Viele kennen die Sauerland-Krimis von Kathrin Heinrichs. Oder ihre Schmunzel-Storys aus dem Kurzgeschichtenband „Gras drüber“. Ihr neues Bühnenprogramm „Werd nicht wie sie“ zeigt eine ganz andere Seite der Mendener Autorin. Sie kämpft für Freiheit, Demokratie und mehr Zivilcourage.

Sie reagiert mit „Werd nicht wie sie“ auf Antisemitismus, Hakenkreuz-Schmierereien, rechtsextreme Parolen, Sabotage, das Schrumpfen der gesellschaftlichen Mitte und das Erstarken der Ränder. „Die gesellschaftliche Mitte war früher gefühlt breit. Darin hatte auch ich es mir gemütlich gemacht. So ist es aber nicht mehr“, sagte sie vor ihrer literarischen Lesung beim Geschichtlichen Forum des Geschichts- und Heimatvereins (GHV) in der Stadtbücherei. Das Publikum erlebte bei dieser gemeinsamen Veranstaltung von GHV und den Freunden der Stadtbücherei eine inspirierende Kathrin Heinrichs. Kathrin Heinrichs will Impulse für mehr Demokratie liefern. Das ist ihr gelungen.

Wie schnell sich Rechtsradikalismus und Reichsbürger-Irrsinn in eine Familie einschleichen können, erzählt  ihre Geschichte „Im Sumpf“. Es geht um den Computer-Nerd Yannik und seinen Vater. Yannik wird nach dem Abitur in ein Öko-Camp geschickt, damit er auf andere Gedanken kommt. Das passiert auch und wie. Der junge Mann entfremdet sich seiner Familie und schließt sich einer Reichsbürger-Truppe an, die sich in einem Ausbildungscamp auf einen Bürgerkrieg vorbereitet. Seinen Vater, den Lehrer, empfindet er als schwach. Mit dem Staat will er nicht mehr zu tun haben. Yannik ist im rechtsradikalen Sumpf gelandet. Sein Vater will ein starkes Zeichen setzen, seinen Sohn retten und zündet das Ausbildungslager an. Bilder einer Überwachungskamera überführen ihn und so landet er im Knast, einer anderen Art von Sumpf.

Kathrin Heinrichs will Impulse für mehr Demokratie liefern. Das ist ihr gelungen.
Foto: Wolfgang Teipel / LokalDirekt

Bewegend auch die Geschichte „Werd nicht wie sie“, die dem aktuellem Bühnenprogramm ihren Namen gab. Sie spielt in einem der zahlreichen Strafgefangenenlager rund um das Projekt „Schwalbe 1“ – das größte Geheimprojekt des Nazi-Regimes. Zwischen Menden und Hemer, so die Pläne, sollte eine riesige unterirdische Raffinerie für Flugbenzin entstehen. Rund 10.000 Menschen wurden unter unmenschlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen. In diesen grausamen historischem Rahmen stellte Kathrin Heinrichs die fiktive Geschichte um Karl, der auch unter diesen Umständen seine Menschlichkeit bewahrt. Es geht um gelebte Solidarität unter schlimmsten Umständen. Höhepunkt ist eine Szene, in der Karl schwerverletzt im Nazi-Lazarett liegt und von einem Aufseher verprügelt wird. Sein Leidensgenosse, der sich seit Karls Ankunft Sorgen um den jungen Mann gemacht hat, fasst sich ein Herz, will ihn retten und kämpft den brutalen Wächter nieder. Als er kurz davor ist, ihn zu erschlagen, flüstert ihm der sterbende Karl zu: „Werd nicht wie sie“. Stille im Publikum, Kathrin Heinrichs lässt die Geschichte bei leiser Musik nachwirken.

Doch bleibt sie nicht bei den Lehren aus der Vergangenheit stehen. Gekonnt führt sie aus der Beklemmung heraus in Situationen der Alltagsrealität, erzählt von Zivilcourage und belebender Solidarität. „Der Tag, an dem Frau Mistelkamp ihre Verfassung verlor“ thematisiert Fake-News in einer Dorfgemeinschaft, aber auch die Kraft von Gemeinsinn und Mitmenschlichkeit.

Dr. Dietmar Simon, stellvertretender GHV-Vorsitzender, sprach sicher für viele im Publikum, als er sagte: „Sie haben uns mit ihrem Programm an diesem Abend sehr bewegt.“ Ihn hatte das aufrüttelnde Leseprogramm über den Wert der Demokratie stark beeindruckt.