Das Sterben ist ein Teil des Lebens und doch berührt es jeden auf besondere Weise. In stillen Räumen der Pflegeheime, auf Friedhöfen, bei Abschieden in der Familie oder in Hospizen wird der letzte Weg begleitet – geprägt von Ritualen, Entscheidungen und Momenten voller Nähe und Verlust. Wie Menschen sterben, trauern und erinnern erzählt viel über das Leben selbst. Für die Reportagereihe „Wie sterben Menschen heute?“ besuchten die LokalDirekt-Volontäre Amaris Seegmüller und Paul Hösterey sowie Praktikantin Carlotta Warmuth Einrichtungen, die täglich mit dem Lebensende konfrontiert sind. Für Teil 5 der Serie besuchten sie den Friedhof Wippekühl.

Verwinkelte Straßen führen uns hinauf zum Friedhof. Hinter dem zentralen Denkmal tauchen die ersten geschmückten Gräber auf, sorgfältig bepflanzt, manche mit frischen Blumen. Beim Hochfahren des letzten Berges kommt langsam die Kapelle zum Vorschein. Ein schlichtes Gebäude, an dessen Außenwand ein schmales Kreuz in den grauen Himmel ragt.

Während unseres Besuchs findet gerade eine Beerdigung statt. Wir können beobachten, wie sich eine große Menschenmenge in Schwarz gekleidet langsam auf die Kapelle zubewegt, manche mit gesenktem Blick, andere in leisen Gesprächen. Die große Zahl der Trauergäste lässt vermuten, dass die verstorbene Person bekannt und geschätzt gewesen sein muss. Es ist für uns ein berührend Gefühl, wie viele Menschen sich an diesem Freitagmorgen versammelt haben, um gemeinsam Abschied zu nehmen.

Etwas weiter unten erwarten uns Christiane Dix, die Sachbearbeiterin des kommunalen Friedhofs, und Friedhofsgärtner Oliver Schütz. Beide begrüßen uns freundlich, stehen bereit, uns durch das Gelände zu führen und einen Einblick in ihre Arbeit zu geben: Wer kümmert sich um die Verwaltung? Wie hat sich die Bestattungskultur verändert? Und welche Formen der Bestattung werden hier überhaupt angeboten?

Friedhofsverwaltung: Enge Zusammenarbeit mit Bestattern

Auf dem rund dreieinhalb Hektar großen Friedhof Wippekühl stehen etwa 3500 Grabsteine verschiedenster Bestattungsarten. Christiane Dix ist für die Verwaltung verantwortlich — und begleitet die Angehörigen oft persönlich.

„Mein Arbeitsalltag sieht so aus, dass das Bestattungsunternehmen auf mich zukommt und sagt: 'Wir haben einen Sterbefall. Die Angehörigen sind bei uns.' Dann legen wir gemeinsam mit den Angehörigen zunächst einmal den Bestattungstermin fest."

Doch Dix bleibt nicht nur im Büro: „Ich begleite die Angehörigen auch auf den Friedhof, damit sie sich ein Grab aussuchen können und zeige ihnen, welche Möglichkeiten es gibt beziehungsweise welche Gräber frei sind." Sobald die Grabstätte ausgewählt wurde, besprechen die Angehörigen alles Weitere mit dem Bestatter. "Dieser lässt mir dann alle erforderlichen Unterlagen zukommen, die ich später für den entsprechenden Gebührenbescheid benötige."

Während wir langsam die gepflegten Friedhofswege entlanggehen, deutet Christiane Dix immer mal auf eine Grabstelle, um uns die unterschiedlichen Grabarten zu veranschaulichen. Dabei erzählt sie, Kontakt zu Angehörigen gebe es auch unabhängig vom Bestatter: „Die Angehörigen kommen auf mich zu, wenn auch schon bestehende Grabstellen da sind. Typische Fragen sind, wie lange die Grabstätte erhalten bleibt, ob die Ruhezeit verlängert werden kann oder manchmal auch, ob man eine Grabstelle auch vorzeitig abgeben kann."

