Grabmal oder Familiengruft, Friedwald, Baumbestattung, Kolumbarium. Die Bestattungskultur wandelt sich. Ein Grab auf dem örtlichen Friedhof. Im Sarg. Das war Usus. Eine Einäscherung galt lange als „abstrakt und unkatholisch“, blickt Sabine Hardenacke, die den katholischen Friedhof in Meinerzhagen verwaltet, 20 Jahre zurück. Das hat sich gründlich geändert.
Inzwischen sind Urnen der neue Sarg. Und die Wahl des Grabes ist wie die Wohnungssuche eine Sache, bei der oft die Familie oder die künftigen Hinterbliebenen eingebunden werden. Soll es unter Schatten spendenden Bäumen sein, in der Nähe blühender Büsche, besser am barrierefrei zu begehenden Weg oder unter einer pflegeleichten Rasendecke? – Die Wahl des Ortes ist wichtig. Er muss zur Person passen, hieß es in einer Sendung des WDR zum Thema „Patchwork auf dem Friedhof – Wie wir liegen wollen“. Individuelle Aspekte werden sichtbarer – bei der Wahl des Ortes, aber auch bei den Rahmenbedingungen.
Der Trend: pflegeleichte Gräber
„Es gibt definitiv mehr Feuerbestattungen“, bilanziert Simone Wolf, die in Plettenberg für die städtischen Friedhöfe zuständig ist. Religiöse Vorbehalte gegen eine Feuerbestattung sind geschwunden, stellt auch Sabine Hardenacke fest. Dass eine Feuerbestattung der Auferstehung entgegenstehen könnte, spielt keine Rolle mehr. Auch auf dem katholischen Friedhof ist „die Zahl der Urnenbeisetzungen auffallend gestiegen“. Heike Rath, stellvertretende Geschäftsführerin beim evangelischen Friedhofsverband Lüdenscheid-Plettenberg, schätzt das Verhältnis von Urnen- zur Erdbestattung für die 22 Friedhöfe, die der Verband betreut, auf 70 zu 30 ein.
Von „einer massiven Dynamisierung“ der Urnenbestattungen spricht Dr. Dirk Pörschmann. Der Leiter des Museums für Sepulkralkultur in Kassel hat auch die bundesweiten Zahlen im Blick. Im Laufe der letzten 20 Jahre habe sich der Anteil der Feuerbestattungen von etwa 40 auf 80 Prozent verdoppelt. Die Einäscherung (Kremation) sei dabei auch die Basis für andere Bestattungsformen.
Zudem geht der Trend zu pflegeleichten Gräbern. Särge oder Urnen werden der Reihe nach auf einer Rasenfläche bestattet. Gräber lassen sich nicht mehr erkennen oder zuordnen. Auf Gedenkstelen können allerdings Namen, manchmal auch Geburts- oder Sterbejahr aufgebracht werden. Vorteil für die Hinterbliebenen: der Pflegeaufwand entfällt. Eine andere Möglichkeit sind Kolumbarien. Es sind überirdische Grabstätten, etwa gemauerte Wände mit Kammern, in denen Urnen beigesetzt werden können.
Fotogalerie:
Astrid Oefenscheidt, bei der Stadt Kierspe für die Friedhöfe zuständig, verzeichnet hier „eine große Nachfrage“. „Der Trend zu Kolumbarien hat deutlich zugenommen“, weiß auch Esther Langwald vom gleichnamigen Unternehmen für Grabmale in Lüdenscheid. Sie seien „völlig pflegefrei und können individuell gestaltet werden.“ So lassen sich Schriftart oder Ornamente für die Platten, die die Kammern verschließen, frei wählen. Heike Rath vom Friedhofsverbund sieht dabei auch den Vorteil, dass man noch einen Ort hat, wo man der Verstorbenen gedenken kann – pflegeleicht, aber nicht völlig anonym.
Veränderte Lebenssituationen
Den Boom bei Urnenbestattungen führen Friedhofsverwalter auf die veränderten Wohn- und Lebenssituationen zurück. Heike Rath sieht einen „Wandel in der Gesellschaft“ früher sei es üblich gewesen als Kind mit zum Friedhof zu gehen und das Grab zu pflegen. „Heute gehört der Friedhof nicht mehr so dazu. Man wird nicht mehr groß damit.“ – Tod und Sterben sind nicht Teil des Alltags.
Wenn Angehörige fehlen oder weiter entfernt wohnen, wird eine Grabpflege schwierig. Somit entschieden sich einige noch zu Lebzeiten oder später eben die Angehörigen für ein eher pflegefreies Urnengrab, mutmaßt Hanno Grundmann, Sprecher der Stadt Plettenberg. Andere wollten Angehörigen nicht zur Last fallen und entschieden sich für weniger aufwändige Bestattungsformen, vermutet Heike Rath. „Die jungen Menschen ziehen weg. Da liegt man lieber unter gepflegtem Rasen als unter einem ungepflegten Erdhügel“, schätzt Sabine Hardenacke die Motive zur Wahl anonymer oder pflegeleichter Gräber ein.
Es gibt, so Museumsleiter Pörschmann auch „irrationale Gründe“, etwa, dass man nicht von Würmern aufgefressen werden möchte. In „unserer Welt der Oberflächlichkeiten, wo alles eine schöne Fassade hat“, sei die Vorstellung, in der Erde langsam zu vergehen, für manche ein Schreckensszenario. Sie votierten dann lieber für den „extrem beschleunigten Auflösungsvorgang“ im Krematorium.