Jahreswechsel: Zeit für einen Rück- und einen Ausblick. Es war politisch ein wirklich volles Jahr. Es ist viel passiert in unserer kleinen Gemeinde. Starten wir kurz und knackig in unser Interview zum Jahreswechsel. Wie würden Sie persönlich das Jahr 2023 mit drei Worten beschreiben?
Birgit Tupat: „Herausforderungen, Vorankommen, Flexibilität.“
Was waren die politischen Marmeladenglas-Momente 2023?
„Die gute Zusammenarbeit zwischen Rat und Verwaltung.“
Nennen Sie bitte drei Highlights und drei Downlights 2023.
„Highlights: Beginn der Sanierung des Gartenhallenbads und des Amtshauses, Lenne lebt.“
Downlights: Verzögerte Vergaben, Cyber-Angriff, immer schwierigere Finanzlage der Gemeinde.“
Gab es einen Moment 2023, in dem Sie richtig stolz auf Nachrodt-Wiblingwerde waren?
„Ich bin immer stolz auf Nachrodt-Wiblingwerde, weil ich glaube, dass es ein besonderer Ort ist.“
Und gab es Momente, in denen Sie enttäuscht oder traurig waren?
„Ja, als ich anonyme Anfeindungen über Facebook bekam. Beispielsweise im Rahmen der Debatte um die Aussagen von Paul Ziemiak im ZDF. Sätze wie ,Vielleicht sollte ich Ihnen wünschen, dass Sie auch so einem Messerkünstler begegnen‘ schmerzen schon.“
Kommen wir zur Politik: Das Thema Flüchtlinge bleibt ein massives Thema. Klein Nachrodt ist, wie Sie gerade bereits erwähnten, durch einen Auftritt von Paul Ziemiak im ZDF ins Rampenlicht gerückt. Wie sieht es aktuell aus? Was erwartet uns 2024? Kann Nachrodt-Wiblingwerde die Anforderungen meistern?
„Bis jetzt können wir die Anforderungen meistern, zwar nur mit enormer Kraftanstrengung, aber ich kann mich da voll und ganz auf meine Mitarbeiter und die Ehrenamtlichen verlassen. Was 2024 wird, ist sicher auch abhängig von der weltpolitischen Lage und den Auswirkungen in den Krisengebieten.“

Bauen – das Thema 2023 schlechthin. Manches nimmt Formen an, manches ist verschwunden, bei anderen Dingen sieht man erstmal wenig Fortschritt. Gehen wir mal durch:
Grundschule Wiblingwerde: Ein neues Schmuckstück, oder? Wann können die Kinder umziehen? Wie ist der Stand?
„Ja, ich glaube, dass die Grundschule Wiblingwerde ein Schmuckstück ist, wenn die Umbaumaßnahmen abgeschlossen sind. Ich bin jedes Mal erstaunt, wie sich die Räume verändert haben, denn ich kenne die Schule ja noch aus meiner eigenen Schulzeit. Der Umzug ist für die Osterferien geplant und bis jetzt liegen wir gut im Zeitplan.“
Hallenbad: Der Aufbau läuft, das sieht man. Dennoch ist seitens des Trägervereins die Kritik groß. Es würde kaputt saniert. Es gab viele negative Stimmen, Leserbriefe, externe Gutachter, etc. Insbesondere Sabine Karisch als Vorsitzende ist nicht gut auf die Gemeinde zu sprechen und macht daraus auch kein Geheimnis. Was ist dran an der Kritik?
„Ich glaube, dass wir alles richtig gemacht haben, in Bezug auf die Sanierung. Natürlich kann man unterschiedlicher Auffassung über manche Maßnahmen sein, aber schlussendlich muss ich meinen Kopf dafür hinhalten und niemand sonst. Ich vertraue auf die Fachmeinung der Beteiligten.“
Wie zermürbend ist diese Stimmungsmache, wenn man eigentlich doch versucht, das Bad zu retten und gerade in der Öffentlichkeit an einem Strang ziehen sollte. Gibt es da nicht Momente, wo man am liebsten alles hinschmeißen würde?
„Ich würde mir eine sachliche Auseinandersetzung wünschen. Dies geschieht auch immer, wenn wir uns mit dem Trägerverein zum Austausch zusammensetzen. Umso zermürbender ist das Gerede hinter dem Rücken der Verwaltung, das leider nicht zu einem harmonischen Miteinander beiträgt.“
Amthaus: Es ist ein bisschen aus dem Fokus geraten, doch es tut sich etwas, oder? Was wird im kommenden Jahr dort passieren?
„Ja, endlich geht es auch beim Amtshaus voran. Im nächsten Jahr wird es mit der Sanierung des Altbaues weitergehen und wir werden die Planungsleistungen für den notwenigen und geförderten Anbau vergeben und dann hoffentlich gut vorankommen.“