Herausforderungen auf dem Friedhof

Herausfordernd sei die Arbeit trotz aller Routine dennoch: „Eine Herausforderung ist, dass es durch die steigende Anzahl von Urnenbeisetzungen immer mehr Freiflächen auf dem Friedhof gibt", sagt Dix. Das verändere auch die Optik des Friedhofes: "Es werden immer mehr Flächen eingesät und diese müssen natürlich auch gepflegt werden."

Dabei müsse die Verwaltung den Friedhof auch unter wirtschaftlichem Aspekt betrachten: "Dass er so angelegt wird, dass wir die umliegenden Flächen mit relativ wenig Aufwand pflegen können“, sagt Dix und zeigt auf eine Wiese, auf der erst einige wenige Gräber zu sehen sind. „Und natürlich versuchen wir, die ausgewiesenen Grabflächen und auch die dorthin führenden Wege so anzulegen, dass sie gut zu begehen und im Idealfall auch behindertengerecht sind."

Friedhof als Ort der Ruhe

Die tägliche Konfrontation mit dem Tod, der enge Austausch mit Bestattern, die Gespräche über Grabarten und Bestattungsformen — all das hinterlässt Spuren. Wer in dieser Branche arbeitet, muss sich täglich mit einem eher traurigen Thema auseinandersetzen.

Christiane Dix sagt, ihr Beruf habe mit den Jahren auch die Sichtweise auf den Tod beziehungsweise den Friedhof verändert. Vor allem durch die Menschen, mit denen man hier zu tun habe. "Die Gespräche mit Angehörigen eröffnen einem manchmal andere Blickwinkel", meint sie und streicht sich nachdenklich eine Haarsträhne hinter das Ohr. "Dass zum Beispiel der Friedhof nicht nur etwas Trauriges ist, sondern auch ein Ort, wo man Ruhe findet.“
Durch ihren Beruf denke sie häufiger über die eigene Bestattung nach: „Zu der Zeit, als ich den Job begonnen habe, gab es hier auf dem Friedhof meistens Erdbestattungen. Das war 'das Normale'. Und eigentlich hatte ich das für mich selbst ebenfalls angedacht — weil es eben immer so war, auch in meiner Familie.“ Sie macht eine kleine Pause, blickt hinüber zu einer Reihe gepflegter Urnengräber und erzählt weiter:„Im Laufe der Zeit, aufgrund dessen, was ich hier auf dem Friedhof sehe und erlebe, hat sich das ein bisschen verändert. Ich denke heute, dass für mich persönlich auch eine Urnenbeisetzung in Frage kommen würde.“

Entwicklung des Friedhofs

Doch nur die persönliche Sicht von Mitarbeitern wie Christiane Dix hat sich verändert, auch der Friedhof selbst und die Bestattungskultur haben sich gewandelt, erzählt sie, während wir weiter über den Friedhof gehen. „Also in Schalksmühle gab es bis 2019 — im Vergleich zu anderen Städten — eigentlich immer noch viele klassische Erdbestattungen, mittlerweile hat es komplett verändert. Heute sind es rund 80 Prozent Urnenbeisetzungen“, sagt sie.

Auch die Bedeutung des Friedhofs selbst habe sich geändert: „Der Friedhof ist sicherlich für viele Menschen noch immer ein Ort der Erinnerungen, und dennoch glaube ich, dass es heute etwas anders gesehen wird." Viele Angehörige würden heute nicht mehr gemeinsam in einem Ort leben. "Ich denke, dass Erinnerung heute eher im Privaten stattfindet und emotional nicht unbedingt verbunden mit dem Friedhof oder dem Grab ist."

