Kommentar.

Wenn rechte Gruppen die deutsche Flagge schwenken, hat das nichts mit Patriotismus zu tun – es ist der Versuch, ein nationales Symbol für Ausgrenzung, Hass und Geschichtsvergessenheit zu kapern. Was eigentlich ein Zeichen demokratischer Einheit und freiheitlicher Geschichte sein sollte, wird so zum Banner einer Ideologie, die sich gegen eben diese Werte richtet.

Die Kommentare sind erschütternd und machen fassungslos. Natürlich ist die deutsche Flagge nicht schlecht. Die Deutschen dürfen auch Patriotismus zeigen, stolz auf Deutschland sein - ein Land in dem Menschenrechte gelebt werden. In dem man gerne lebt. Und ja, man darf auch überzeugt sagen, dass man gerne Deutscher ist und dieses Land liebt. Ja, das sollten wir auch. Betonen, wie besonders Deutschland ist und was es uns für Privilegien bietet. Doch das große Aber: Das Problem ist nicht die Flagge selbst. Es ist der Kontext, in dem sie genutzt wird. Wer sie für rechtsextreme Nachrichten nutzt oder sie bei rechtsextremen Aufmärschen sieht, verbindet Schwarz-Rot-Gold nicht mehr mit dem Grundgesetz oder mit einer vielfältigen Gesellschaft, sondern mit Nationalismus und Intoleranz. So wird immer wieder versucht ein Symbol aller Deutschen zu einer Waffe gegen Teile der Gesellschaft umzudeuten.

Die deutsche Flagge weht auf Parlamentsgebäuden, bei Fußballturnieren, an nationalen Gedenktagen – und leider auch bei zunehmenden, rechtsextremen Demonstrationen, Veranstaltungen und am Wochenende in Folge einer rechten Aktion wie in Nachrodt-Wiblingwerde. Dass Schwarz-Rot-Gold von rechten Gruppen bewusst als Symbol für ihre Ideologie genutzt wird, ist kein Zufall, sondern Strategie. Und es ist ein Problem, das weit über Ästhetik hinausgeht. Denn hier wird nicht nur ein Stück Stoff instrumentalisiert, sondern das Selbstverständnis eines demokratischen Landes durch gezielte Verschiebung der Bedeutung angegriffen.

Die Farben der Bundesflagge stehen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Sie gehen zurück auf die demokratischen Bewegungen des 19. Jahrhunderts, die für ein vereintes, freies und gerechtes Deutschland kämpften – gegen Unterdrückung, Monarchie und Willkür. In dieser Tradition wurde die Flagge nach dem Zweiten Weltkrieg bewusst gewählt: als Abgrenzung vom Nationalsozialismus, als Bekenntnis zur neuen demokratischen Ordnung.

Wenn rechte Gruppen diese Flagge nun aufhängen oder schwenken, geht es nicht um Identifikation mit einem weltoffenen, demokratischen Deutschland. Es geht um Abgrenzung, Abschottung und oft genug um offenen Hass. Die Flagge soll den Anschein von Legitimität und Volksnähe erwecken – als würde ihre Bewegung im Namen des gesamten Volkes sprechen. Das ist gefährlich. Denn dadurch wird ein eigentlich verbindendes Symbol zu einem Mittel der Spaltung umgedeutet.

Noch schlimmer: Viele Menschen beginnen, sich von der Flagge zu distanzieren, weil sie sie mit Nationalismus oder Extremismus assoziieren. Wer in Deutschland stolz auf sein Land ist – auf seine Verfassung, seine demokratischen Institutionen, seine vielfältige Gesellschaft –, muss inzwischen oft rechtfertigen, warum er die Nationalfarben zeigt. Das ist ein alarmierender Befund für eine Demokratie.

Der Missbrauch der Flagge durch Rechte ist also doppelt fatal: Er beschädigt das Bild eines Symbols, das für Zusammenhalt stehen sollte, und er trägt dazu bei, die politische Debatte weiter zu polarisieren. Wer die Flagge sieht, soll nicht an „Wir gegen die“ denken, sondern an ein „Wir alle“. An Gleichberechtigung, Vielfalt, Meinungsfreiheit und Respekt – an das, was unser Land im besten Sinne ausmacht. Wer das nicht glaubt, sollte sich einige Minuten Zeit nehmen, um die Aktion hiss die Fahne auf Social Media zu suchen. Die Kommentare darunter sind widerlich, menschenverachtend und überhaupt nicht das, wofür Deutschland steht.

Es ist an der Zeit, dass sich die demokratische Mitte dieses Symbols wieder annimmt. Dass wir zeigen: Die Flagge gehört nicht den Lautesten, sondern denen, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Wer zulässt, dass Rechte sie vereinnahmen, gibt ihnen Macht über die Deutung unserer nationalen Identität. Und das dürfen wir nicht hinnehmen.

Die deutsche Flagge steht für ein Land, das aus seiner Geschichte gelernt hat – oder es zumindest sollte. Sie gehört nicht den Rechten. Sie gehört uns allen. Und es ist Zeit, sie uns zurückzuholen.

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