Spektakuläre Unfälle, die von Senioren verursacht werden, sind immer wieder Auslöser für Debatten darüber, ob eine Altersobergrenze für das selbstständige Fahren eingeführt werden soll. Es gibt aber auch verantwortungsvolle Senioren, die als Beispiel für andere vorangehen, und ihre Lizenz freiwillig abgeben. Friedhelm Wilhelm Mertens ist so ein Vorbild.

Friedhelm Wilhelm Mertens hat sich entschieden: "Ich gebe meinen Führerschein freiwillig ab", sagt er. Der 90-Jährige ist fest davon überzeugt, damit den richtigen Schritt zu tun. "Schließlich will ich jetzt nicht noch einen Unfall verursachen und jemanden verletzen", begründet er seinen Entschluss.

"Das ist eine bemerkenswerte Entscheidung", lobt Bürgermeister Michal Brosch. "In den zehn Jahren, in denen ich in Halver Bürgermeister war, ist mir so ein Schritt zum ersten Mal zugetragen worden. Das zeugt von großer Verantwortung, die Sie für sich und Ihre Mitmenschen übernommen haben, und ist aller Ehren wert."

Dass er den Entschluss von Friedhelm Wilhelm Mertens gutheißt, heißt aber nicht - so betont Brosch -, dass er generell möchte, dass ältere Menschen den Führerschein abgeben sollten. Das sei immer eine Einzelfallentscheidung, sagte er.

Auch bei dem 90-Jährigen hat es mehr als ein Jahr gedauert, bis aus der Idee, den Führerschein abzugeben, eine Umsetzung in die Tat wurde. Seine Tochter, Petra Mertens, musste lange Überzeugungsarbeit leisten, bis der Weg zum Straßenverkehrsamt tatsächlich angetreten wurde, um den Führerschein abzugeben.

Tausende von Kilometern auch beruflich unterwegs

Rund 70 Jahre lang war der Senior mit dem Pkw unterwegs. Und das nicht nur für private Fahrten. Auch als Außendienstmitarbeiter für ganz Europa hat er tausende von Kilometern nahezu unfallfrei absolviert. Selbst Punkte hat er in sieben Jahrzehnten nicht gesammelt. "Bis auf einen kleinen Parkrempler bin ich in den ganzen Jahren gefahren, ohne einen größeren Unfall zu haben", sagt er nicht ohne Stolz.

Vier Autos haben ihn in dieser Zeit begleitet: Ein VW 1200, ein Opel Rekord und ein Audi (der ihm aber zu unbequem war). In den letzten 25 Jahren fuhr er ohne einen weiteren Wechsel einen Toyota. "Ein Bekannter meinte, dass ich ihn doch jetzt verkaufen könnte", erzählt der Senior. "Aber das kommt nicht in Frage. Den fahren jetzt meine Pflegekräfte, wenn sie für mich einkaufen müssen."

Natürlich weiß auch Michael Brosch, dass die Entscheidung, auf die Mobilität mit dem eigenen Pkw zu verzichten, auch deshalb so schwerfällt, weil die öffentlichen Verkehrsmittel in Halver, wie überall in ländlichen Gebieten, viel zu wenig Mitfahrmöglichkeiten anbieten. "Und es ist leider auch Tatsache, dass die MVG zumindest in näherer Zukunft nicht plant, die Taktung der Fahrten zu erhöhen, sondern dass auch dort eher Einsparungen anstehen", ergänzt er.

Umso wichtiger ist die Option, den Bürgerbus nutzen zu können, der in Halver zwei Linien anbietet. "Die Strecken, die befahren werden, sind dabei ja auch nicht in Stein gemeißelt", ergänzt Brosch. "Wenn bestimmte Punkte vermehrt angefahren werden sollen, können die Linien eventuell auch angepasst werden." Auch die Aktion "Senioren helfen Senioren" ist eine weitere Möglichkeit, gerade für Fahrten zum Arzt oder ins Krankenhaus, weiß auch Norbert Wilke, der Lebenspartner von Petra Mertens.

Bürgermeister Brosch dankte dem Rentner mit einem Strauß Blumen und einer besonderen Flasche Wein ganz offiziell für seine Entscheidung, zukünftig auf selbstständiges Fahren zu verzichten. Er will aber seinem Nachfolger im Amt noch die Idee mit auf den Weg geben, nach einem weiteren Anreiz für andere Senioren zu suchen, diesen Schritt ebenfalls zu gehen. Das könnte zum Beispiel eine Jahreskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel oder eine ähnliche, passende Anerkennung sein.