Es fiel den Politikern sichtlich schwer, sachlich zu bleiben. Auf die Nachfrage des fraktionslosen Aykut Aggül, wie der aktuelle Stand in Sachen neuer Gastronomie auf dem ehemaligen Rastatt-Gelände ist, wurde Bürgermeisterin Birgit Tupat deutlich: „Ich erwarte eine Aussage. Und die ist er uns nach eineinhalb Jahren auch einfach schuldig. Das haben wir verdient. Sich nicht zu melden, ist einfach unseriös.“ Seit Monaten warte sie auf konkrete Antworten, habe unzählige Male versucht, ein Gespräch mit ihm zu führen. „Ich habe monatlich geschrieben und an den Termin erinnert. Im Juli hatten wir uns dann getroffen. Da ging es noch um Gespräche mit Banken, aber er war immer noch interessiert. Wir hatten einen festen Termin für ein Folgetreffen. Das wurde abgesagt. Seither habe ich alle zwei Wochen nachgefragt. Per Telefon, per E-Mail, sogar mit unterdrückter Nummer“, sagte Tupat. Aus ihrem Urlaub heraus habe sie dann noch eine WhatsApp geschrieben, auf die er auch Anfang August reagiert habe und schrieb, dass er im Urlaub sei. Seither gab es keinen Kontakt mehr und es gebe nach wie vor keine klare Aussage zum aktuellen Vorhaben.
Klaus Weihrauch selbst habe nach außen hin kundgetan, dass die Erbpacht ihn störe. „Aber wir haben nie über Erbpacht gesprochen. Das ist Quatsch. Wenn wir keine Rückmeldung bekommen, müssen wir das Gelände wieder freigeben. Natürlich ist mir bewusst, dass die Leute dafür nicht Schlange stehen. Aber wir sind an einem Punkt, da müssen wir weiterkommen.“ Das sahen auch die anderen Ausschussmitglieder so. Ronny Sachse (SPD) unterstützte das Vorhaben auf eine Entscheidung zu drängen: „Es kann nicht unser Problem sein, dass er irgendwelche Probleme hat. Wir müssen an dieser Stelle weiterkommen.“ Philipp Olschewski (CDU) bekräftigte dies: „Es war klar, dass das eine Millioneninvestition ist. Das wusste er vorher. Wir können das den Leuten langsam nicht mehr erklären.“ Aykut Aggül findet klare Worte: „Der Zug mit Herrn Weihrauch ist abgefahren.“ Man warte auf einen Menschen, der nicht aus dem Quark komme. „Heute hat er Urlaub, morgen ist er krank. Läuft aber durch ganz Berlin und sammelt Spenden für das Sozialprojekt“, sagte Aggül.
Petra Triches (UWG) stimmte ihren Vorrednern zu und sieht das Problem vor allem in der derzeitigen Wirtschaftslage. „Ich glaube, dem fehlt das Geld. Da haben wir schlechte Karten.“ Bürgermeisterin Birgit Tupat ist derweil an dem Punkt, dass ihr auch eine Absage recht wäre: „Besser als keine Antwort.“
Die Politiker waren sich einig, dass sie in der Dezemberratssitzung ihren Beschluss zurücknehmen möchten, sollte bis dahin immer noch nicht klar sein, wie es weitergeht. Dann soll das Projekt ein drittes Mal ausgeschrieben werden. Auch möchte Bürgermeisterin Birgit Tupat noch einmal das Gespräch mit Shqiprim Hasani suchen. Er hatte sich damals ebenfalls um das Projekt beworben, aber mit einem nicht ganz so guten Auftritt klar gegen den souveränen Bewerber Weihrauch verloren.
Dass es schwer wird, in wirtschaftlich eher schlechteren Zeiten jemanden zu finden, der dort Gastronomie verwirklicht, wissen alle Beteiligten. Ronny Sachse gab daher zu bedenken, dass es vielleicht auch an der Zeit sei, andere Konzepte für das Gelände zu überdenken. Vorstellbar wäre gegebenenfalls eine Parkanlage, die für eine gelegentliche Bewirtung oder Veranstaltungen nutzbar wäre. Dem konnten die anderen folgen. Ziel soll es dennoch sein, sich um eine Gastronomie weiterhin zu bemühen und noch ist auch Investor Klaus Weihrauch noch nicht aus dem Rennen – zumindest nicht offiziell.
