Der Kultur-Schock steckt in der Krise. Man muss es wohl so sagen. Die Gründe sind vielschichtig. Fehlende Veranstaltungsräume, weniger Helfer, Corona und vieles mehr. Jetzt wurden auch die Vereinsräume an der Hagener Straße gekündigt. Warum?
Ronny Sachse: „Die Pandemie hat unsere Vereinsarbeit nahezu zum Stillstand gebracht. Leider konnten wir danach nicht mehr alle Mitglieder motivieren, weiterzumachen und andere mussten sich leider aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen. Wir waren nie ein großer Verein – in unseren besten Zeiten hatten wir etwa 20 aktive Ehrenamtliche, die regelmäßig geholfen haben. Damit konnten wir meist eine große Veranstaltung in der Lennehalle sowie ein bis zwei kleinere Events im Jahr stemmen.

Mit den Einnahmen aus diesen Veranstaltungen und Spendengeldern haben wir die Räumlichkeiten an der Hagener Straße finanziert. Über die Jahre haben wir dort viel Equipment gesammelt und waren froh, dieses zentral lagern zu können. Zudem waren die Räume unser Treffpunkt für Sitzungen und Planungen. Doch nun sind die Einnahmen nahezu komplett weggebrochen, die Rücklagen aufgebraucht – deshalb blieb uns leider keine andere Wahl, als die Räumlichkeiten zu kündigen.“
Was ist das größte Problem derzeit?
„Unser Verein steht vor zwei großen Herausforderungen: Einerseits fehlen uns Räumlichkeiten, um Veranstaltungen anzubieten. Andererseits mangelt es an Mitgliedern, die bereit sind, tatkräftig mit anzupacken und Events zu organisieren.“
Einst war der Kultur-Schock ein wahres Aushängeschild für ehrenamtliches Engagement. Aber auch Sie haben inzwischen zu kämpfen. Helfer sind ein knappes Gut. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Gibt es eine Art Ehrenamtsverdrossenheit?
„Wenn man sich die ehrenamtliche Arbeit in der Gemeinde anschaut, merkt man schnell: Es sind oft die gleichen Personen, die sich engagieren – und das in mehreren Bereichen. Wenn jemand ausfällt, merken das gleich mehrere Vereine. Doch ein Ehrenamt funktioniert nur, wenn genügend Leute mitmachen und einige bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, etwa im Vorstand. Das ist nicht nur zeitintensiv, sondern bringt auch Verantwortung mit sich.
Ich glaube, finanzielle Ängste sind bei den meisten aber eher zweitrangig, immerhin ist eine Arbeit im Vorstand auch mit gewissen Risiken verbunden. Ich denke, dass die Leute eher der zeitliche Aspekt von einem Engagement abstand nehmen lässt. Der Begriff Work-Life-Balance ist da sicherlich aktuell das richtige Stichwort. Die Leute gehen ihrer Arbeit nach und in ihrer Freizeit wird dann lieber etwas mit der Familie unternommen oder das persönliche Hobby gepflegt. Ich denke Ehrenamt wird dann eher als zusätzliche Arbeit statt als Freizeitbeschäftigung angesehen. Das verstehe ich durchaus, denn es kann auch stressig sein. Aber wenn man sich einmal überlegt, was alles durch ehrenamtliche Arbeit ermöglicht wird – in Sport, Kultur, Feuerwehr/THW, Schulen, Kindergärten und viele weitere Bereiche – wird schnell klar, wie unverzichtbar dieser Einsatz ist. Ich glaube fast jeder nutzt in seiner Freizeit irgendein Angebot, welches es ohne Ehrenamtler so nicht geben würde.
Ich möchte deshalb alle ermutigen, sich zu engagieren. Es gibt viele Formen von Ehrenamt, und ich bin überzeugt, dass man dafür auch viel zurückbekommt. Besonders wichtig finde ich es, dass Eltern ihre Kinder für solche Aktivitäten begeistern. Das fördert soziale Bindungen und erweitert den Freundeskreis enorm.“
Sie sind nicht nur im Kultur-Schock ehrenamtlich unterwegs. Was gibt Ihnen das Ehrenamt? Was treibt Sie an?
