„Vor der Corona-Pandemie fanden die Tierschauen im Vier-Jahres-Rhythmus statt“, erklärt Rainer Hahn, Wirtschaftsberater bei der Landwirtschaftskammer NRW und Geschäftsführer der Tierzüchtervereinigung Märkischer Kreis/Ennepe-Ruhr-Kreis/Hagen. „Wir finden, das Stadtfest am 22. Juni ist eine gute Gelegenheit, diese Traditionsveranstaltung wieder aufleben zu lassen.“
Natürlich sei es in erster Linie ein Wettbewerb, bei dem die Viehzüchter aus der Region ihre tierischen Prachtexemplare einer Fachjury präsentieren: „Es ist sozusagen eine Misswahl für Rindviecher“, lacht Landwirt Christian Abel, der gut 140 Kühe und 30 Färsen auf seinem Hof in Altenbreckerfeld beherbergt. Und doch sei die Kreistierschau viel mehr als ein Format, bei dem es – ähnlich wie bei „Germanys Next Topmodel“ – rein um die äußere Erscheinung oder pure Schönheit geht.

Tierwohl steht bei Züchtern im Vordergrund
Denn die Veranstaltung habe immer auch einen gewissen Aufklärungs- und Informationsanspruch: „Wer als Verbraucher zuschaut, erfährt sehr viel darüber, worauf bei der Rinderzucht geachtet wird, welche unterschiedlichen Rassen auf den Weiden und in den Ställen unserer Region leben“, erklärt Züchter und Landwirt Heiner Born aus Breckerfeld. Und natürlich gehe es auch darum, Vorurteile abzubauen: „Sicher versuchen wir durch entsprechende Verpaarung die ‚ideale Kuh‘ zu züchten – ein wichtiger Baustein einer erfolgreichen Zucht, und das ist vielen Verbrauchern wahrscheinlich nicht so bewusst, ist natürlich das Tierwohl.“
Denn letztlich sind auch Milchbauern und Rinderzüchter ein Wirtschaftsbetrieb. Allein schon deswegen sei ihnen daran gelegen, dass ihre Tiere gesund sind und bleiben und keine – zum Beispiel durch ungünstige Zucht oder schlechte Haltung entstandene – Beeinträchtigungen haben: „Nur wenn unsere Kühe gesund sind, können wir auf Medikamente wie Antibiotika verzichten“, erklären Abel und Born.
Moderne Rinderzucht: Spermien fliegen um die Welt
Was „Außenstehende“ oft nicht wüssten ist, dass heutzutage bei der Zucht hochwissenschaftlich vorgegangen wird und auch dabei das Wohl der Tiere und späteren Kälbern im Vordergrund stehe: „Wurden früher Bullen zur Kuh geführt, so wird in modernen Betrieben bereits im Vorfeld geprüft, welches Genmaterial am besten zusammenpasst“, erklärt Christian Abel. Möglich ist dies dank einer weltweit angelegten Datenbank, die der Breckerfelder Landwirt per App auf dem Smartphone abrufen kann. „So lässt sich die unerwünschte Weitergabe von Gendefekten oder Erbkrankheiten vermeiden, was wiederum ja auch für die späteren Kälber selbst nur von Vorteil ist.“
Der „perfekt passende“ Bulle lerne seine Kuh dann allerdings nie persönlich kennen, um mit ihr Spaß auf der Weide zu haben, lacht Abel: „Wir erhalten lediglich sein in Stickstoff tiefgefrorenes Sperma.“ Die Kuh werde damit dann künstlich befruchtet. Nach der Geburt des Kalbes wird auch dessen Genprofil mithilfe einer Gewebeprobe in der globalen Datenbank hinterlegt. Es könne also durchaus vorkommen, dass eine Breckerfelder Kuh ein Kalb gebärt, dessen „Vater“ ein kanadischer Bulle ist oder umgekehrt ein „halb-breckerfelder Kalb“ in Irland zur Welt kommt.
Gesamtpaket ist entscheidend
Alles in allem müsse das Gesamtpaket stimmen, erklärt Thomas Gülicher als 1. Vorsitzender der Tierzüchtervereinigung, worauf es bei der Rinderzucht ankommt. „Allgemein kann man sagen, eine Kuh, die schön aussieht, ist meistens auch gesund.“ Und so werden die Juroren bei der kommenden Kreistierschau zum Beispiel auf äußere Merkmale wie Hochbeinigkeit, die Fußstellung, das Erscheinungsbild des Euters, aber auch auf den Bewegungsfluss des Tieres und seine allgemeine Ausstrahlung achten.

Schon 100 Tiermeldungen
Seit bekannt sei, dass es nach sechs Jahren wieder eine Tierschau geben wird, habe es schon rund 100 Tiermeldungen aus dem Märkischen Kreis, dem Ennepe-Ruhr-Kreis und Hagen gegeben, sagt Rainer Hahn: „Wieviele Rinder letztendlich vor die Jury treten, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sicher, es werden aber viele unterschiedliche Rassen vertreten sein.“ Rotvieh, schwarz- und braunweißes Fleckvieh, aber auch Lakenfelder, Jerseys und alpenländisches Braunvieh werden in der Region gehalten: „Doch egal, wo sie herkommt: Am Ende des Tages wird die schönste Kuh auf jeden Fall den Titel ‚Miss Breckerfeld‘ tragen,“ sagt Heiner Born.
„Stadt und Land – Hand in Hand“
Zur Kreistierschau am 22. Juni, die übrigens vom Veterinäramt genehmigt ist und von Tierärzten begleitet wird, soll es auch ein kleines Rahmenprogramm geben, bei dem zum Beispiel die Merkmale und Eigenschaften der unterschiedlichen Rassen vorgestellt werden. Vielleicht sind auch einige Pferde zu sehen: Derzeit sei noch zu klären, ob dies organisatorisch zu stemmen ist, man sei aber bereits mit Pferdezüchtern aus der Region im Gespräch, so Rainer Hahn und betont: „Unter dem Motto ‚Stadt und Land – Hand in Hand‘ verstehen wir als Züchtervereinigung eine Tierschau immer auch als Verbraucherinformation und hoffen auf viele interessierte Zuschauer.“ Er rechne mit etwa 100 „Rindviechern“, die ab 10 Uhr bis zum frühen Nachmittag auf dem Breckerfelder Marktplatz präsentiert werden.