Dr. Christof Grote, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Lüdenscheid-Plettenberg, eröffnete die Aufführung mit den Worten: „Ein gewaltiges Oratorium, geschrieben von meinem Kollegen und Freund Doktor Manuel Schilling, Superintendent aus Soest. Komponiert von Dmitri Gregoriev, Kantor unsers Kirchenkreises. Lieber Manuel, lieber Dmitri, herzlich willkommen heute Nachmittag euch beiden und all den, die euch hierher begleitet haben. Wir freuen uns, Maria ganz neu zu sehen, zu hören und zu erleben.“
Innerhalb des sehr reduzierten Bühnenbildes, in dem sich der Focus ausschließlich auf die Schauspieler und die Filmsequenzen legte, bewegten sich Maria (Lina Strych) und die acht Evangelisten (Jugend-Theatergruppe Soest/Lippstadt) – unter ihnen auch Maria Magdalena, Markus und Jakobus, der Halbbruder des Herrn – gekonnt zwischen großen Monitoren über zwei Stunden hinweg durch die persönliche Geschichte der Maria.
Der Hintergrund: Die Evangelisten treffen sich zu einem „Evangelisten-Kongress“ in Jerusalem. Sie sind auf der Suche nach Maria, um direkt an der Quelle zu forschen. Mittlerweile kursieren so viele unterschiedliche Geschichten über diese außergewöhnliche Frau, dass niemand mehr so recht durchblickt, was davon Legende oder Wahrheit ist. Sie war offensichtlich auserwählt. Ist sie daher eine Heilige oder ein normaler Mensch? Oder beides? Wer bist Du, Maria? Das ist die Frage, die die Evangelisten ihr stellen wollen.
Dabei stoßen sie erst einmal auf Widerstand. Maria ist krank, alles andere als gut drauf und daher ganz schön widerborstig und genervt von den „Evangelisten“. Durch ihre oft eher widerstrebenden Antworten wird jedoch allmählich klar: Sie fühlt sich alles andere als heilig, sondern zuallererst als Mutter. Als Mama, deren Herz vielfältig gebrochen wurde. Dazu zogen SchauspielerInnen und Musik authentisch belegte biblische Situationen zu Rate, wie die Geburt Jesu, die Hochzeit zu Kanaan, die Abweisung seiner Familie durch Jesus selbst und die Kreuzigung. Die einzelnen Geschichten wurden dabei beindruckend unterstützt von Schwarzweiß-Filmen (SchauspielerInnen Jugend-Theatergruppe Soest/Lippstadt), die bereits ganz zu Anfang eindrücklich zeigten: In der wahren Geschichte Marias geht es um eine Mutter-Sohn Beziehung. Sie verdeutlicht ein Leiden, wie nur eine liebende Mutter leiden kann. Nicht um den Sohn Gottes, sondern ganz real um das geliebte Kind.
Die schauspielerische und gesangliche Leistung der Jugendlichen wurde unterstützt durch die klanggewaltige Musik von Dmitri Gregoriev. Zutiefst bewegend nahmen die hervorragenden Stimmen von Chor (erweitertes Lüdenscheider Vokalensemble) und die Solisten mit hinein in das Geschehen. Mal wurden die Sänger von Orgel und Orchester unterstützt, mal wurden Choräle in lateinischer Sprache A-Capella gesungen. Die Musik wechselt zudem durch alle Genres. Klassik, Pop und auch Jazzelemente vereinigten sich zu einem harmonischen Ganzen.
Die Jugendlichen spielten und sangen die Geschichte Marias großartig. Was auf der Bühne mit einem einzigen blauen Tuch, den Filmen rechts und links und dem Spiel der jungen Schauspieler an atmosphärischer Dichte erzeugt wurde, war schlichtweg atemberaubend. Manchmal musste man weinen, dann wieder lachen, wenn der „Evangelisten-Kongress“ sich heftig stritt. Die Jünger Jesu waren eben auch nur Menschen.
Besonders intensiv wurde es, wenn die Film-Darsteller von Jesus (Neela Wickard), Maria (Merle Große-Ophoff), Josef (Florian Milde) und Engel Gabriel (Sophie Gönnemann) eingeblendet wurden. Filmisch genial umgesetzt vom Team um den Filmschaffenden Johann Schilling.
Der Wechsel zwischen Klassik, Chorälen, Pop und Jazz erzeugte ebenfalls einen Spannungsbogen zwischen Antike und Moderne, der in sich stimmig, die Aufmerksamkeit auf ein zeitloses Geschehen lenkte. Die Geschichte Jesu und seiner Mutter wurde zu einem generationenübergreifenden Erlebnis. Man konnte sich problemlos mit Maria als realer Frau identifizieren. Durchaus schroff und gar nicht amüsiert von den „Evangelisten“, gab sie tiefe Einblicke in ihr wahres Inneres, in die schweren, unwiederbringlichen Verluste, die sie nicht nur durch den Tod ihres Sohnes, sondern auch durch den Tod ihres Mannes erlitt. Und dennoch lebte sie am Ende ihres Lebens im Frieden mit ihrer Aufgabe, denn sie wusste, dass ihr Sohn die Menschheit durch das Kreuz gerettet hat. Eine starke und dabei sensible Frau, die durch ihr „Ja“ zu der Frage Gottes, ob sie bereit sei, den Erlöser zu gebären, die Tür zur Rettung der gesamten Menschheit öffnete.
Alles in allem ist das Maria-Oratorium ein beeindruckendes Zeugnis für das Leben Jesu mit seiner Mutter. Maria war Gottes „Plan A“ zur Rettung der gesamten Welt. Sie war keine Heilige, sondern ein ganz normaler Mensch, dem viel abverlangt wurde. Ebenso wie dem jungen Josef, der ebenfalls bereit war, mit jeder Konvention zu brechen und Jesus ein guter Papa zu sein. Mit dem Maria-Oratorium werden beide geehrt. Ohne sie als Personen zu verfälschen.
Lüdenscheid darf zu Recht froh darüber sein, Ort der Weltpremiere des Maria-Oratoriums gewesen zu sein. Es darf stolz sein auf den Kreiskantor und Ausnahmemusiker Dmitri Gregoriev, der in der Lage ist, solch eine gewaltige Musik zu erschaffen. Stolz auch auf das erweiterte Lüdenscheider Vokalensemble, welches diese Musikwelt in der großen Qualität umsetzen kann.
Und glücklich: Über die Solisten Anna Padalko (Mezzo Sopran) und Petra König-Gurian (Sopran), die Organistin Annette Elisabeth Arnsmeier und über das professionelle Projekt-Orchester. Nicht zu vergessen auch über die Beziehungen zu Soest und seinem Superintendenten, der die Geschichte der Maria so treffend gemeinsam mit der Jugend-Theatergruppe Soest-Lippstadt und seinem Sohn Johann Schilling, der bei den Fotosequenzen Regie führte, umsetzte. Großer Dank geht zudem an den Regisseur des Oratoriums, Heiner Kallmeier, dem es gelang, in nur neun Monaten Musik, Schauspiel und Film zu einem beeindruckenden Gesamtkunstwerk zusammenzufügen.
Jetzt pilgert das Oratorium weiter. Termine und Orte werden auf der Webseite mariaeinewiekeine.de/ publiziert. Dazu viel Wissenswertes über Entstehungsprozess, Proben und Intention.
Quelle: Pressemitteilung des Ev. Kirchenkreises Lüdenscheid-Plettenberg