„In der Tat habe ich einige Ehrenämter, in denen ich aktiv bin. Gerade mit dem Kultur-Schock sieht man mich ja hin und wieder in der Öffentlichkeit. Das ich politisch aktiv bin, sowohl bei der SPD hier bei uns in Nachrodt-Wiblingwerde als bei der SPD und der SGK im Märkischen Kreis, ist ja auch kein Geheimnis. Ich bin Sprecher der LAG der Leaderregion Lenneschiene, bin beim TuS Nachrodt-Obstfeld engagiert und war die letzten fünf Jahre ehrenamtlicher Richter beim Oberverwaltungsgericht in Münster.
Das Schöne am Ehrenamt ist für mich die Vielseitigkeit. Ich lerne ständig Neues und treffe inspirierende Menschen. Und wenn am Ende etwas entsteht, das anderen zugutekommt, erfüllt mich das mit Freude.“
Der Kultur-Schock ist schon Ihr Herzensprojekt. Das merkt man immer wieder. Wie steht es um die Zukunft? Wann ist der Moment gekommen, zu sagen „so, das war es, wir können nicht mehr“?
„Vor 15 Jahren wollte ich unbedingt eine kulturelle Veranstaltung in der Gemeinde organisieren – damals noch über den SPD-Ortsverein. Doch da die Lennehalle nicht für Parteien zur Verfügung stand, war klar: Einfach aufgeben kam nicht infrage. So entstand die Idee, einen unabhängigen Kulturverein in Nachrodt-Wiblingwerde zu gründen. Das war die absolut richtige Entscheidung. Der Verein sollte politisch neutral sein, um möglichst viele Menschen zur Mitarbeit zu bewegen – und ich denke, das ist uns auch gut gelungen. Ich bin wirklich stolz darauf, was wir gemeinsam erreicht haben.
Natürlich hat alles seine Zeit, und im Moment erleben wir beim Kultur-Schock eine schwierige Phase. Wir haben mehrfach öffentlich dazu aufgerufen, uns als Mitglieder zu unterstützen. Leider war die Resonanz gering. Viele langjährige Mitglieder mussten aus gesundheitlichen oder altersbedingten Gründen aufhören. Besonders schmerzlich war der Moment, als wir feststellen mussten, dass wir die Bewirtung der Lenneterrasse personell nicht mehr stemmen können. Die fehlenden Veranstaltungsorte tun ihr Übriges dazu.
Es gab tatsächlich den Punkt, an dem ich dachte: ,Ein Kulturverein, der nichts mehr organisiert, wird nicht gebraucht.‘ Wir haben im Verein intensiv darüber diskutiert, ob wir den Verein auflösen, haben uns aber einstimmig dagegen entschieden. Wir haben stattdessen beschlossen, den Verein in eine Art Winterschlaf zu versetzen – in der Hoffnung, dass uns in Zukunft wieder mehr Veranstaltungsräume zur Verfügung stehen und sich neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter finden. Wir haben zwar nun die Räumlichkeiten des Vereins aufgegeben, aber nicht den Verein selbst.“

Was glauben Sie, welchen Stellenwert der Kultur-Schock für die Gemeinde hat?
„Ich bin überzeugt, dass der Kultur-Schock in der Gemeinde einen hohen Stellenwert hat und positiv wahrgenommen wird. Unsere Veranstaltungen waren in der Regel gut besucht, auch wenn es hin und wieder mal ein Event gab, das nicht jeden Geschmack getroffen hat. Totale Flops gab es – bis auf den Kultur-Rausch im letzten Jahr – allerdings nicht. Die Rückmeldungen waren überwiegend positiv, und viele Menschen haben sich gefreut, in ihrer Gemeinde kulturelle Angebote wahrnehmen und schöne Stunden verbringen zu können. Ich hoffe sehr, dass wir in Zukunft wieder an diese Zeiten anknüpfen können.“
Was für helfende Hände werden gesucht? Wie können die Bürger den Verein unterstützen?
