Plötzlich war es da, das Loch zwischen Altpapiercontainer und Buswartehäuschen. Gesichert mit einem Bauzaun und Warnbaken. Und so stand es auch noch am nächsten Tag dort und am übernächsten. LokalDirket hat geforscht, was es damit wohl auf sich hat. Straßen.NRW ist unbeteiligt, die Telekom, die dort in der Nähe Verteilerkästen hat, auch. Aber Bürgermeisterin Birgit Tupat weiß etwas: „Das ist ein wirklich tolles Projekt des Bauhofs.“ Sie verweist an Verwaltungsmitarbeiter Marc Trappe. Und der berichtet: „Dort soll ein Sandarium entstehen.“ Was das genau ist und wie das funktioniert, erklärt schließlich Mirjana Romich, Gärtnerin beim interkommunalen Baubetriebshof.
„Ein Sandarium ist für Wildbienen“, erklärt die Gärtnerin. Quasi eine Art Luxus-Ressort für Insekten. Das Loch in Rennerde gehört zu einem Pilotprojekt. Ist es erfolgreich, sollen an weiteren Stellen in Nachrodt-Wiblingwerde und Altena solche Wildbienen-Hotels entstehen. Normale Insektenhotels stehen bereits als Nisthilfen in vielen Gärten. Das Problem: Gerade einmal ein Viertel der heimischen Wildbienen nutzen diese Nisthilfen überhaupt. Dreiviertel aller Wildbienenarten sind nämlich sogenannte Erdnister. „Von den 460 Wildbienenarten nisten 340 Arten im Boden“, heißt es in Informationen des BUND.
Der Standort des ersten Sandariums wurde ganz bewusst gewählt. „Wir brauchten einen möglichst vollsonnigen Platz. Aber gleichzeitig einen mit möglichst wenig Publikumsverkehr, um es vor Vandalismus zu schützen“, erklärt Mirjana Romich. Die Mitarbeiter schachteten ein quadratisches Loch aus. Dieses müsse mindestens 40 Zentimeter tief sein, damit die Wildbienen ausreichend Platz für ihre Niströhren haben. „Die größte Schwierigkeit ist der richtige Sand. Es darf keiner sein, den man zum Beispiel vom Spielplatz kennt. Er soll ungewaschen sein und in einer groben Körnung“, berichtet die Expertin. Wer wissen möchte, ob der Sand perfekt für Bienen ist, können eine sogenannte Förmchenprobe machen. Jeder kennt es aus dem Sandkasten: Ist der Sand im Förmchen trocken, zerfällt der Sandkuchen beim Entfernen der Form. Und genau das darf beim Bienen-Sand nicht passieren. Bei passender Sandstruktur hält die Form auch im trockenen Zustand.

Einige Tage später wurde der Sand nach Rennerde gebracht. Damit wurde nicht nur das Loch geschlossen, sondern auch ein kleiner Berg errichtet. Der ist wichtig, damit das Regenwasser gut abläuft und das Bienen-Hotel schnell wieder trocknet. Eingefasst wurde das Sandarium mit dicken Baumstämmen. Das Totholz ist ebenfalls wichtig für die Bienen. Es dient quasi als Materiallager für den Nestbau. Die Wildbienen nagen das Totholz ab und nutzen das Material um ihre Bruthöhlen zu verschließen.
Zum Abschluss wurden noch ein paar Brombeerranken locker darauf verteilt. Sie halten Katzen davon ab, dort ihr Geschäft zu verrichten. Wer ein Sandarium in seinem Garten bauen möchte, braucht dafür gegebenenfalls noch Futterpflanzen. In Rennerde ist das nicht nötig. Denn auf der anderen Seite der Dorfeinfahrt gibt es schon seit einigen Jahren eine Wildblumenwiese – ebenfalls auf Gemeindegrund. „Da finden die Bienen ausreichend Nahrung“, erklärt Mirjana Romich.
In den vergangenen Jahren, insbesondere unter Gärtnerin Mirjana Romich, hat sich die Gemeinde in Sachen Insektenschutz stark gemacht. „Wir haben beispielsweise das Wildblumen-Saatgut auf wilde, heimische Sorten geändert. Und wir versuchen, da wo es möglich ist, auch mehr Totholz liegen zu lassen“, erklärt die Gärtnerin. Das sei jedoch gar nicht so einfach, denn im öffentlichen Raum würde viel Holz dann auch einfach mal verschwinden – beispielsweise als Brennholz geklaut. „Wir müssen die Flächen also je nach Projekt immer gut auswählen. Auch werde bewusst versucht, Flächen mal zu extensivieren. „So eine Fläche gibt es beispielsweise in Wiblingwerde. Da haben wir eine Fläche einfach mal sich selbst überlassen“, erzählt Mirjana Romich. Gerade im Höhengebiet merke man, dass sich Tiere und Insekten wieder entwickelt haben. „Man muss Geduld haben. Man kann nur Angebote machen und versuchen Strukturen zu schaffen, die Biotope verbinden“, erklärt die Gärtnerin. Allerdings seien auch die Nachrodt-Wiblingwerder gefragt. „Solche Flächen können keinen englischen Rasen gebrauchen. Da müssen sich die Sehgewohnheiten auch verändern. Das muss ein Miteinander sein“, betont Mirjana Romich.
Übrigens: Wer jetzt in Rennerde auf den Bus wartet oder Kinder, die dort spielen, brauchen keine Angst vor den Sand- und Erdbienen haben. „Zwar besitzen die Weibchen einen Stachel, den sie zur Not auch einsetzen würden. Doch kann der Stachel die menschliche Haut nicht durchdringen“, heißt es vom BUND.