Der Mann kommt aus dem thüringischen Apolda, einem Städtchen kaum so groß wie Plettenberg. Dort, direkt neben Weimar gelegen, betreibt Peter Zahn, 1962 geboren, eine Firma für elektronische Schließsysteme und Zeiterfassungsanlagen. Früher hätte man schlicht gesagt, er handele mit Stechuhren, aber derlei Elektromechanik ist schon lange nicht mehr up to date.
Wer Zahn auf der Straße trifft, der begegnet einem sehr normalen Mann mit Stoppelbart und der markant hohen Stirn eines etwas abgefahrenen Professors. Außerhalb von Apolda wird man Zahn, diesen Normalo, schnell wieder vergessen haben und dass er in der örtlichen Band „Crazy“ mal der Leadsänger war, wissen auch nur Eingeweihte. Obwohl: Crazy triffts. Als wäre es eine Szene aus einem guten britischen Krimi, verreist Peter Zahn mit einem Koffer voller Requisiten und Maskerade. Im Bamenohler Schloss, das ebenfalls einem Francis Durbridge-Krimi oder einem Edgar Wallace-Film in idealster Weise zupass käme, wurde der Thüringer am Samstag, 16. August, vom Schlossherren, Freiherr von Plettenberg, empfangen. Rein ging Peter Zahn – raus kam nach erfolgter Verwandlung Mariuzz, das äußerst detailgetreue zweite Ich von Marius Müller-Westernhagen.
Die Kulturgemeinde Finnentrop hatte die Bürger des Lennetals - genauer gesagt alle Eingeborenen zwischen Grevenbrück und Plettenberg – zur Eröffnung der Kultursaison eingeladen und sich dazu das beste Westernhagen-Double eingeladen, das man derzeit in Deutschland findet. Das ist eben jener Peter Zahn, der im wirklichen Leben mit den elektronischen Stechuhren hantiert, der aber seit 2012 auch den Mariuzz darstellt.
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Wenn der Peter aus Apolda seinen Requisitenkoffer umstülpt, er in den schwarzen Anzug steigt, sich in das heftig gepunktete Hemd geworfen hat, in dem ein markantes plusteriges blaues Halstuch seinen Platz findet, wenn an ihm die Halskette mit dem schweren Kreuzanhänger baumelt - dann fehlt noch immer das Schlüsseldetail. Es ist die tiefblaue Nickelbrille, bei der die gewölbten Gläser in einer Art der strengen Enge in einem doppelten Metallrahmen so fokussiert stehen, dass sie das Gesicht völlig dominieren. Aus Herrn Zahn ist, sobald er die John-Lennon-Brille als letztes aber entscheidendes Detail angelegt hat, Marius Müller-Westernhagen geworden, also Mariuzz, das Double. Die Maskerade entspricht en detail der Bühnen-Performance des „Meisters“, wie Mariuzz den Marius nennt, bei dessen Auftritt im Oktober 2010 in der Münchner Olympiahalle.
Es stimmt ja: Der wirkliche Marius Müller-Westernhagen ist in diesem Jahr 75 Jahre alt geworden und seine richtig krachenden Erfolge liegen weit mehr als 25 Jahre zurück – die legendären Stadionkonzerte, die großen provokanten Rocknummern, die gewaltigen Balladen. Das hier stimmt aber auch: Westernhagen hat deutsche Musikgeschichte geschrieben, hat zwei, wenn nicht drei Generationen begeistert. Allein das rechtfertigt es, ihn mit einer Double- und Tribute-Show zu feiern. Zu der kamen am Samstag viele hundert Musikjünger in den Schlosspark.
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Als Vorband hatte die Kulturgemeinde Finnentrop die Lennestädter Gymnasiastenband „Die Kronjuwelen“ verpflichtet, die eine überzeugende, musikalisch und stimmlich ausgesprochen solide 70er-, 80er- und 90er Jahre Show von Abba bis Amy Winehouse, von Nena bis Huey Lewis & the News ablieferte. LokalDirekt-Urteil: Die „Juwelen“ kannst Du auf jedes Stadtfest stellen, die rocken das Ding!
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Und während die „Juwelen“ den Opener gaben, wurde im Schloss, das als Backstage diente, aus Peter der Mariuzz (der übrigend aus lizenz- und warenrechtlichen Gründen so heißt wie er heißt, denn Westernhagen kann er sich schlecht nennen.) Wäre jetzt nur die optische Verwandlung anzuerkennen, wäre die Show eine plumpe. Aber die Sache geht weiter: Der echte Marius hat in den 50 Jahren seines musikalischen Schaffens eine größere Zahl hochprofessioneller Musiker und Vokalisten um sich versammelt, mit denen er Platten einspielte, Tourneen bestritt und die Stadionkonzerte durchkämpfte.
Die sind – älter zwar, aber weiter gut im Saft – alle noch da. Und Peter Zahn, pardon, Mariuzz, hat sie der Reihe nach alle im Telefonregister und ist gut Freund mit ihnen. So stehen bei seinen Konzerten mal mehr, mal weniger Originale mit auf der Bühne. Damals spielten sie mit dem „Meister“, heute mit Mariuzz, der so singt, der sich so bewegt, kleidet, aussieht wie Westernhagen. Die Spielfreude ist unüberhörbar, unübersehbar. Genau deshalb klingt und wirkt die Show so unglaublich authentisch, dass man sich kneifen möchte: Ist’s eine Zeitreise in der Westernhagen-Kapsel, ist’s Wahrheit oder Traum, ist er es, also der „Meister“, oder ist er es nicht?
Im Bamenohler Schlosspark wurde Mariuzz am Samstag von einem so textsicheren wie junggebliebenen Publikum abgefeiert. Das Lennetal hatte seinen eigenen Westernhagen, eben diesen Mariuzz. Eine begnadete Veranstaltung in einer der besten Locations des Tales bei allerfeinstem Eventwetter!