Invasive Tierarten sind problematisch, weil sie in einem neuen Lebensraum oft keine natürlichen Feinde haben und sich deshalb schnell vermehren können. Dadurch können sie die ökologische Balance stören und heimische Arten verdrängen. Ein Beispiel in Deutschland ist der Waschbär, der sich stark vermehrt und einheimische Arten bedroht. LokalDirekt hat mit Torsten Pühl, Vorsitzender des Hegerings Altena, ausführlich über dieses Thema gesprochen:
Waschbär, Nutria, Kanada-Gans, Mufflon und Damwild – alle sind hier eigentlich nicht heimisch. Aber es gibt sie und zwar nicht zu knapp. Wie kommen die Tiere hier her? Also ein Insekt kommt vielleicht im Einkauf mit, aber ein Damhirsch oder ein Waschbär nicht, oder?
Torsten Pühl: „Diese Tierarten wurden vor Jahrzehnten nach Europa eingeschleust – haben sich also nicht natürlich hierhin ausgebreitet. Hier sind sie dann aus der Gatterhaltung irgendwann in Freiheit gelangt und konnten sich – mehr oder weniger schnell – verbreiten. Unsere Natur ist darauf nicht eingestellt und so leidet diese durch Verbiss und Schälschäden an Gehölzen und die Entnahme von wichtigen und seltener gewordenen Tierarten die ohnehin in ihrer Lebensumgebung bedroht sind.“
In Sachen Waschbär wird in anderen Hegeringen viel über Fallenjagd diskutiert. Bei euch war der Waschbär eher eine Randnotiz, aber es gibt sie?
„Ja das ist wahr. Aber die Sichtungen werden auch bei uns im Hegering mehr, so dass davon auszugehen ist, dass die Population in den nächsten Jahren stark ansteigen wird. In anderen Hegeringen sind sehr hohe Zahlen genannt und auch die Untere Jagdbehörde sucht dringend nach Leuten aus der Jägerschaft, die Aufklärung und Abhilfe schaffen können. Auch wir haben Ansprechpartner im Hegering, die hier unterstützen können. Gerne kann man sich auch an uns wenden, wenn ein Problem besteht.“
Rehe richten Schäden an jungen Bäumen an, zu viele Schweine erhöhen das Schweinepest-Risiko. Naiv gefragt: Waschbären sind doch putzig, warum müssen sie bejagt werden? Welche Gefahr geht von ihnen aus?
„Der Waschbär ist vor etwa 90 Jahren aus Nordamerika nach Hessen eingebracht worden, irgendwann in Freiheit gelangt und so konnte er sich ausbreiten. Er ist ein anpassungsfähiger Kulturfolger, das heißt er hält sich gern in der Nähe von Ortschaften und in der Nähe der Menschen auf. Waschbären haben keine natürlichen Feinde, sind nachtaktive Allesfresser und haben hier bei uns ein reichhaltiges Angebot an Nahrung und daher vermehren sich daher sehr stark.
Zu Ihrer Beute gehören neben Fisch und Amphibien auch die Gelege von Bodenbrütern wie Enten und anderen Vogelarten. Bedroht sind ebenso andere heimischen Tierarten – auch Hasengelege lassen sie nicht aus. Durch unsere geschaffenen Monokulturen wie zum Beispiel dem verstärkten Maisanbau, sind Feldhasen und Schnepfen in unseren Bereichen deutlich weniger geworden.
Wenn ein solches Tier sich erst im heimischen Garten oder gar im Haus niedergelassen hat wird man ihn so schnell nicht mehr los. Sie sind frech, wenn es ums Futter geht und sicher nicht zu unterschätzen. Daher sollten diese Tiere, sehen sie auch noch so niedlich aus, niemals gefüttert werden.“
Haben Sie einen Überblick, wie viele es hier gibt? Und woher weiß man, dass eine Population zu hoch ist? Man kann ja schlecht eine Inventur machen, oder?
„Man kann anhand der steigenden Abschusszahlen und häufiger werdenden Sichtungen im Märkischen Kreis die Population auch nur grob abschätzen. Bei uns im Hegering würde ich aktuell von etwa 70 bis 80 Tieren ausgehen. In ganz Deutschland schätzt man mittlerweile einen Bestand von etwa zwei Millionen Tieren.“
Was macht Nachrodt-Wiblingwerde attraktiv für Waschbären und was für einen Lebensraum brauchen sie eigentlich?
„Es sind die ufernahen Waldbereiche von Bächen und Teichen, die sie lieben. Dort finden sie ausreichend Nahrung wie Frösche und andere Amphibien. Tagsüber schlafen Sie gerne in Baumhöhlen und sind hervorragende Kletterkünstler.“

