„Alter schützt vor Torheit nicht“, bemerkt der Strafrichter im Amtsgericht Lüdenscheid mit Blick auf den Angeklagten. Der nickt zustimmend. Der Mann ist 87 Jahre alt und sitzt wegen Körperverletzung vor Gericht. Es ist das erste Mal in seinem Leben, dass der Rentner Ärger mit der Justiz hat. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, am Mittag des 20. November 2022 seine damalige Lebensgefährtin in deren Wohnung in Schalksmühle gewürgt und ihr Faustschläge verpasst zu haben.
Im Gericht sagt der Rentner dazu aus: „Wir waren sieben Jahre zusammen. Auch mal mit ein paar Trennungsphasen dazwischen. Die Beziehung war normal harmonisch.“ Zusammen gewohnt hätten sie nicht. Meist sei er bei ihr in Schalksmühle gewesen, so der Angeklagte. „An dem Tag haben wir Gardinen angebracht. Ich hatte mich vermessen. Um 20 mm.“ Das habe ihn natürlich geärgert, erklärt der Mann. Er habe danach keine Lust mehr gehabt, weiterzumachen. Deshalb habe er sich in die Küche gesetzt. Das habe seine Lebensgefährtin sauer gemacht. Sie sei zu ihm gekommen und habe gesagt, wenn er nicht weitermachte, müsste er künftig für das Waschen seiner Wäsche zahlen. „Da habe ich gedacht, wenn das so ist, dann gehst du besser“, sagt der 87-Jährige. Seine Lebensgefährtin habe ihn aber nicht gehen lassen wollen: „Sie hat sich in den Weg gestellt. Sie hat mir meine Brille und meine Tabletten vor die Füße geworfen und ist auf die Brille drauf getreten. Da habe ich sie gepackt und zur Seite geschoben. Ich habe sie aber sofort wieder losgelassen. Sie hat dann geschrien ‚Hilfe, Hilfe, er schlägt mich‘. Ich habe meine Tabletten eingesammelt und bin zur Tür. Da hat sie sich wieder in den Weg gestellt. Ich habe sie wieder weggeschoben. Da hat sie mich geboxt.“
Fotos in der Prozessakte zeigen die Lebensgefährtin mit roten Malen an Hals und im Gesicht. Er habe die Frau weder gewürgt, noch geschlagen, beteuert der 87-Jährige. Allerdings können die roten Spuren durchaus beim Wegschieben entstanden sein, räumt der Rentner ein. Wieso die Frau sich so verhalten haben soll, wie der Angeklagte sagt, will der Richter wissen. „Sie hat immer Angst davor, allein zu sein. Sie hatte Angst, dass er geht. Wir haben es hier mit älteren Herrschaften zu tun. Da geht man nicht einfach zu Tinder, ’neuer Versuch, neues Glück'“, gibt die Verteidigerin des Mannes zu bedenken. Letztlich hätten sich beide Beteiligte nicht schlau verhalten, so der Richter. Es sei von beiden keine Glanzleistung gewesen.
Er stellt das Verfahren vorläufig gegen Zahlung von 900 Euro an den örtlichen Kinderschutzbund Lüdenscheid ein.