Seit einer schweren Erkrankung im Alter von vier Jahren ist die junge Frau auf Unterstützung angewiesen. Das hat sie aber nie gebremst. Top-Noten in der Schule und ein klares Ziel. „Luisa hat jede Menge Potenzial“, sagt Sabine Kowalewski, Beraterin für Rehabilitanden und Schwerbehinderte bei der Agentur für Arbeit Iserlohn.
Sie traf die junge Frau bei einer Berufsberatung am Lüdenscheider Geschwister-Scholl-Gymnasium. „Luisa wollte nach der 9. Klasse die Schule abschließen und was mit Zahlen machen“, erinnert sich Sabine Kowalewski. Alles Mögliche sei besprochen worden. Dann stand das Ergebnis fest: Luisa wird Industriekauffrau.
Trotz Top-Noten keine einfache Sache. Wie Luisa es geschafft hat, das berichteten Vertreterinnen und Vertreter der Agentur für Arbeit und des Ausbildungsbetriebs Hotset in einem Pressegespräch anlässlich der aktuellen Aktionswoche „Inklusion bringt weiter“. Sie soll auch Arbeitgeber für die Belange für Menschen mit Behinderungen sensibilisieren.
Warum gerade Hotset? Luisa wurde nach ihrer Bewerbung zum Eignungstest und anschließend zum Vorstellungsgespräch eingeladen. „Sie hat überzeugt“, sagte Ralf Schwarzkopf, Geschäftsführender Gesellschafter der Hotset GmbH. Außerdem: „Als international tätiges Unternehmen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus verschiedenen Ländern pflegen wir eine offene und tolerante Unternehmenskultur.“
Als Unternehmer sagt Ralf Schwarzkopf aber auch: „Es muss sich rechnen.“ Er erwartet von Luisa Leistung. Das Unternehmen selbst hat sich in weiten Teilen an die neue Auszubildende angepasst. So wurde eine Rampe angelegt, über die Luisa selbständig den Eingang erreichen kann. Überall wurden automatische Türöffner angebracht, die sie vom Rollstuhl aus drücken kann. Zudem wurde ein Aufzug eingebaut und ein ehemaliger Putzmittelraum in eine behindertengerechte Toilette verwandelt. „Mit Gegensprechanlage, falls mal etwas passiert“, erklärte Karina Reitz, Assistentin des Geschäftsführers. Sie hat die Veränderungen intensiv begleitet und, wie sie sagt „eine Menge dabei gelernt“.
Nachdem der unterschriebene Ausbildungsvertrag im Januar dieses Jahres auf dem Tisch lag, begannen die Vorbereitungen für den behindertengerechten Umbau. Dabei vollbrachten das Unternehmen und die Agentur für Arbeit, die den Umbau finanziell unterstützt hat, eine durchaus sportliche Leistung. Zum Stichtag 1. August 2023 war der Weg für Luisa bereitet. „Da mussten viele an einem Strang ziehen“, erinnerte sich Karina Reitz. Auch Michael Hücking, Sachbearbeiter für den Bereich Rehabilitanden und Schwerbehinderte bei der Agentur für Arbeit, blickte zurück. „Allein für den Aufzug mussten rund 100 Seiten Formulare bearbeitet werden.“ Im Nachhinein kann er das locker sehen.

Luisa arbeitet inzwischen im Einkauf – ein Paradies für einen Zahlenmenschen. Zwei große Bildschirme, ein Headset und ein Tablet werden sie während ihrer Ausbildung durch das Unternehmen begleiten.
Sandra Pawlas, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Iserlohn, und Ralf Schwarzkopf zogen gemeinsam das Fazit: „Eine tolle Gemeinschaftsleistung.“ Für die Chefin der Arbeitsagentur ist Hotset ein „Best-Practice-Beispiel“, das anderen Unternehmen Mut machen sollte, Schwerbehinderten mehr Teilhabe zu ermöglichen und sich über Fördermöglichkeiten zu informieren. Unter den rund 1500 Menschen mit Handicap, die im Märkischen Kreis aktuell eine Arbeitsstelle suchten, gebe es viele mit einem großen Potenzial. „Davon können die Betriebe profitieren.“
In einer Informationsschrift der Agentur für Arbeit heißt es dazu: „Inklusion bedeutet im Alltag, Unterschiedlichkeit in unserer Gesellschaft anzuerkennen und als eigenen Wert zu schätzen. Eine Gesellschaft, in der Anderssein normal ist, kann besser mit Veränderungen umgehen, weil es viel mehr Wege zu Lösungen komplexer Herausforderungen gibt.“

Ralf Schwarzkopf und Hotset gehen diesen Weg in für die Branche wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Das 50 Jahre alte Unternehmen befindet sich im Wandel und entwickelt sich vom Komponentenhersteller zum Systemhersteller. Diesen Weg geht Luisa Kittel mit und hat schon zwei neue Ziele im Visier. Im Januar wird sie bei einer Ausbildungsmesse in ihrer Berufsschule, dem Eugen-Schmalenbach-Kolleg, zusammen mit anderen Hotset-Azubis als Ausbildungsbotschafterin dabei sein. Außerdem will sie im nächsten Jahr den Führerschein machen. Ob die dann 17-Jährige noch genug Zeit für ihr Hobby hat? In ihrer Freizeit gestaltet sie nämlich am liebsten fantasievolle Perlen-Armbänder.