Ihr Wunsch: Eine Fertigstellung bis 2025. Und: möglichst viele Wohneinheiten sollen öffentlich gefördert werden. Noch steht deren Anzahl nicht fest. Außerdem: Bei den Bürgern gibt es Gesprächsbedarf.
Größtes Bauvorhaben in Kierspe
Es sei eben nicht „das Gartenhäuschen des Nachbarn“, wie es der Vorsitzende des Ausschusses für Stadtentwicklung, Planung und Wirtschaftsförderung Holger Scheel ausdrückt: Als „Klotz“ wurde der zweiteilige Gebäudekomplex verbunden durch eine Tiefgarage von Bürgern schon bezeichnet. 80 barrierearme Wohnungen, darunter Ein- bis Vierzimmerwohnungen auf insgesamt 5300 Quadratmetern sollen entstehen.
Scheel betont, das Verfahren ist noch am Anfang. Der Ausschuss hat am Mittwoch, 18. Januar, den Einleitungsbeschluss zum „Vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. 30 ‚Wohnanlage Haunerbusch'“ an den Rat empfohlen – LokalDirekt berichtete. „Der Rat wird den Beschluss am 14. Februar wahrscheinlich wiederholen“, vermutet Scheel. Damit ist das Verfahren eröffnet. Währenddessen haben Bekdemir und Hanses schon die „Vision einer Lebensoase“ am Haunerbusch, wie es Bekdemir ausdrückt. Nur 30 Prozent der Firmenfläche, die der Investor samt Firmengebäuden und Hallen bereits erworben hat, wolle man bebauen. Auf die Tiefgaragen aus wasserdichtem Beton soll eine Pflanzschicht aus Mutterboden gelegt werden, um darauf eine Grünfläche mit Sitzmöglichkeiten anzulegen. Zwei Aufzüge sollen die Tiefgarage mit den zwei Wohnblöcken jeweils verbinden. Sowohl die Garagen als auch die Wohnblöcke sind komplett barrierearm geplant. Jede Wohnung habe einen Balkon, die Erdgeschosswohnungen jeweils eine kleine Terrasse.
Ein Projekt von solch einer Größenordnung gibt es in Kierspe derzeit nicht, wie es Scheel und Peter Christian Schröder von der Fraktion der Freien Wählergemeinschaft (FWG) dem Neubau bescheinigen.
So ein Projekt muss laut Schröder „transparent mit den Bürgern besprochen werden.“ Seine Fraktion habe daher einen Antrag auf eine intensive Bürgerbeteiligung im Ausschuss gestellt, dem stattgegeben wurde. Nicht nur, dass die Pläne öffentlich bei der Stadt Kierspe für die Bürger einsehbar sind, auch eine öffentliche Bürgerveranstaltung wird geplant, bei der interessierte Bürger mit der Stadt, dem Investor und dem Architekten ins Gespräch kommen können, um ihre Bedenken zu äußern. Zusätzlich muss nun eine öffentliche Begehung mit dem Ausschuss auf dem ehemaligen Firmengelände zur Besichtigung der Begebenheiten vor Ort und der Pläne umgesetzt werden.
Größe, Verkehr und Optik
Drei Punkte sind Scheel und Schröder zufolge zentral aus Sicht der Bürger: Da die Wohnblöcke dreigeschossig geplant sind und man laut Hanses pro Geschoss mit 2,9 Metern rechnen müsse, werde es ein hoher Gebäudekomplex, der bei Nachbarn die Sorge nach einer Verdunkelung hervorruft.
Zur Diskussion steht außerdem, wie der Verkehr zunehmen und über den Haunerbusch, beziehungsweise Am Nocken verteilt werden kann. Schröder rechnet bei 80 Wohneinheiten mit rund 140 Autos in den Tiefgaragen. Bekdemir argumentiert, dass während des Arbeitsbetriebs der Firma Schröder die meisten der knapp hundert Mitarbeiter mit dem Auto gekommen seien. Zu Stoßzeiten habe sich der Verkehr geballt. Zudem falle der Verkehr von 40 Tonner-Lastwagen weg, die eine besondere Gefahr für die Anwohner und die nahegelegene Pestallozzi-Grundschule darstellten. Auch Schröder pflichtet bei: „Die Lage der Firma war anachronistisch. Sie ist leider dort ungünstig gewachsen. Produzierendes Gewerbe mit dem Transport von 40-Tonnern hat in einem Wohngebiet mit Grundschule nichts verloren. Das ist definitiv eine Verbesserung. Wo die Autos nun herfahren, wird man klären müssen. Leider war das letzte Verkehrsgutachten sprichwörtlich für die Tonne. (Anm. der Redaktion: LokalDirekt berichtete) Es hat den Haunerbusch nicht berücksichtigt.“
Ein Pluspunkt sei, da sind sich Scheel, Schröder sowie Hanses und Bekdemir einig: Die Optik der energieeffizienten Anlage, die sich über Photovoltaik und eine Luftwasserwärmepumpe versorgen soll.
