Groß war das Interesse am Montagabend, 20. März, an den ersten Plänen des Meinerzhagener Architekten Thomas Hanses zu seiner Vision eines Wohnungskomplexes auf dem Gelände der ehemaligen Firma EGB Schröder. 80 barrierearme Einheiten, die möglichst öffentlich gefördert werden, sollen hier entstehen (wir berichteten). Die Zielgruppe der Anlage: ältere Menschen, Singles, Paare, aber auch Familien.
In Mode: „Mehr Grün“
Hanses versuchte in seiner Präsentation zunächst für seinen Vor-Entwurf zu werben. Es sei ein Glücksfall, überhaupt ein Grundstück zum Bebauen zu haben. Ideal sei es, Industrie gegen Wohnraum zu tauschen. In Mode seien laut Hanses diese Pläne mit Staffelgeschossen, Flachdächern, Balkonen, Mineralwolle als Wärmedämmung, einer Luftwasserwärmepumpe, einer Photovoltaikanlage und viel Grünfläche. „Nur 30 Prozent der Firmenfläche wollen wir bebauen.“
Besonders der Bedarf an Vier-Zimmer-Wohnungen sei in Kierspe hoch, so der Architekt. Frühere Investoren hätten deren Bau aus Kostengründen gescheut. Sollte die NRW-Bank das Bauprojekt fördern, könne man den Quadratmeter für sechs Euro anbieten, so Hanses. „Sonst müsste man zwölf bis 14 Euro aus wirtschaftlichen Gründen verlangen.“ Man habe Kontakt zum Märkischen Kreis für die Bewilligung öffentlicher Mittel aufgenommen.
Eine weiterer Pluspunkt: Die geplanten Tiefgaragen mit Aufzügen unter den beiden Wohnkomplexen, die größer ausfallen soll, als die darüber liegenden Gebäude. Das vorhandene Gefälle würde deren Bau und Nutzung begünstigen. Allerdings sei die Nutzung der Tiefgarage für die Bewohner nicht verpflichtend, räumte Hanses ein.
Unruhe unter den Besuchern
Die Tiefgaragen schienen einen wunden Punkt unter den Zuhörern zu berühren: Nach wenigen Minuten erhob sich ein Gemurmel unter den Anwesenden. Die Stimmung wurde unruhig, untermalt von den Bassvibrationen einer Bandprobe unter dem Ratssaal.
Bürgermeister Stelse bemühte sich, Ruhe und Ordnung in die Veranstaltung zu bringen: „Wir sind noch am Anfang des Projektes. Bislang liegt nur ein Einleitungsbeschluss vor. Das weitere Verfahren schließt sich an. Wir möchten Sie auf diesem Weg frühzeitig mitnehmen und heute Abend ein Stimmungsbild für die Ratsmitglieder aufnehmen.“ Anonym und pauschal wolle sich die Politik die Fragen und Anmerkungen der Versammelten notieren und diese berücksichtigen. Nach Hanses Vortrag eröffnete Stelse die Diskussionsrunde.
Schon jetzt Verkehrschaos: „Kennen Sie den Haunerbusch überhaupt?“
Wie man die enge Kurve hoch zum Neubau oder nach unten zum Nocken nehmen solle, wenn sich dort der Eingang zu den Tiefgaragen befände, wurde direkt gefragt. „Die Kurve ist jetzt schon sehr eng“, waren sich die Zuhörer einig. Gegenverkehr und parkende Autos würden bereits eine Unfallstelle begünstigen. Eine Anwohnerin berichtet, sie müsse regelmäßig ihr Auto umparken, um etwa Rettungsdienste durchlassen zu können.
Große Sorgen bereitete den Anwohnern die zunehmende Verkehrsbelastung am Haunerbusch. Mit etwa 140 Autos mehr sei nun durch den Neubau zu rechnen. Hanses versuchte zu argumentieren, dass vorher der Auto- und Lkw-Verkehr der Firma EGB Schröder am Haunerbusch 124 gerollt sei, doch zwei ehemalige Mitarbeiter unter den Anwesenden widersprachen dieser Darstellung: Man habe bei Schröder im Schichtbetrieb gearbeitet. Nie seien alle Mitarbeiter gleichzeitig mit ihren Autos vor Ort gewesen.
Ein weiteres, großes Manko sei laut Anwesenden der fehlende Bürgersteig am betroffenen Straßenabschnitt. „Schon jetzt sind die Schulkinder der Pestalozzischule und die Kindergartenkinder der ‚Villa Regenbogen‘ dort unsicher unterwegs. Wie soll das werden, wenn in den Neubau noch Familien einziehen?“ Stadt und Architekt wurde gar unterstellt, die bekannte, brenzlige Situation zwischen Verkehr, Schule- und Kindergartenbetrieb gar nicht zu kennen. Stelse merkte etwa an, man könne vom Haunerbusch 124 gut zum Rewe-Supermarkt an der Friedrich-Ebert-Straße 199 zu Fuß einkaufen gehen. Sofort schlug ihm ein Echo entgegen: „Das sind 1,3 Kilometer. So weit tragen sie keine Taschen.“
„Klotz in der Landschaft“
Auch um die Optik machten sich die Besucher sorgen. Anwohner befürchteten, dass sich ihre Aussicht verschlechterte, andere fürchten einen „Klotz in der Landschaft“, den man von der Autobahn aus sehen könne. „Wir werden zugebaut“, hieß es aus den Reihen. Applaus erntete der Vorschlag, den Bau „eine Nummer kleiner“ zu planen.
Auch die Grünfläche wurde kritisiert. Sie bekäme zu wenig Sonne ab, hieß es etwa. Außerdem sei ihre Darstellung auf Hanses Plänen geschönt: „Bei Ihnen wachsen Bäume aus den Nachbarhäusern“, bemängelte ein Anwohner.
Weitere Planung offen
Stelse betonte am Ende der Veranstaltung, dass alle Äußerungen aufgenommen und geprüft würden. Die Ein Verkehrsgutachten werde erstellt, ebenso werden Möglichkeiten der Entwässerung, der Gebäude-Größe und der Stellplatzvergabe geprüft, als auch mögliche Emissionsbelastungen. Am Ende solle das Projekt „allgemeinverträglich“ sein, bevor es der Rat beschließe. Auch eine alternative Nutzung der Firmenfläche sei noch offen.
Auf der Homepage der Stadt Kierspe werden die Bürger laut Stelse über das weitere Verfahren und seine Fristen auf dem Laufenden gehalten.