Die Lennehalle ist verschwunden. Nur noch ein paar restliche Teile liegen dort: Wird es 2024 einen Beschluss geben, wie es weiter geht?
„Zunächst wir der Arbeitskreis mit der beauftragten Firma für Sportstättenkonzepte tagen, um festzustellen, wie die Halle konzipiert werden soll. Hier ist sicherlich mehr als ein Treffen notwendig, ob es dann schon im Jahr 2024 einen Beschluss dazu gibt, wie die Halle sein soll, kann ich nicht sagen.“
Neubau Feuerwehrgerätehaus Nachrodt: Jetzt ist die Lennehalle weg, der Schießclub ist umgezogen, kann losgehen, oder?
„Zunächst wird die Gründung für das neue Gerätehaus gebaut und in der Zwischenzeit wird mit der Feinplanung begonnen und auch dazu sind noch Ausschreibungen notwendig.“
Rastatt 2.0: Gibt es eigentlich schon irgendeinen Projektnamen für das Vorhaben an der Lenneterrasse?
„Da müssten Sie den Investor fragen, ob es schon einen Arbeitstitel gibt.“
Wie ist der aktuelle Stand? Wird man 2024 dort schon irgendetwas sehen?
„Es werden zurzeit Gespräche mit den beteiligten Behörden geführt, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Ich denke, man wird das Jahr 2024 für die Planung benötigen. Wenn es planungsrechtliche Probleme gibt, ist evtuell noch ein Bebauungsplanverfahren notwendig. Wir unterstützen die Investoren bestmöglich mit unseren Kontakten und gemeinsamen Gesprächen.“

Lennebrücke: Wird 2024 weiter gezittert, ob sie hält oder werden wir vielleicht wirklich einen Bagger dort sehen?
„Zu dem Thema gebe ich keine Prognose mehr ab. Ich hoffe zunächst mal auf einen zeitnahen Planfeststellungsbeschluss. Dann wird man sehen, ob gegen diesen Klage erhoben wird und wie schnell solche Verfahren sind, mag ich nicht zu prognostizieren.“
Blick in die Glaskugel oder schon Gewissheit: Welches Thema wird DAS politische Thema 2024?
„Ich denke, uns wird weiterhin die Frage der Flüchtlingsaufnahme und -unterbringung beschäftigen.“
Was ist Ihre größte Sorge 2024?
„Für Nachrodt-Wiblingwerde? Dass wir aufgrund der angespannten Finanzlage keinen ausgeglichenen Haushalt einbringen können und dass wir weiterhin mit den Folgen des Cyber-Angriffs zu kämpfen haben, dadurch verspätet den Haushalt einbringen und sich Projekte dadurch verzögern.“
Würden Sie sagen, dass Sie 2023 einen guten Job gemacht haben? Und wenn ja warum?
„Ja! Weil ich mich mit viel Engagement für die Belange der Gemeinde einsetze.“
Gab es Dinge, die Sie 2023 rückblickend anders gemacht hätten?
„Ich glaube nicht, dass man zurückblicken sollte bei seinen Entscheidungen, denn es ist müßig, darüber zu sprechen, ob man etwas anders gemacht hätte.“
Was war das Verrückteste, was Sie 2023 als Bürgermeisterin gemacht oder entschieden haben?
„Da fällt mir nichts ein.“

Gab es eine Person, eine Situation, etc., die Ihre Arbeit 2023 maßgeblich beeinflusst hat? Und wenn ja womit?
„Da kann ich keine bestimmte Person benennen, da ich glaube, dass ich bei Nennung einer Person den vielen anderen an meiner Seite nicht gerecht würde.“
Bürgermeisterin sein, ist mental eine Herausforderung. Man wird oft massiv angegangen. Mal vielleicht berechtig, oft aber auch unberechtigt. Warum ist es trotzdem ein Traumberuf, was treibt Sie an?
„Es ist auch dann noch ein Traumberuf, auch wenn es manch unerfreuliche Situationen gibt. Mich treibt an, dass ich etwas für Nachrodt-Wiblingwerde bewirken möchte, weil mir dieser Ort am Herzen liegt.“
Es gibt berufliche Beziehungen, die einen wachsen lassen. Sie haben gemeinsam mit Gabriele Balzukat ein starkes Frauenteam in der Verwaltung gebildet. Seit diesem Jahr ist damit Schluss. Mit wem arbeiten Sie am liebsten zusammen? Wer stärkt Ihnen den Rücken? Mit wem können Sie Entscheidungen und Probleme konstruktiv diskutieren?
„Die Zusammenarbeit mit Gabi Balzukat war sicher besonders, aber auch alle anderen Mitarbeiter stäken mir den Rücken und haben dies immer getan und meine Mitarbeiter wissen, dass ich das auch für sie mache. Mit meinem allgemeinen Vertreter Sebastian Putz und den anderen Fachbereichsleitern kann ich genauso konstruktiv Entscheidungen und Problemen diskutieren.“
Haben Sie eine Lieblings-Bürgermeisterinnen-Aufgabe?
„Ich liebe es, wenn mich die Kinder aus den Kindergärten in meinem Büro besuchen. Das sind wirklich besondere Momente.“
Und zum Abschluss: Was wäre Ihre Traum-Schlagzeile für 2024?
„Ein ausgeglichener Haushalt für Nachrodt-Wiblingwerde.“