„Stadtbildprägend“ wird der Neubau sein, ist sich Schröder sicher. „Wenn Sie aus Meinerzhagen mit dem Auto kommen und beim Fachhandel Eckes vorbeifahren, fällt Ihr Blick direkt geradeaus auf das neue Gebäude.“
Mit dieser Vision würden Bekdemir und Hanses möglichst bald mit den Abrissarbeiten beginnen. Sie hoffen darauf, dass die Arbeiten dazu im August dieses Jahres beginnen können. Diese könnten gut drei Monate andauern. Man sei dazu in Gesprächen. Von Vorteil sei, dass in der Firma Schröder nur Kunststoff produziert wurde und damit keine zu beachtende Verunreinigung des Bodens einhergehe, wie auch ein Blick in das Altlastenregister der Flurstücke 97, 98, 479 und teilweise der Flur 36 ergeben habe.
Bekdemir und Hanses müssen vorher einen entscheidenden Prozess abwarten: „Die Ausschuss-Fraktionen müssen mit der Stadt den Bedarf an öffentlich gefördertem Wohnraum abklären, damit diese eine Empfehlung an die Bewilligungsbehörde des Märkischen Kreises geben kann und das Land, genauer die NRW-Bank, die notwendigen Fördermittel bereitstellt“, erklärt Hanses. Dann könne die Bauphase beginnen. „Dafür müssen wir mindestens ein Jahr einrechnen“, schätzt Hanses. „Wir hoffen, dass wir Ende 2023, Anfang 2024 beginnen können.“
Nach eigenen Aussagen hatten Bekdemir und Hanses schnell nach Bekanntgebung der Firmenauflösung die Vision eines Neubaus am Haunerbusch und dazu Kontakt mit der Stadt Kierspe gehabt. Was frei wird, müsse genutzt werden. Die Grundstücksnot sei groß. Die Lage sei so günstig, zentral und verkehrsarm, dass sie dafür ein dreijähriges Bauprojekt in Meinerzhagen vorübergehend auf Eis gelegt hätten, um sich der „Vision Haunerbusch“ zu widmen. „Der Bedarf ist riesig“, glaubt Bekdemir. „Wie sollen die Menschen, speziell Rentner, gebeutelt von der Corona- und Ukraine-Krise, von Inflation und Wirtschaftskrise ihre Miete oder ihre Gaskosten noch bezahlen? Die Lage ist ernst. Die Zinssätze explodieren. Wir wissen nicht, was noch Unvorhergesehenes auf uns zu kommt. Unser Projekt ist dann in zwei Jahren fertig und bietet fairen Wohnraum an. Die Menschen werden uns dankbar sein“, glaubt Bekdemir und verweist auf den Wohnungsmangel in Deutschland.
„Zu 5,90 Euro wollen wir den Quadratmeter anbieten. Das geht nur mit öffentlicher Förderung“, betont Bekdemir und verweist auf eine Liste nach deren Jahreseinkommen Menschen berechtigt sind, einen Wohnberechtigungsschein zu beantragen und sich auf eine Wohnung zu bewerben. „Wer Interesse daran hat, sollte frühzeitig Kontakt mit uns aufnehmen“, betont Hanses. „Und schon 2024 einen Antrag auf einen Wohnberechtigungsschein mit seinen aktuellen Zahlen stellen. Auch unsere Zahlen können sich bei der Einkommensgrenze und den Mietzahlen um wenige Cent erhöhen. Wir denken, der Bedarf ist da.“
Fotogalerie (Architekturbüro Hanses):