Aber von vorn: Auf der Anklagebank sitzt ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes. Er muss sich wegen fahrlässiger Körperverletzung verantworten. Am 20. März 2023 spielt Klara (Name von der Redaktion geändert) auf dem Schulhof einer Schalksmühler Grundschule an einem Klettergerüst. Plötzlich stürzt das Mädchen zu Boden, bricht sich den Unterarm und prellt sich den Kopf. Ihr Vater erstattet Anzeige mit der Begründung, das Gerät hätte aufgrund von Mängeln gesperrt sein müssen. Beim Sturz des Kindes im Rahmen der Nachbetreuung der Schule war er nicht dabei. Zufällig ist der 47-Jährige aber Sachverständiger für Spielplätze. Entsprechend fundiert wirken seine Angaben, die er im Zeugenstand macht.
Er führt aus, von seiner Tochter und ihrer Cousine geschildert bekommen zu haben, dass ein Seil unter den Füßen des Mädchens weggerutscht sei: „Als Sachverständiger weiß ich, dass es zu schwerwiegenden Unfällen kommen kann. Aber da dachte ich, irgendwas stimmt nicht.“ Deshalb sei er zum Klettergerüst gefahren. „Als ich dahin kam, hat mich der Schlag getroffen.“ Das Gerüst sei stark beschädigt gewesen. An vielen Stellen habe sich Klebeband befunden. „Es hatte massive Mängel. Ich bin qualifizierter Sachverständiger. Das Ding war unsicher.“
Als er dies der Gemeinde Schalksmühle gemeldet habe, sei ihm erklärt worden, er könnte das gar nicht beurteilen, da er aufgrund des Klebebandes gar nichts hätte sehen können. „Aber schon das Klebeband ist ein Mangel, weil es nicht um Seile gelegt werden darf.“ Seile seien gebrochen gewesen, so der 47-Jährige weiter. Das sei daran zu erkennen, dass sie durch das Klebeband herausragten. Und: „Es waren alle Knotenkugeln gesplittert oder gebrochen.“ Zudem seien die Abstände zwischen den Seilen viel zu groß gewesen. „Das alles ist ständig ignoriert worden“, ist sich der Mann sicher.
An dieser Stelle kommt der Angeklagte ins Spiel. Er soll nämlich für die Wartung des Gerüstes zuständig gewesen sein. Er selbst sagt vor Gericht nichts, sein Anwalt übernimmt das Reden. Er betont, sein Mandant bedaure sehr, dass es zu dem Unfall gekommen war, unabhängig von der juristischen Verantwortlichkeit. „Aber ihn trifft keine Schuld.“ Im Sommer 2022 habe der Angeklagte während einer Überprüfung des Klettergerüsts Beschädigungen festgestellt und diese massiv mit Fixierklebeband umwickelt, um das Gerät zu stabilisieren. Anschließend habe er die externe Firma, die für die Jahresinspektion des Gerüstes zuständig ist, davon in Kenntnis gesetzt. Diese habe den ausgebesserten Zustand nach einer Kontrolle als in Ordnung bewertet.
Der Verteidiger weist auch darauf hin, dass eine Betreuerin ausgesagt hätte, das Mädchen sei auf regennasser Sprosse der Leiter zum Gerät hin und nicht am Gerüst selbst abgestürzt. Der Anwalt sieht den Schwerpunkt des Ganzen im zivilrechtlichen Bereich. Ein solches Verfahren liefe bereits.
„Wir müssten noch einige Fragen klären. Da stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit“, bringt es die Vertreterin der Staatsanwaltschaft auf den Punkt. Da es sich vorliegend um einen Vorwurf der Fahrlässigkeit handelte und der Angeklagte nicht vorbestraft sei, fiele eine Strafe wohl nicht so hoch aus. Ein großer Aufwand mit weiterem Termin und Zeugenbefragungen sei daher eher unverhältnismäßig. Das sieht auch der Richter so. Er stellt das Verfahren mit der Auflage, binnen vier Monaten eine Geldbuße von 400 Euro an den Verein Spielmäuse zu zahlen, vorläufig ein. Damit bleibt dem Mädchen eine Zeugenaussage erspart.