Auch LokalDirekt hatten in den vergangenen Monaten mehrfach das Gespräch gesucht, aber Klaus Weihrauch nicht erreicht. Telefonisch war er am Dienstagvormittag nicht erreichbar. Auf eine E-Mail mit der Frage, ob tatsächlich kein Interesse mehr habe, antwortete er bisher nicht.
Das Rastatt-Dilemma
Die Rastatt wird am 1. Juni 2018 geschlossen. Damit verliert Nachrodt nicht nur eine wertvolle Gastronomie, sondern auch Räume für Veranstaltungen. Zum Abschied findet am 10. Juni 2018 ein großes Trödelfest statt. Doch was soll mit Rastatt passieren? Das Gebäude steht leer. Am 17. Juni 2020 gibt es im Rat den einstimmigen Beschluss, dass das Gebäude nach zwei Jahren Leerstand so viel Schaden genommen hat, dass eine Sanierung, die zuvor schon schwierig gewesen wäre, nun komplett unrealistisch ist. Die Rastatt wird im Dezember 2020 abgerissen. Mit dem Gastro-Konzept Qbus möchte man etwas Neues schaffen. Ein neues, innovatives Konzept einer Gastronomie soll es werden. Doch Investor Christian Waleczek machte überraschend einen Rückzieher – obwohl es schon Spendenzusagen seitens der Nachrodt-Wiblingwerder über mehr als 54.000 Euro gab, wovon eine Bürgerstiftung gegründet werden sollte. Anfang 2023 gab es dann wieder Gespräche mit potenziellen Investoren. Ende Juni 2023 gibt es dann den Zuschlag für Klaus Weihrauch.
Kommentar
Von Lydia Machelett
Das Vertrauen ist weg, die Skepsis groß. Es gibt keine gemeinsame Basis mehr, der Traum von der Gastronomie ist scheinbar geplatzt. Wenn Klaus Weihrauch jetzt nicht schnell eine Aussage trifft und zudem eine Erklärung sowie eine Entschuldigung für sein Abtauchen liefert – und danach sieht es nicht aus – gibt es kein „Wir“ mehr. Das Konzept überzeugte damals, die vorgelegten Referenzen ebenfalls. Aber das Vorhaben ist für Weihrauch kein reines Herzensprojekt, sondern klar ein Investitionsprojekt. Und für solche stehen die Zeichen in der Wirtschaft bekanntlich gerade schlecht.
Doch auch darüber könnte man vermutlich reden. Wie heißt es so schön salopp: „Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden.“ Das Verhalten des Investors hat Vertrauen zerstört. Wer sagt, dass er wirklich baut? Oder ist es nur ein Anlageobjekt, das er jahrzehntelang brach liegen lässt? Es wäre seitens des Investors an der Zeit, einen offiziellen Rückzieher zu machen. Ungewissheit und Untätigkeit, verschwenden die Zeit aller Beteiligten und vor allem der Nachrodt-Wiblingwerder. Das ist kein fairer Umgang mit Menschen, die fest an einen geglaubt haben und halfen, Wege zu bereiten. Nachrodt-Wiblingwerde braucht einen Investor mit Begeisterung und Liebe zur Gemeinde. Jemand, der hunderte Kilometer weit weg sitzt und nicht erreichbar ist, ist nicht der Richtige. Und auch wenn die Politiker wieder Schelte von den Bürgern bekommen: Es ist an der Zeit den Mut zu haben, offen zu sagen, was Sache ist und den Traum platzen zu lassen. Dann heißt es kurz schütteln, den Frust und Ärger schlucken und nach vorne schauen. Es wird nicht leicht. Das ist sicher. Es ist keine Zeit für Millioneninvestitionen. Aber der Traum, dass auf dem Gelände etwas Neues entsteht, der darf nicht platzen. Im Gegenteil, wie auch ein Zitat der Autorin Fadime Aliciya Delice besagt: „Alte Träume sind abgenutzt und verweilen in der Vergangenheit. Neue Träume gestalten die Gegenwart und geben uns wieder Halt.“