Mehr als 130 Kinder sind im Märkischen Kreis in Pflegefamilien zu Hause. Jedes einzelne Pflegekind benötigt Menschen, die ihm offen begegnen und für sie da sind. Das sei ein wichtiger Schritt für eine sichere und emotionale Bindung und den eigenen Weg im Leben, so der Märkische Kreis. Welche Bedürfnisse, Sorgen und Nöte es von Kindern allgemein und allen voran von Mädchen und Jungen, die in Pflegefamilien aufwachsen, gibt, stand im Fokus des Fachtages „Offene Augen und Ohren für Kinder“ in der Phänomenta in Lüdenscheid. Der Pflegekinderdienst des Märkischen Kreises hatte die Veranstaltung in Kooperation mit der Kinderschutzfachkraft organisiert.
„Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, dass es Kindern in ihren eigenen und auch in Pflegefamilien gut geht. Als Fachkräfte müssen wir Kindern mit offenen Augen und Ohren begegnen, sie sehen und ihnen zuhören“, sagte Silke Hufenbach, Fachdienstleitung „Soziale Dienste“ beim Märkischen Kreis vor den mehr als 100 pädagogischen Fachkräften aus Kitas, Schulen, Offenen Ganztag, von Beratungsstellen sowie Pflegeeltern und Vereinsvertretern der Kinder- und Jugendarbeit sowie im Sport.
Pflegekinder in der Hauptrolle
Inhaltlich eröffnete Kathrin Behrens vom Kompetenzzentrum Pflegekinder aus Berlin den Fachtag im Lüdenscheider Erlebnismuseum. In ihrem Vortrag lenkte sie den Blick auf die Pflegekinder in der Hauptrolle, berichtet der Märkische Kreis. Unter anderem mit Originaltönen gab sie Einblicke in das Umfeld von Pflegekindern und ihre Wahrnehmung vom Jugendamt, Pflegekinderdienst, Familiengericht, Vormund, Herkunftsfamilie und Therapie sowie deren Hilfeangebote. Daraufhin betonte sie: „Wir müssen uns fragen: Was wünschen Pflegekinder und was bekommen sie im Alltag? Es ist wichtig, junge Menschen zu beteiligen, zu stärken und sie gemeinsam auf den Weg zu bringen. Bedeutend dafür sind unter anderem eine gleichwürdige Kommunikation, entgegengebrachte Wertschätzung und sichere Räume.“ Eine große Rolle dafür spiele auch der Austausch mit Peers, also Menschen, die gleichaltrig oder in einer ähnlichen Situation sind, da die gemeinsamen Erfahrungen verbinden, heißt es in der Mitteilung.
Sexuelle und sexualisierte Gewalt bei Kindern und Jugendlichen
Ansgar Röhrbein vom GFO-Kompass in Attendorn legte den Fokus in seinem Impulsvortrag auf Folgen und Bewältigungsstrategien nach sexueller und sexualisierter Gewalt. Der Diplom-Pädagoge berichtete über das nebulöse, diffuse Bild, das bei Kindern und Jugendlichen durch sexuelle und sexualisierte Gewalt entsteht. Zusätzlich warf er einen Blick auf die Täter, die bei den Betroffenen neben körperlichen auch psychische und seelische Verletzungen bewirken. Es zeigt sich: Wer sexuelle und sexualisierte Gewalt erfahren habe, fühle sich in einem unberechenbaren Umfeld. Daraufhin entgegnete Ansgar Röhrbein: „Als pädagogische Fachkräfte müssen wir den Kindern und Jugendlichen ein Umfeld entgegensetzen, dass sicher und berechenbar ist. Zeitgleich soll es ein Raum sein, in denen freudvolle Erfahrungen möglich sind.“
Er hob ebenfalls hervor, wie wichtig es ist, dass junge Menschen im Zentrum stehen, sich gesehen und gehört fühlen. Zentrale Leitlinien für den pädagogischen Alltag seien Besonnenheit, Transparenz und Beteiligung. „Das ist eine Voraussetzung für die Selbstwerterhöhung und den Selbstwertschutz der jungen Menschen“, so Röhrbein.
Themen vertiefen in Workshops
Nach dem fachlichen Input ging es in Workshops weiter. Ein thematischer Austausch fand zu den Bereichen „Besonderheiten in der pädagogischen Arbeit mit Pflegekindern, Traumatisierung durch Gewalterfahrung in der Herkunftsfamilie, mögliche Folgen und Überlebensstrategien nach sexualisierter Gewalt sowie Mobbing und Ausgrenzung“ statt. Für die zukünftige Arbeit der Teilnehmer nahmen diese auch wichtige Ansprechpartner für ihre pädagogische Arbeit und Literatur vom Büchertisch mit.
Mit auf den Weg gegeben wurden den pädagogischen Fachkräften Tipps, wie man die Kinder bestenfalls schützen kann:
- Kreativ sein und Wege finden für offene Gespräche mit Kindern, in denen sie sich ernst genommen fühlen
- Aufmerksam sein für Betroffene – sie anhören, beteiligen und ihr Leid anerkennen
- Offen sein und spüren, was das Kind braucht. Es hat einen guten Grund für sein Verhalten
- Augen und Ohren offenhalten – Zivilcourage zeigen.