„Wir haben oft von Nicht-Mitgliedern Hilfe angeboten bekommen, wenn Not am Mann war – und dafür bin ich sehr dankbar. Aber ich bin überzeugt, dass ein fester Stamm von Mitgliedern, die regelmäßig mitwirken, unverzichtbar für die Planung von Veranstaltungen ist.
Große Events in der Lennehalle, die wir mindestens ein Jahr im Voraus planen, erfordern viel Einsatz. Neben dem organisatorischen und finanziellen Aufwand brauchen wir allein für die Durchführung 20 bis 30 Personen: vom Aufbau und Abbau über Kasse, Getränkeausschank, Essensausgabe und Parkplatzeinweisung bis hin zur Künstlerbetreuung. Wenn bei unseren Mitgliederversammlungen klar besprochen werden konnte, wer bei der Veranstaltung dabei ist, war es leichter, zusätzlich fünf bis sechs Helfer zu finden. Aber wenn nur fünf bis sechs Leute fest zur Verfügung stehen und der Rest unsicher ist, wird die Planung einfach zu schwierig.
Schon bei der Gründung wussten wir, dass es nicht leicht sein würde, Mitglieder zu gewinnen. Deshalb haben wir uns bewusst entschieden, keinen Mitgliedsbeitrag zu erheben. Leider hat auch das über die Zeit nicht zu einem großen Zuwachs geführt.“
Die Veranstaltung Kultur-Rausch war, wie Sie selbst sagten, ein Flopp. Das muss man wohl leider so sagen. Es tat schon Außenstehenden weh, das zu sehen. So viel Liebe und Arbeit steckte darin und dann kam der Regen – es waren unwetterartige Regenfälle. Keiner kann etwas dafür. Aber wie sehr schmerzt so etwas finanziell – aber vor allem auch emotional?
„Der Kultur-Rausch war tatsächlich der größte Flopp unseres Vereins. Nicht, weil die Planung schlecht war, sondern weil das Wetter uns einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Bei einer Open-Air-Veranstaltung hängt alles vom Wetter ab, und wenn es an beiden Tagen unwetterartig regnet, hat man keine Chance. Da kann man noch so gut planen, vorbereiten und sich abstimmen.
Das war emotional sehr hart – für das gesamte Team und die beteiligten Vereine. Es tat mir wirklich leid für alle, die so viel Zeit und Arbeit investiert hatten, ohne dafür belohnt zu werden. Für Ehrenamtliche ist die eigentliche Belohnung ja, wenn die Menschen ein positives Erlebnis mit nach Hause nehmen.
Finanziell hielt sich der Verlust in Grenzen, da wir Fördermittel aus dem Leader-Programm sowie einen Zuschuss der Gemeinde nutzen konnten. Ohne diese Unterstützung wäre die Veranstaltung gar nicht möglich gewesen. Ich bin dankbar, dass es diese Mittel zur Unterstützung gab und mir ist natürlich bewusst, dass das Steuergelder sind. Wir hätten uns alle gewünscht, dass die Veranstaltung erfolgreicher verlaufen wäre.“
Kommen wir mal raus aus der Depri-Stimmung. Was war denn Ihr schönstes Kultur-Schock-Erlebnis?
„Das eine schönste Erlebnis gibt es für mich gar nicht – jede Veranstaltung hatte ihren besonderen Moment. Am schönsten war es für mich, wenn die Besucher auf ihren Plätzen saßen, das Licht ausging, der Künstler die Bühne betrat und der erste Applaus erklang. In diesen Momenten wusste ich, die ganze Arbeit hat sich gelohnt und nun werden wir alle einen schönen Abend haben.
