„Niemals geht man so ganz, irgendwas von Dir bleibt hier“, sang einst Trude Herr. Und so wird es auch in Nachrodt sein. Die evangelische Gemeinde Nachrodt-Obstfeld trägt klar die Handschrift von Wolfgang Kube. Der gebürtige Dortmunder hat die Gemeinde in mehr als drei Jahrzehnten geprägt. Der Abschied fällt schwer, das wurde deutlich. Gerade jetzt, in der Zeit des Umbruchs, muss er gehen. Aus drei Gemeinden wurde eine Gemeinde. Kürzungen und Schließungen sind unumgämglich. Am morgigen Dienstag, werden die Gemeindemitglieder beispielweise über die Pläne für die kirchenlichen Gebäude informiert. Es ist eine Zeit, in der Kirche sich neu erfinden muss und gleichzeitig, Raum für Traditionen und kirchliche Heimat behalten soll.
Kube ließ es sich nicht nehmen, auch zum Abschied noch einmal an die Zukunft „seiner“ Gemeinde zu denken. „Kirche, das ist ein Ort der Zuflucht. Wenn alles zugemacht wird, werden den Menschen diese Orte geraubt, ob wirtschaftlicher Zwang oder Vernunft – das ist so“, sagte er in seiner vorerst letzten Predigt. Und er wählte das Bild vom Bauzaun. Die Menschen, die davor stehen, wissen nicht was passiert. Die, die dahinter stehen, schaffen Tatsachen. „Ich wünsche mir, dass diese Gemeinde nicht vor dem Bauzaun steht. Es gilt, sich einzumischen. Und das muss nicht immer nett und vernünftig sein. Es ist an der Zeit, Kirche mitzugestalten“, appellierte Kube an die Anwesenden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass es viele Gemeindemitglieder gibt, die sich im Fusionsprozess nicht mitgenommen fühlten – vor allem an den anderen beiden Standorten Altena und Wiblingwerde.
„Alles hat seine Zeit“, steht es in der Bibel. Kube erinnerte in seiner Abschiedspredigt daran, dass das Leben immer aus verschiedenen Phasen bestehe und jede habe ihren Zweck. „Weisheit bedeutet, die einzelnen Jahreszeiten des Lebens zu akzeptieren“, sagte der Pfarrer. Der Bibelvers mache deutlich, dass alles zum richtigen Zeitpunkt geschehe, auch wenn es sich nicht immer so anfühle. „Alles geschieht nach Gottes Plan und zu seiner Zeit. Diese Perspektive kann Trost und Hoffnung bieten“, erklärte Kube. Umso wichtiger sei es, im Moment präsent zu sein und jede gegenwärtige Phase bewusst zu erleben.
Kube habe viele Phasen der Gemeinde bewusst erlebt und erinnert sich daran. „Es waren viele gute Zeiten, die ich hier in Nachrodt – und in dem Jahr der Trinitiatis-Gemeinde erlebt habe“, sagte Kube. Das lag vor allem an den Menschen, die mir hier begegnet sind. Die Nachrodter seien geprägt von einem offenen Denken, sehr liberal, oft etwas zweifelnd, aber mit der Bibel in der an der Hand. „Ich durfte miterleben, wie Menschen hier zum Segen anderer wurden“, erinnerte er sich. Eines wurde an dem Abend deutlich: Kube und Nachrodt – das ist eine besondere Beziehung. Dabei war der gebürtige Dortmunder lange Zeit gar nicht so überzeugt von der Idee nach Nachrodt zu gehen.
Fotogalerie:
1989 begann er sein Sondervikariat im kirchlichen Sozialamt. Er übernahm in diesem Rahmen eine Vermittlerrolle zum Kirchenkreis Iserlohn. Da zu seiner Ausbildung auch Gemeindearbeit gehörte, wurde er schließlich nach Nachrodt geschickt. „Ich dachte, Nachrodt ist gut, das hat eine gute Anbindung an die Autobahn – damals zumindest“, sagte Kube. Inkognito wollte er einen Gottesdienst besuchen, um sich die Gemeinde erstmal anzusehen. Der Städter mit Lederjacke und langen Haaren sei natürlich sofort aufgefallen. Und so kam er nach Nachrodt. „Ich brauchte schon etwas Zeit zur Eingewöhnung. Immer wenn ich in Höhe Reynolds war, knipste einer das Licht aus. Da war die Sonne plötzlich weg. Ein Leben zwischen Bergen war ich nicht gewöhnt“, erzählt der Pfarrer lachend.
Superintendentin Martin Espelöer blickte ebenfalls noch einmal zurück auf mehr als 30 Jahre Nachrodt: „Sie haben vorausschauend agiert. Ich habe sie als einen Mann erlebt, der sehr kluge Gedanken hat. Kein Wunder, dass sie immer einer waren, der mitgestalten wollte. Dieses Weit-Denken ist ein Aspekt, den ich sehr an Ihnen schätze.“ Er habe die Aufgaben und Herausforderungen angepackt – auch wenn diese nicht immer nur schön gewesen seien. In seine Amtszeit fiel beispielsweise die Aufgabe und der Verkauf des Gemeindehauses an der Schillerstraße. „Der Abschied vom Friedhof hat bis heute Wunden hinterlassen“, sagte Espelöer. Es sei deutlich geworden, dass Wolfgang Kube, die Gemeinde, die er einst unfreiwillig entdeckt habe, mochte. „Das war schon eine glückliche Fügung“, sagte die Superintendentin. Kube habe das weite Denken im Tal zugelassen und Raum für Zweifelnde und Suchende geschaffen. Er sei ein Pfarrer mit Ecken und Kanten gewesen, der aber immer für seine Gemeinde gekämpft habe.
Wolfgang Kube wird Nachrodt nun verlassen und zurück in sein Elternhaus in Dortmund ziehen.