Der Mann auf der Anklagebank spricht ziemlich laut und ist sehr hibbelig. "Bei mir wurde ADHS diagnostiziert", erklärt der 37-Jährige. Er sei noch nicht medikamentös eingestellt. Vorgeworfen werden ihm zunächst gefährliche Körperverletzung und Bedrohung.
Am 9. Dezember letzten Jahres gerät der Angeklagte mit seiner jetzigen Verlobten in der gemeinsamen Wohnung in Lüdenscheid in einen Streit. In dessen Verlauf reißt er der Frau ein Büschel Haare heraus, bezeichnet sie als Hurentochter und Schlampe und droht damit, sie umzubringen.
Außerdem soll er der 30-Jährigen ein Tablet gegen den Kopf geworfen haben, was eine gefährliche Körperverletzung wäre.
„Es hört sich echt hart an. Es ist auch so gewesen“, sagt der Angeklagte. Er sei stark alkoholisiert gewesen. Nach der Arbeit habe er auf dem Heimweg einiges getrunken: „Dann ist es eskaliert. Ich habe es nur noch schattenweise im Kopf, wie Blitze. Ich kann mich daran erinnern, dass ich ihre Haare in der Hand hatte.“
Die Bedrohung könnte gut sein, aber den Wurf mit dem Tablet streitet der Lüdenscheider ab. Der Vorfall sei wie ein Schlag für ihn gewesen. Sie hätten sich auch vorher immer mal gestritten. „Es war aber nie so wie im Dezember. Es war eine Lektion fürs Leben. Ich bin seitdem in psychologischer Behandlung. Ich verarbeite Kindheitstraumata. Ich konsumiere seither keinen Alkohol mehr“, erklärt der Angeklagte. Einen Joint gönne er sich ab und zu aber schon.
Seine Verlobte macht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und sagt nichts. Eine damalige Nachbarin gibt an, die Geschädigte habe im Flur nach Hilfe geschrien. Die körperliche Auseinandersetzung habe sie nicht gesehen, dafür aber etwas gehört, sagt die 67-Jährige. „Er hat zu ihr gesagt: ‚Du Hurentochter, ich bringe dich um, Schlampe.‘“
Da es keine Augenzeugen für den Wurf mit dem Tablet gibt, die Geschädigte schweigt und der Angeklagte den Vorwurf bestreitet, fällt die gefährliche Körperverletzung weg und es bleibt bei der Körperverletzung wegen des Herausreißens der Haare.
Die Polizei hatte damals das Büschel auf dem Fußboden liegen gesehen. Dass die gefährliche Körperverletzung nicht mehr Thema ist, wirkt sich äußerst positiv auf die Höhe des Urteils aus. „Das ist sehr entscheidend, weil gefährliche Körperverletzung eine Mindeststrafe von sechs Monaten hat“, erläutert der Richter. Bezüglich des Herausreißens der Haare sagt er: „Es ist nicht die schlimmste Körperverletzung, aber es ist eine.“
Er verurteilt den Lüdenscheider am Ende zu 900 Euro Geldstrafe. Dabei berücksichtigt er eine Enthemmung aufgrund der Alkoholisierung. Für den Arbeitslosen ist es ein spürbares Urteil.
Es ist allerdings nicht seine erste Gerichtsentscheidung: Sieben Vorstrafen wegen räuberischer Erpressung, gemeinschaftlichen Raubes, Sachbeschädigung, Drogenbesitzes und Bedrohung hat der 37-Jährige bislang angesammelt und zwei Jahre im Gefängnis verbracht.