Zu den Highlights gehören aber sicherlich die großen Events in der Lennehalle mit Künstlern wie Bernd Stelter oder Ingo Appelt. Wir haben uns sehr gefreut, dass es uns gelungen ist so namhafte Künstler bei uns in Nachrodt-Wiblingwerde begrüßen zu dürfen. Aber auch die Veranstaltung mit dem Ruhrpottpourie-Ensemble bleibt unvergessen. Über 30 junge Künstlerinnen und Künstler die Musical-Songs aufführten und die ganze Halle mit Leben füllten. Es war schon beeindruckend, wie diese unter anderem zu Liedern von Starlight Express mit ihren Rollschulen durch die Lennehalle gesaust sind.
Etwas weniger Kultur aber viel Gemeinschaft war über viele Jahre unsere Sommerbewirtung an der Lenneterrasse. Der Austausch mit den vielen Stammgästen hat dem Team immer viel Freude gemacht.“
Und warum sollte Ihrer Meinung nach alles getan werden, um den Kultur-Schock am Leben zu erhalten?
„Unsere Gemeinde hat viele tolle Veranstaltungen, von Lenne-lebt über den Weihnachtsmarkt, das Osterfeuer, Tag des offenen Denkmals bis hin zu Rock@School und vieles mehr. Ich denke, der Kultur-Schock hat auch mit seinen Veranstaltungen dazu beigetragen, dieses Gemeinwesen ein Stück weit zu bereichern. Ich hoffe, dass wir irgendwann wieder Leben in den Verein bringen können – vielleicht gelingt uns ja ein Comeback, wenn wieder mehr Veranstaltungsräume verfügbar sind.“

Ist für 2025 etwas geplant?
„Derzeit ist nichts Konkretes geplant, aber man sollte niemals nie sagen. Spontaneität war ja schon immer eine unserer Stärken.“
Ist Ihnen noch etwas wichtig? Möchten Sie gerne noch etwas los werden?
„Auch wenn es nicht explizit gefragt wurde, möchte ich gerne noch etwas zu meinen Vereinsmitgliedern sowie zu allen Mitstreitern und Unterstützern sagen. Der Kultur-Schock hat in den letzten 15 Jahren nur deshalb so gut funktioniert, weil sich viele Menschen mit Herzblut und Engagement eingebracht haben. Dafür bin ich unglaublich dankbar.
Dieser Verein war und ist eine echte Gemeinschaftsleistung. Ich möchte mich von ganzem Herzen bei all denjenigen bedanken, die mitgewirkt haben – sei es durch ihre Zeit, ihre Ideen oder ihren Einsatz bei den Veranstaltungen. Unser Erfolg war nur möglich, weil so viele stets ihr Bestes gegeben haben. Besonders schätze ich das Gemeinschaftsgefühl, das uns als „Kultur-Schocker“ ausgemacht hat. Es hat nicht nur Spaß gemacht, sondern auch gezeigt, wie stark ein gutes Team sein kann.
Ein großes Dankeschön gilt auch allen Nicht-Mitgliedern, die uns immer wieder mit helfenden Händen zur Seite standen. Darüber hinaus möchte ich mich bei den zahlreichen Unternehmen aus der Gemeinde und darüber hinaus bedanken, die uns finanziell und tatkräftig unterstützt haben.
Ein besonderer Dank geht an unsere Bürgermeisterin Birgit Tupat und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung. Die Zusammenarbeit mit ihnen war und ist stets hervorragend. Dieser Austausch hat uns immer wieder motiviert und ermöglicht, dass wir unsere Projekte so erfolgreich umsetzen konnten.
Ich hoffe sehr, dass wir mit einem starken Team und neuen Mitstreitern eines Tages ein Comeback feiern können. Bis dahin geht mein größter Dank an alle, die den Kultur-Schock auf seinem bisherigen Weg begleitet haben. Ich kann sagen, es war und ist mir eine Herzensangelegenheit und ich bin froh und dankbar Vorsitzender dieses tollen Vereins zu sein.“