Im vergangenen Jahr gab es den ersten Wildunfall mit einem Damhirsch in der Gemeinde. Die riesige Herde ist eine wahre Augenweide. Gibt es nur dieses eine Rudel? Wie sind die Tiere hier her gekommen?
„Ursprünglich ist diese Tierart in Asien beheimatet. Das Damwild wird in vielen Gehegen in Deutschland in Gattern gehalten. So kommt es immer wieder vor, dass Tiere ausbrechen können. So oder so ähnlich haben sie Ihren Weg in den südlichen Bereich von Wiblingwerde Richtung Großendrescheid und Lüdenscheid-Nord gefunden. Hier werden sie regelmäßig gesichtet – auch tagsüber – da es nicht so scheu ist wie zum Beispiel das Rehwild.“
Normalerweise sind die großen Wälder eher nicht das, was Damwild gerne hat, sondern offene Flächen, richtig? Warum fühlen sie sich hier wohl? Passen sie sich einfach an oder verändern Tiere in neuer Umgebung ihre natürlichen Lebensgewohnheiten, um sich anzupassen?
„Sie passen sich der Umgebung in der sie leben an. Damwildkälber, welche hier gesetzt (geboren) werden, verlassen üblicherweise ihr Gebiet nicht. Das Damwild ist wenig wählerisch in der Äsung und kommt daher mit der Sauerländer Vegetation gut zurecht. Schälschäden an Bäumen, also das Abziehen der Rinde vom Baum, sind nur gering zu beobachten.“
Wie genau unterscheiden sich die Tiere zum hier bekannten Rehwild?
„Sie sind im Vergleich zum Rehwild größer, haben einen Wedel (Schwanz) und die Hirsche ein deutlich stärkeres und schaufelartiges Geweih mit mehreren Enden. Auch in der Fortbewegung ist das Damwild direkt zu erkennen, da es sprunghaft mit allen Läufen gleichzeitig fortbewegt, was mit unter sehr ulkig aussieht.“
Und richtet Damwild auch Schäden an und wird bejagt oder ist es wirklich einfach nur schön?
„Die Schäden, welche durch Damwild entstehen, sind in der Regel Schälschäden, das heißt es wird die Rinde der Bäume abgefressen. Der Baum leidet und das Holz wird mitunter unbrauchbar. Die bisher aufgetretenen und gemeldeten Schäden sind aber nicht sehr hoch, von daher wird diese Wildart in den meisten Revieren nicht vorrangig bejagt.“

Muffel: Ich muss sagen, der Anblick ist besonders. Irgendwie Alpen-Feeling, oder? In Breckerfeld gibt es auch welche. Dort ist die Kritik groß. Hier hört man selten etwas Negatives. Richten sie hier keinen Schaden an?
„Schäden, die durch die Wildschafe (Muffelwild) entstehen sind sehr groß, da sie zum Beispiel im Rudel bis zu 50 Tieren in einem Maisfeld verheerenden Schaden anrichten können. Noch werden die Schäden von den heimischen Landwirten geduldet. Ansonsten sind sie als Wiederkäuer eher ein typischer Grasfresser.“
Gibt es hier Zahlen? Wie viele gibt es? Gefühlt nimmt die Population zu, ist das so? Ist das gut oder schlecht? Und warum?
„Die geschätzten Zahlen liegen bei 80 bis 90 Tieren im Hegering Altena. Auch Muffelwild ist eher standorttreu, allerdings sehr scheu und immer achtsam und in Bewegung. Daher werden sie in den Revieren, in denen sie vorkommen, bejagt um eine Überpopulation zu vermeiden. Eine strikte Bejagung ist daher äusserst ratsam.“
Was ist das Besondere an Muffel?
„Die Wildart ist eher scheu und man sieht sie am Tag selten länger an einer Stelle verweilen. Sie ziehen langsam und suchen die Deckung der Wälder und des Buschwerks. Die Muffelwidder können ein starkes Gehörn entwickeln, welches sich kreisförmig als Hornschnecke ausbildet. Die weiblichen Muffelschafe haben kein Gehörn und von daher sind sie gut voneinander zu unterscheiden.“
Kanada-Gans: In Iserlohn ein riesen Thema und auch am Lenneufer gibt es ganz offensichtlich immer mehr. Sie sind toll anzusehen und die Küken sind super niedlich. Wo genau liegt das Problem? Werden sie überhaupt bejagt, wenn ja warum/ wenn nein warum nicht?
„An der Lenne sehe ich sie auch hin und wider einige Kanada-Gänse sitzen, die durch ihr weißen Kinnband gut zu erkennen sind. Im Gegensatz zur hier üblichen Graugans ist sie größer. Mir sind bis dato keine Schäden im Bereich der Lenne bekannt, beziehungsweise Probleme mit diesen Tieren, was nichts heissen muss.“

Nutria: Waren dieses Jahr das erste Mal auf der Liste, richtig? Schwimmen die durch die Lenne und sagen „Ach, hier ist schön, hier bleibe ich?“ Oder wie kommen die an den Lennestrand? Ich weiß, dass die putzigen Tiere ein echtes Problem für Uferbereiche und sogar Gebäude werden können. Rund um Schloss Oberwerries in Hamm beispielsweise. Gibt es hier auch Probleme und wenn ja, wo?
„Sie gibt es schon lange hier. Dank des besser werdenden Nahrungsangebots vermehren sie sich auch besser und erst dann wird es auffällig und zur Plage. Zum Beispiel in Altena gibt es an der Lenne im Uferbereich Probleme mit Nutrias, welche die Böschungsbereiche für Ihren Erdhöhlen durchlöchern – sehr zum Ärger der Anwohner. Diese ufernahem Bereiche werden dadurch instabil und können somit zur Gefahr werden. Die Fangjagd in Lebendfallen ist reglementiert und nicht ohne Weiteres möglich. Gleiches gilt für Bisamratten, die mit den Nutrias verwandt sind.“
Gibt es noch mehr eher invasive Tierarten in unseren Wäldern? Wenn ja, welche?
„Weitere invasive Tierarten sind zum Beispiel der Ochsenfrosch und der Mink, die aber hier bis dato (toi-toi-toi) keine Rolle spielen.“