Seit Sonntag, 10. November, sind die drei Ukrainer Andrew, Arseni und Nikolai schon vor Ort in Schalksmühle. Der Anlass für ihren Besuch: Sie holen die neuen Spenden ab – um sie direkt zur „Frontline“ in die Ukraine bringen zu können.
Für Dienstag, 12. November, lud Uwe Rittinghaus, Hauptverantwortlicher der Ukrainehilfe Schalksmühle, zu einem besonderen Abend in das Begegnungszentrum Westfälischer Hof ein. „Ich will, dass Sie wissen, wo die Hilfe hingeschickt wird“, erklärte er den Hintergrund des Abends, zu dem rund 15 interessierte Bürger erschienen. Dass auch ihn der Krieg sehr beschäftigt, wurde den Anwesenden schnell klar: „Wenn ich nicht schlafen kann, schenkt mir Gott Ideen“, beschrieb er eindrücklich seine schlaflosen Nächte. Er könne nicht wegschauen und seine Füße stillhalten, betonte Uwe Rittinghaus, also habe er direkt nach Ausbruch des Kriegs im Frühjahr 2022 schon die erste Aktion organisiert, bei der Lebensmittel im Wert von 15.000 Euro verschickt wurden.
„Wir hören, was gebraucht wird“
Über die Zeit entwickelte sich der Kontakt zu einem Bataillon aus Mariupol. Der dortige Kaplan (auch Pastor oder Priester), habe ihn gefragt, ob er bereit wäre, auch katholischen Menschen zu helfen, skizzierte Rittinghaus die Hintergründe. Dass diese Art der Unterstützung allen Sinn der Welt mache, erklärte der hilfsbereite Schalksmühler mit knappen neun Worten: „Weil wir von den Jungs hören, was gebraucht wird.“
Um sich selbst ein Bild von der Lage vor Ort zu verschaffen, besuchte Uwe Rittinghaus im vergangenen September die Ukraine. „[…] und die Straßen sind wirklich katastrophal, Autos halten da nicht lange“, fand er Worte für die komplett zerstörte Infrastruktur.
„Sie sitzen in Bunkern, feiern Gottesdienst und packen Sachen aus Schalksmühle aus, das ist für mich ein großes Geschenk“, wurde Rittinghaus ein Stück weit emotional, und es war ihm förmlich anzusehen, wie viel ihm an der Unterstützung seiner ukrainischen Freunde liegt. Stellvertretend als Dank an alle Spender, die sein Projekt unterstützen, überreichten die drei Ukrainer ihm eine selbstgemachte Axt, verziert mit dem Schalksmühler Wappen. „Als Arseni das erste Mal herkam, übergab er mir eine Ukraineflagge. Mittlerweile habe ich einen ganzen Schrank voll mit Sachen aus der Ukraine“, erzählte Rittnghaus und betonte: „Diese bewahre ich darin nicht für mich, sondern stellvertretend für ganz Schalksmühle.“
Dragons spenden Trikots
Selbstverständlich wurden auch beim Treffen am 12. November wieder Spenden für die Ukraine übergeben. Neue Sporttrikots zum Beispiel, die der Verein SGSH Dragons gespendet hat: „Ukrainische Kinder sind nämlich sehr sportlich“, erläuterte Rittinghaus. Doch auch regionale Speisen und weitere nützliche Gegenstände nahmen Andrew und Arseni im Begegnungszentrum dankbar in Empfang.
Bis zu diesem Zeitpunk gestaltete sich der Abend – rein formell betrachtet – als Spendenübergabe. Doch was dann folgte, war eine emotionale Geschichte des Ukrainers Andrew, die einige Gäste zu Tränen rührte.
„Sie haben alles verloren“
Teilweise in Englisch, teilweise auf Deutsch beschrieb er den Beginn der feindlichen Übernahme des Donbass im Jahr 2014 aus seinem persönlichen Erleben. Als Student der Musik habe er kurz darauf Donezk verlassen, um in seine Heimatstadt Mariupol zurückzukehren. Den ersten Kriegstag am 13. März 2022 wird er wohl nie vergessen: Seinen ältesten Bruder habe er bereits innerhalb der ersten Tage durch den Einschlag einer Rakete verloren – und seither nie wieder gesehen. „Ich weiß nur, dass er die Nummer 159 hat“, beschrieb er das Procedere, nach dem verstorbene Soldaten und Zivilisten in Massengräbern abgelegt würden. „Ich hatte viele Möglichkeiten“, sagte Andrew, dessen Familie mittlerweile in Texas (USA) lebt, „Aber ich stehe für die Ukraine.“ In seinem Bataillon seien derzeit rund 50 Personen, die direkt an der Frontlinie sind. „Über 70 Prozent von ihnen haben alles verloren“, machte er deutlich und fügte hinzu: „Die Soldaten sind unsere Brüder und Schwestern.“
Hoffnung spenden
Nach Andrews bewegender Erzählung unterstrich Uwe Rittinghaus nochmals, was ihn antreibt und motiviert: Er habe durch – oder trotz – der tragischen Geschehnisse in der Ukraine drei neue Freunde gewonnen und wolle an ihrer Seite bleiben. „Wir wollen die Menschen in der Ukraine unterstützen und ihnen ein wenig Hoffnung geben – denn wenn man überhaupt keine Hoffnung mehr hat, ist das eine noch tragischere Tragödie.“ Doch Rittinghaus ist bewusst, ohne die Hilfe seiner Freunde aus Lüdenscheid, die unter dem Namen „Sauerländer Jungs“ bekannt sind, wäre das gesamte Projekt nicht möglich. „Bereits sieben Mal sind sie schon rübergefahren, zwei Mal bin ich selbst mitgekommen“, macht er klar.
Fotogalerie:
Video vom Kaplan aus Mariupol:
Spendenkonto bei der freien evangelischen Gemeinde Schalksmühle:
DE39 4526 0475 0009 4107 00
BIC: GENODEM1BFG
Stichwort: Ukrainehilfe
Hinweis: Spendenbescheinigungen sind ab 50 Euro möglich. Hierfür muss die vollständige Adresse in den Überweisungsvermerk eingetragen werden.