Gleichzeitig meint Christiane Dix, hier auch einen klaren Generationsunterschied ausmachen zu können: „Für ältere Menschen gilt der Friedhof in den meisten Fällen auch heute noch als Ort der Erinnerung, der ihnen wichtig ist. Bei den Jüngeren ist es unterschiedlicher, denke ich.“

Für den Friedhof im Allgemeinen würde Dix sich wieder einen anderen 'Umgang' wünschen: „Ich fände es schön, wenn der Friedhof nicht nur als Ort der Trauer angesehen werden würde, sondern dass die Menschen vielleicht einfach hier herkommen, um innere Ruhe zu finden. Ihn vielleicht auch als einen Ort der stillen Begegnungen wahrnehmen." Das sogenannte Friedhofskonzept 2050 solle genau das unterstützen. „Wir versuchen, Plätze zu schaffen, mit Ruhebänken, so dass der Friedhof eine beinahe parkähnliche Gestalt bekommt.“

Von Urnennische bis zur Baumgrabstätte: Das "Friedhofskonzept 2050"

Der Friedhof Wippekühl ist ein konfessionsloser Ort — das heißt: Menschen jeder Glaubensrichtung können hier beigesetzt werden. Allerdings nur in einem Sarg oder einer Urne, sodass bestimmte religiöse Rituale wie etwa muslimische Bestattungen, bei denen die Verstorbenen nur im Leinentuch und ohne Sarg beigesetzt werden, nicht möglich sind.

Für eine Trauerfeier steht die große Kapelle offen, sie darf zu diesem Anlass von den Angehörigen nach ihren Vorstellungen gestaltet werden.

Christiane Dix führt uns weiter über die Anlage. Manchmal bleibt sie auch an einem Grab stehen. „Der Friedhof wurde ein bisschen aufgewertet, es sind Bereiche entstanden, die nicht dieses 'klassisch Traurige' haben, sondern auch fröhlichere Elemente", sagt sie und zeigt uns eine Urnennische, die von einem Freiburger Künstler handgezeichnet und farbenfroh gestaltet wurde.

Komplett Pflegefrei oder ganz individuell

Erarbeitet hat das Friedhofskonzept 2050 die Firma Weiher aus Freiburg erarbeitet. Danach sind die Grabarten zunächst in Sarg- und Urnenbeisetzungen eingeteilt; entscheidend seien jedoch auch die Pflegeformen, erklärt uns Christiane Dix und bleibt vor einer der neu angelegten Reihen stehen. Mit der Hand deutet sie auf die verschiedenen Bereiche: pflegefreie oder gärtnergepflegte Gräber ohne eigene Gestaltung, pflegearme Gräber mit kleinen Gestaltungsmöglichkeiten und pflegeintensive Gräber, die den Angehörigen die größte Freiheit bieten, aber auch mit dem größten Aufwand verbunden sind.

Auch für Urnenbeisetzungen gibt es mehrere Varianten: Baumgrabstätten, Urnenwahlgräber im Staudenbeet, Gemeinschaftsgrabstätten oder die Urnennischen, deren dreiteilige Designs von einem Künstler aus Freiburg handgefertigt wurden. Dix bleibt einen Moment lang vor einer der Nischen stehen und betrachtet sie still.

Als wir uns auf den Weg machen, den Friedhof verlassen, setzt plötzlich die Glocke der Kapelle ein. Es ist jeweils nur ein einzelner, klarer Schlag, der in gleichmäßigen Abständen über die Wege des Friedhofs hallt. Im selben Rhythmus treten die Angehörigen der eingangs erwähnten Beerdigung aus der Kapelle. Manche mit gesenktem Kopf, andere den Blick suchend in die Ferne gerichtet.

Auf der Fahrt hinunter durch die schmalen, verwinkelten Straßen wird der Friedhof hinter uns immer kleiner. Erst verschwinden die Reihen der Gräber hinter den Hecken, dann wird auch das zentrale Denkmal auf dem unteren Platz kleiner, bis wir es schließlich nicht mehr erkennen können. In Erinnerung bleiben wird uns dieser "Ort der Erinnerung" aber dennoch.

Das große Denkmal des Friedhof Wippekühl.
Foto: Hösterey