Wenn es um Fußball geht, zumal um dessen Historie, macht Hardy Grüne so schnell keiner etwas vor. Der 62-jährige Journalist und Buchautor lebt seit 1975 in Göttingen. Geboren wurde Hardy Grüne allerdings in Dortmund – und da war ihm der Fußball quasi in die mit schwarz-gelber Bettwäsche ausgeschlagene Wiege gelegt worden.
Hardy Grüne blickt zurück: „Papa war Borusse, aber als wir nach Göttingen zogen, waren Göttingen 05 und der BVB beide in der 2. Bundesliga Nord. Ich wurde also 05er, mit, wie man sich denken kann, fatalen Folgen. Statt Champions League heißt das heute Landesliga."
Vorstellung im Fußballmuseum Dortmund
Am Dienstag, 26. August, stellt er im Fußballmuseum Dortmund sein neuestes Buch vor: „Die Geschichte der Regionalliga West 1963 bis 1974." Die Regionalliga war seinerzeit in fünf Gruppen eingeteilt – West, Süd, Südwest, Nord und Berlin - und die zweithöchste Spielklasse in Deutschland, quasi die 2. Liga von heute.
Rot-Weiß Lüdenscheid war dabei
Daran erinnern sich die älteren Fußball-Enthusiasten aus dem Märkischen Kreis noch sehr gerne. Zu den Vereinen der Regionalliga West gehörte seinerzeit nämlich auch Rot-Weiß Lüdenscheid, heute Kreisligist. Heimat der Rot-Weißen war damals das Nattenberg-Stadion. „Eine meiner legendärsten Auswärtsfahrten überhaupt führte nach Lüdenscheid“, erinnert sich Hardy Grüne, „in der 2. Bundesliga Nord, 1980/81. Irgendwann im Februar steht das Auswärtsspiel von Göttingen 05 am Nattenberg an. Beide Teams sind hoffnungslos abgeschlagen im unteren Tabellendrittel, das Erreichen der eingleisigen 2. Bundesliga ist Utopie. Ein Spiel um die goldene Ananas also. Wir 05-Fans fahren trotzdem hin. Den ganzen Tag über schneit es heftig. Mit dem Zug kommen wir bis Hagen, dann ist Schluss. Keiner glaubt, dass in Lüdenscheid gespielt werden kann. Mit dem Taxi fahren wir rüber. Es wird gespielt, auf ungewalztem Schneeboden vor einer dreistelligen Kulisse. Eines der absurdesten Fußballspiele, das ich jemals gesehen habe. Es geht 1:1 aus. Dann mit dem Taxi zurück nach Hagen und weiter nach Göttingen. Lüdenscheid = unvergessen!“
„Gedächtnis des Fußballs“
Das will schon etwas heißen, denn als Journalist, Buchautor, Lektor und Vortragender ist der Fußball-Historiker in der Vergangenheit viel unterwegs gewesen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung nannte Hardy Grüne einmal „Das Gedächtnis des Fußballs“.
Zusammen mit Frank Willig bringt er seit 2015 die Quartalszeitschrift „Zeitspiel – Magazin für Fußball-Zeitgeschichte“ heraus. Hardy Grüne gehört dem Wissenschaftlichen Beirat des Niedersächsischen Instituts für Sportgeschichte an. „Es sollte allerdings nicht bei einer eindimensionalen Erinnerungskultur bleiben. Gestern und Heute müssen verbunden werden, damit ein Morgen entstehen kann. Und darin sehe ich meine Aufgabe als Fußball-Historiker: Nicht nur beschreiben, was war, sondern analysieren, wie es wurde und wie es weitergehen kann. Davon ist meine Arbeit geprägt."
42 Regionalligisten – elf Spielzeiten
Zurück zum neuen Buch: „Die Geschichte der Regionalliga West“ erzählt die Historie aller elf Spielzeiten, stellt sämtliche 42 Regionalligisten von 1963 bis 1974 vor und erinnert an die bedeutendsten Spieler der Ligageschichte. Es ist eine Erfolgsgeschichte, denn der Westen stellt zu Regionalligazeiten die meisten Bundesligaaufsteiger – zwölf von 22 – und oft war die Spielklasse Publikumsmagnet. Rot-Weiß Lüdenscheid gehörte seinerzeit dazu. Es ist aber auch die Geschichte eines umfassenden Strukturwandels, der aus einem lokalen Arbeitersport modernen Angestelltenfußball machte.
Klangvolle Namen
Die Regionalliga West war damals gespickt mit klangvollen Namen: VfL Bochum, Wattenscheid 09, Arminia Bielefeld, Rot-Weiß Essen, Fortuna Düsseldorf, Alemannia Achen, Borussia Mönchengladbach, Rot-Weiß Oberhausen, Bayer 05 Uerdingen, Preußen Münster und Borussia Dortmund. Aus der Region gehörten neben auch Rot-Weiß Lüdenscheid, die Sportfreunde Siegen, der VfL Klafeld-Geisweid und der SSV Hagen zu diesem erlesenen Feld. Die Regionalliga war ebenso Sprungbrett für späteren Fußball-Größen wie Günter Netzer, Hans Walitza, Reiner Geye, Günter Pröpper, Willi „Ente“ Lippens, Dieter Herzog, Wolfgang Fahrian, Herbert „Aki“ Lütkebohmert.
Schütz und Wosab bei RWL
Zum Regionalliga-Team von Rot-Weiß Lüdenscheid gehörten seinerzeit unter anderem Reinhold Wosab, Hans-Jürgen „Pico“ Schütz, Gerd Haselhoff, Bernd Linnhoff, Georg Schymantzek, Klaus Seiler, Wolfgang Jakubowski, Manfred Pohlfuß und Jürgen Boduzek.
Präsentation im Fußballmuseum
Vorgestellt wird sein neuestes Buch am Dienstag, 26. August, im Fußballmuseum in Dortmund. Dann sind auch einige ehemalige Spieler von damals dabei. Der 244 Seiten umfassende Band „Die Geschichte der Regionalliga West 1963 bis 1974“ ist zum Preis von 29,90, Euro nur über das Zeitspiel-Magazin erhältlich. Die weiteren Bände erscheinen im Jahrestakt. Nach der Regionalliga West (2025) folgt die Staffel Nord (2026), der Südwesten (2027), der Süden (2028) und Berlin (2029). Für die DDR-Liga, Unterbau der Oberliga, ist ein ähnlicher Band in Planung.
Podcast zum Buch
Wer vorab schon einmal mehr wissen möchte, kann sich auch den Podcast mit Hardy Grüne und Franz Schoo dazu anhören.
