Vor dem Hintergrund der jüngsten Rechercheergebnisse des Netzwerkes Correctiv, wonach im November hochrangige Funktionäre aus der Neonazi-Szene und rechtsextremer Organisationen und Parteien sowie finanzstarker Unternehmer für den Falle der Machtübernahme Deportationsphantasien zusammengetragen haben, positionierte sich die gesamte Schule nun klar gegen Ausgrenzung und Rassismus. Den Rechercheergebnissen zufolge sollen in der Extremvariante alle Menschen mit Migrationshintergrund, auch mit deutscher Staatsangehörigkeit, aus Deutschland vertrieben beziehungsweise deportiert werden; Gleiches gelte für alle „Bio-Deutschen“, die sich für Geflüchtete und Migranten einsetzen. „Als möglicher Deportationsort wird Nordafrika genannt. Mit diesen rassistischen Phantasien knüpfen die Neo-Faschisten an Planungen der Nationalsozialisten an, Menschen jüdischen Glaubens nach Madagaskar zu deportieren“, sagt Johannes Heintges.
Schulleiter Johannes Heintges beschreibt die als Antwort darauf stattgefundene, schulinterne Aktion am Mittwoch als „ganz besondere, handlungsorientierte Form von Unterricht“, dargestellt in drei Phasen.
Zunächst verließen alle Schüler und Lehrer die Klassen, die nicht in Deutschland geboren wurden und versammelten sich auf dem Forum. Es folgten Schüler und Kollegen, deren Eltern und danach deren Großeltern nicht in Deutschland geboren wurden. Schüler und Kollegen, deren Einwanderungsgeschichte schon länger zurückliegt und sogenannte „Bio-Deutsche“ versammelten sich zunächst auf dem oberen Schulhof. „Am Ende dieser Phase ist deutlich, wie groß die Anzahl der Schüler und Kollegen, die von den Deportationsphantasien unmittelbar betroffen wären, tatsächlich ist“, beschreibt Johannes Heintges den Hintergrund der Aktion und belegt: „Von 1235 Schülern der Gesamtschule haben 511 Schüler einen Migrationshintergrund [mindestens ein Elternteil ist nicht in Deutschland geboren]. Das sind circa 41 Prozent.“
In der zweiten Phase vereinten sich die Schüler und Lehrer vor dem Haupteingang mit denen auf dem Forum und bildeten fortan wieder eine Einheit. Heintges: „Als Zeichen unserer Gemeinschaft haben sich alle Schüler und Lehrer untergehakt. Wir haben uns zusammen gefreut. So wurde auch optisch signalisiert: Wir alle gehören zusammen!“

In Phase drei erhielten die Schüler schließlich Informationen zum Sinn und Hintergrund der Aktion, in die die Lehrer bereits seit dem Wochenende eingeweiht waren. In nachfolgenden Gesprächen und Diskussionen klärten Lehrer über die Fakten und den Inhalt der Deportationsphantasien auf. Zudem bewerteten sie die Relevanz der Deportationsphantasien für die Schüler selbst, die Schule, die Gesellschaft und die Demokratie.
„Wir sehen in den Deportationsphantasien auch eine Bedrohung unserer Schule, an der wir uns in besonderer Weise der Integration und unserer Demokratie verpflichtet fühlen“, bekräftigt Schulleiter Heintges. „Wir sind eine Schule der Demokratie und sehen in der kognitiven und performativen Demokratieerziehung eine zentrale Aufgabe unserer Schule.“
Die Ansprache des Schulleiters an seine Schüler im Wortlaut:
„Liebe Schüler*innen,
ihr habt bestimmt eben schon miteinander gesprochen und wisst, warum wir diese Übung durchgeführt haben. Im November des letzten Jahres haben sich bei einem Geheimtreffen rechtsextreme Politiker getroffen und darüber phantasiert, was sie machen, wenn sie in unserem Land an die Macht kommen: Sie möchten alle Ausländer und alle Menschen, die nach Deutschland eingewandert sind oder deren Eltern oder Großeltern nach Deutschland eingewandert sind, aus Deutschland vertreiben. Sie sollen in die Länder, aus denen sie, ihre Eltern oder Großeltern hierher gekommen sind, gebracht werden, oder, wenn das nicht geht, nach Nordafrika gebracht werden. Dabei soll es egal sein, ob die Menschen die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder nicht. Diese rechtsextremen Politiker nennen das „Remigration“, klingt harmlos, aber sie meinen Deportation, Vertreibung mit Gewalt. Das ist ein Verbrechen, das ist Rassismus und mit der Verfassung unseres Landes überhaupt nicht vereinbar. Diese Leute wollen ein anderes Land und unsere Demokratie abschaffen.
Alle Schüler*innen und Lehrer*innen, die eben auf dem Forum standen, müssten dann unser Land verlassen und auch die sogenannte Bio-Deutschen, die sich freuen, dass wir ein so buntes Land sind, dass alle, die nach Deutschland eingewandert sind, hier leben. Unsere Schule wäre dann ganz anders und ziemlich leer. Sie wäre nicht mehr unsere Schule. Eine schreckliche Vorstellung!
Leider denken das nicht nur ein paar Spinner auf einem Geheimtreffen. Sondern darüber wird ganz offen auf Parteitagen einer Partei geredet, die – wären heute Bundestagswahlen – mit 22 % die zweitstärkste Partei in Deutschland wäre. Daher ist es längst Zeit, dass wir anderen in Deutschland und wir in unserer GsKi ganz deutlich sagen: Nein, es reicht! Deswegen sind in der letzten Woche hunderttausende Menschen in Deutschland auf die Straße gegangen. Und auch wir sagen heute:
- Wir freuen uns, dass wir so ein buntes Land sind, mit so vielen Menschen unterschiedlicher Herkunft, mit so vielen verschiedenen Kulturen. Wie bei uns, an unserer Schule. Das ist nicht immer einfach. Aber es ist gut so.
- Wir haben z.T. andere Überzeugungen. Aber wir haben auch viele Überzeugungen gemeinsam: Wir möchten in einer Demokratie leben. Wir verteidigen unsere Demokratie. Jeder von uns hat die gleichen Rechte, die Grundrechte. Jeder von uns hat die gleiche Freiheiten, z.B. die Freiheit, zu denken und auch offen zu sagen, was er/sie für richtig hält; z.B. die Freiheit zu glauben, was man will. Wir sind tolerant und respektieren einander, selbst dann, wenn wir uns schon mal komisch finden.
- Wir alle gehören zusammen. Es gibt keinen Deutschen erster oder zweiter Klasse. Deutsch ist, wer einen deutschen Pass hat. Punkt. Wir alle haben eine Einwanderungsgeschichte. Bei den einen ist sie jünger, bei den anderen liegt die Einwanderung vielleicht Jahrhunderte zurück. Wer gegen unsere Verfassung und Demokratie ist, kann gerne auswandern! Wir bleiben!
Liebe Schülerinnen und auch liebe Kolleginnen, die ihr nicht in Deutschland geboren seid, deren Eltern oder Großeltern nicht in Deutschland geboren sind – es ist uns wichtig, dass ihr wisst: Wir freuen uns, dass ihr da seid. Wir möchten euch heute sagen: Wir möchten nicht, dass ihr Angst habt! Wir möchten nicht, dass ihr euch fremd bei uns fühlt. Wir möchten nicht, dass Faschisten in Deutschland wieder an die Macht kommen und unsere Freiheit, unsere Demokratie abschaffen. Wir stehen zusammen. Wir alle sind die GsKi!„
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