiges weiter investiert werden. Der Bürgermeister nannte explizit die Beschaffung von Ausrüstung und Fahrzeuge für die Feuerwehr und die Erweiterung und Ertüchtigung der Hauptfeuerwache an der Bahnhofstraße. „Diese Investitionen sind erforderlich, denn der Brandschutz ist eine Pflichtaufgabe – und die Anforderungen sind in den letzten Jahren erheblich gestiegen.“ Als weitere Investitionen nannte Schmalenbach Ausbau- und Sanierungsmaßnahmen im nicht zurückgebauten Teil der alten Grundschule am Rahlenberg, die Teil des Bildungszentrums ist. In Hüinghausen soll das alte Kindergartengebäude, das den Anforderungen nicht mehr gewachsen ist, durch einen Neubau ersetzt werden. „Auch die Planung eines Neubaugebietes für Hüinghausen wollen wir weiter voranbringen, um vorbereitet zu sein, wenn die Nachfrage nach Baugrundstücken wieder anzieht.“
Den Sportplatz auf Vordermann bringen
Bei den Sportanlagen richte sich der Blick auf den Sportplatz im Müggenbruch. „Dringendster Handlungsbedarf besteht bei den Umkleidemöglichkeiten. Hoffentlich kommen wir bei den Förderprojekten des Bundes oder Landes zum Zuge.“
Für alle Familien und Besucher sei eine Sanierung des Spielplatzes an der Nordhelle geplant. Der Förderantrag sei bereits gestellt und man hoffe auf eine positive Entscheidung. „Mit allen Investitionsvorhaben bleibt Herscheid ein attraktiver Wohn- und Erholungsort – trotz aller finanziellen Herausforderungen.“
Verschuldung kommt an die Grenzen des Vertretbaren
Für den Feuerwehrneubau müsse ein Kredit aufgenommen werden. Die langfristige Verschuldung der Gemeinde werde sich dadurch mehr als verdoppeln. „Die Zinslast und der künftige Abschreibungsaufwand steigen entsprechend – und dies zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, da die Haushaltspuffer schrumpfen. Wir müssen daher bei allen Investitionen sehr genau abwägen, welche Projekte wir in welchem Tempo realisieren können.“ Die Belastungsgrenze sei erreicht.
Licht am Horizont?
Lichtblicke seien in aller Düsternis der „Nordrhein-Westfalen-Plan für gute Infrastruktur“, mit dem Sondermittel aus Berlin durchgereicht werden sollen; Herscheid erwartet aus diesem Programm Fördermittel in Höhe von 3,8 Mio. Euro. „Das eröffnet Handlungsspielräume für Maßnahmen, die nicht hätten angegangen werden können.“ Der zweite Lichtblick sei das Altschuldenentlastungsprogramm des Landes. Für Herscheid bedeutet dies eine spürbare Entlastung bei den Liquiditätskrediten und absehbar sinkende Zinszahlungen. „Auch diese Entlastung ist eine große Hilfe – sie wird den finanziellen Kollaps aber möglicherweise nicht abwenden können.“
Wo geht’s hin?
Das gültige Haushaltssicherungskonzept sehe vor, dass Herscheid erst 2032 wieder einen ausgeglichenen Haushalt erreichen werde. „Das ist ein langer und steiniger Weg. Aktuell ist der Nothaushalt das viel wahrscheinlichere Szenario.“
Herscheid brauche deshalb „klare eigene Prioritäten, klare Sparsignale des Kreises im Rahmen eines freiwilligen Haushaltssicherungskonzeptes, noch mehr Unterstützung von Bund und Land und weiterhin die Bereitschaft, Chancen zu nutzen, wenn sie sich durch Förderprogramme bieten.“
Dank stattete der Bürgermeister Kämmerin Sabine Plate-Ernst und ihrem Team ab; sie alle hätten sich der Aufgabe der Haushaltsaufstellung, die alles andere als Routine sei, mit großem Einsatz gewidmet. „Danken möchte ich zudem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der anderen Verwaltungsbereiche, die ihnen zuverlässig zugearbeitet haben.“
Damit brachte der Bürgermeister den Haushaltsentwurf in den Rat ein. Das Zahlenwerk wird nun in den Fraktionen, den Ausschüssen und künftigen Ratssitzungen zu diskutieren sein. So interessant das sein wird, dürfte doch die Frage umso spannender werden, wie die Kassandrarufe aus dem Herscheider Rathaus an der Heedfelder Straße in Lüdenscheid gehört werden – vom größten Kreistag, den es je gab, in einem Kreishaus, das über sich selbst schreibt „Unsere Kreisverwaltung ist einer der größten Arbeitgeber in der Region. In über 50 Arbeitsfeldern beschäftigen wir mehr als 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und bieten vielschichtige Berufsperspektiven.“









